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Abb. 3. Karl Rössing, Zerstörung eines reichen Lebens. Originalholzschnitt.

Zeit, aber vor allem ist es die Größe und Wucht, die uns aus dem Bild entgegenspringt. Die
Graphik hat in Dürer und Rembrandt zwei Höhepunkte gefunden. Dürer der Zeichner und Kupfer-
stecher, auch im Holzschnitt vorwiegend Zeichner, ist der .Melodiker der Graphik, Rembrandt aber
auch in der Graphik, in der Radierung, immer malerisch, der Harmoniker geblieben. Den Weg zum
Monumentalen haben erst viel später zwei Zeichner beschritten, Daumier und Rethel. Hier in
diesen Rössingschen Schnitten ist die malerische Graphik zur Monumentalität geführt. Dabei
steckt im Technischen bei der so einfach empfundenen Wirkung ein derartiges Raffinement des
Alleskönnens, wie es sich gerade in diesem Blatt in der Behandlung des Stofflichen zeigt.

In einem zweiten Blatt, dem 20. der Folge, »Olympiasieger«, steht das vertierte Kraftmeiertum des
modernen Sportes dem Kalagathos des Griechentums gegenüber. Gewiß ein Humor, wenn das Wesen
des Humoristischen der Gegensatz zwischen Ideal und Wirklichkeit ist, aber ein Humor, der erschüt-
ternde Einsicht und reuige Umkehr heischt, der dieser Zeit nicht ein Vorurteil, sondern ein Urteil kündet.

Das 21. Blatt der Folge (Tafel) betitelt sich »Einwandfreie Prozeßführung« und verdankt seine
Entstehung wohl jenem durch alle Spalten der Presse gewälzten Berliner Prozeß gegen ein paar
sexuell verirrte Kinder, in dem Justiz und Berichterstattung in der schamlosen Abtastung armer
Seelen und Körper wetteiferten. Auch hier wieder eine Stärke des Bildeindruckes, die dem Beschauer
sich dämonisch ins Gedächtnis prägt, eine Dante'sche Vision der Hölle dieser Zeit. Und endlich das
Blatt 70 dieser Folge (Abb. 2), »Rennstallbesitzer«: der neue Reichtum in seiner üblen Mißgestalt, auf
verhatschtem Unterbau der Hängebauch, alles tipptopp gewandet und darauf die karikaturhaft über-
mäßigen Köpfe, bar jeder Geistigkeit, satt und zufrieden, Kavaliere geworden durch »geb' und nehm'«.

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