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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 54.1931

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Diehl, Robert: Zu den Holzschnitten A. Weber-Schelds
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https://doi.org/10.11588/diglit.6346#0098
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neu zu sein — von der zeitgenössischen
Gepflogenheit in einem nicht unwesent-
lichen Punkte unterscheidet. Denn im
Gegensatz zu der Mehrzahl der heutigen
Künstler, die den Flächenholzschnitt als
bevorzugtes Ausdrucksmittel pflegen, hat
er sich unzweideutig für den reinen Linien-
schnitt entschieden, der seine klassische
Prägung von den Altmeistern der deutschen
Frühzeit empfing, um dann durch Jahr-
hunderte desto gründlicher vergessen und
mißbraucht zu werden. Diese Entscheidung
hat ihre besonderen Gründe, die im per-
sönlichen Wesen und Erleben des Künst-
lers beschlossen liegen.

Er ist Landschafter aus Passion. 1892
in Frankfurt am Main als Sohn eines Kauf-
manns geboren, wird ihm früh die Mög-
lichkeitgeboten, in seiner Vaterstadt künst-
lerische Eindrücke zu empfangen und
künstlerische Studien zu betreiben. In der
Landschaftsklasse der Städelschule unter
A. Egersdörfer und als Schüler des heimi-
schen Radierers B. Mannfeld eignet er sich

A. Weber-Schold, Wasserfall. Federzeichnung.

das handwerkliche Rüstzeug an. So viel er
indessen diesen Lehrern verdanken mag, die entscheidenden Anregungen empfing er von keinem
lebenden Meister. Was ihm das meiste gab, war nach seinen eigenen Worten zunächst das
Lebendigste — die Natur — und vom Toten und doch Lebendigen: die alte Kunst. Dürer und die
deutschen Kleinmeister insbesondere haben mit ihrer spezifisch zeichnerischen Ausdrucksform
unverkennbar bestimmend auf den graphischen Stil Weber-Schelds eingewirkt, und es gibt Feder-
zeichnungen des Künstlers, die neben der tiefen Xaturverbundenheit, die alle seine Arbeiten
auszeichnet, und einer wohltuenden räumlichen Klarheit (man glaubt den Bildraum bis in jeden
entfernten Winkel der Landschaft ausgehen zu können) eine handschriftliche Einfühlung in die
altmeisterliche Ausdrucksform erkennen lassen, die nicht anders als archaistisch genannt werden
kann. Die hier reproduzierte Zeichnung eines Wasserfalls zwischen Felsblöcken darf dafür als
Beispiel gelten. Indessen bleiben solche retrospektiven Blätter (er selbst will sie nur als Übungen
betrachtet wissen) im graphischen Werk des Künstlers sporadisch. Während er sich in den
Radierungen und Pinselätzungen, die uns hier nicht weiter beschäftigen dürfen, von diesen
archaistischen Erinnerungen ziemlich freihält, gelingt ihm in einer Reihe großer Holzschnitte, deren
schönste in den Jahren 1920 und 1921 entstanden sind, die Synthese von Alt und Neu, eine
zeichnerische Ausdrucksform von starker Sensibilität und einem gewissen graphischen Wohllaut,
worin die Elemente der traditionellen Liniensprache der deutschen Renaissancemeister mit einer
modernen, auf persönlichem Erleben ruhenden Naturanschauung zu neuer und schöner Einheit
verschmolzen sind.
 
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