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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 54.1931

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Eckhardt, Ferdinand: Berliner Graphiker der Nachkriegszeit, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6346#0052
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Expressionisten ge-
stellt hat, die Mehr-
zahl der Brücke-Maler,
aber auch Max Beck-
mann und Zille. Es ist
im ersten Augenblick
verwunderlich, daß die
beiden größten Ex-
pressionisten der Nor-
den beigegeben hat,
Nolde ist Schleswig-
Holsteiner, Corinth
Ostpreuße. Die eigent-
lichen Fortsetzer aber
der Berliner Tradition
eines Menzel und
Liebermann sind die
Süddeutschen gewor-
den: Slevogt ist Bayer,

Meid Schwabe, Groß- Rolf Nesch'Klavier und F,öten- Farbi«e R'1dierans-

mann Badenser. Berlin, selbst ist aber eine Stadt, die außer Liebermann und Gramatte, dessen
Eltern aus Schlesien kamen, keine hervorragende graphische oder malerische Begabung hervor-
gebracht hat, denn Grosz hat sein Bestes ja nur im Gegenstande geleistet. Es bleibt für Berlin
eine Linie wie Paeschke und Büttner. Ein fremdes Element aber haben die Berliner in der Malerei
merkwürdigerweise immer abgelehnt, so sehr sie in der Musik und im Theater bereit waren, es
aufzunehmen: das Österreichische. Orlik ist irgendwie ein Fremdkörper geblieben in Berlin, man
hat sich für seine technischen Sachen interessiert und man hat ihn akzeptiert, wenn er etwas
impressionistisch geworden ist, aber wo er farbenempfindender Tscheche blieb, hat man ihn als
dekorativ empfunden. Dasselbe gilt für Oppenheimer und, last not least, auch für Kokoschka, der
ja auch vielfach mit Berlin verbunden war. Man anerkennt ihn als die vielleicht stärkste malerische
Begabung der letzten zwei Jahrzehnte, ein Berliner Händler hat ihn groß gemacht, aber man hat
sich schließlich doch abgewandt von ihm, denn man empfand ihn als etwas Wesensfremdes. Aber
er hat auch selbst dieser Stadt und Dresden seit einigen Jahren den Rücken gewendet, wie noch
einige von den Bedeutendsten: Kirchner ist seit Jahren in der Schweiz, Beckmann in Frankfurt,
Nolde schafft fast die Hälfte des Jahres- in seiner Heimat.

Aber auch die Interpreten haben sich abgewendet, Händler wie Kritiker. Paul Cassirer lebt
nicht mehr, Bruno Cassirer hat sich fast vollständig von der Graphik zurückgezogen, Gurlitt, der am
meisten für die Graphik getan, ist seit Jahren ganz in den Hintergrund getreten, Neumann ist aus-
gewandert, es blieben Möller, Flechtheim, Nierendorf und als einziger Verlag, der in den letzten
Jahren auch noch Junge herausgebracht, der Euphorion-Verlag. Aber auch seine Verdienste sind
durch die Pflege gegenständlich befangener, künstlerisch aber ganz wertloser Sachen etwas getrübt.
Nichtsdestoweniger ist er die einzige Stelle in Berlin, die durch die regelmäßige Herausgabe von
Originalblättern der Jungen und Jüngsten in den »Schaffenden« etwas Positives für die Graphik
leistet. Die anderen allgemein eingestellten Kunstzeitschriften haben sich in den letzten Jahren so

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