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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 54.1931

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Fleischmann, Benno: Zur Graphikausstellung im Wiener "Hagenbund" (Dezember 1930)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6346#0113
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Umgrenzungen eingespannt ist. Die Elemente
der Landschaft — etwa »Landschaft St. Ge-
orgen« —, die aufeinanderfolgenden Schich-
ten: geschnittenes Feld mit Strohmandeln,
Häusergruppe, Bergzug sind aneinanderge-
drängt, die Strecken verkürzt im Interesse
der Bildnähe und Erfaßbarkeit.

Ähnlich ist auch im Porträt der Blick
für das Wesentliche und Umschreibende erste
Grundlage. Wir können nicht Sachlichkeit
um jeden Preis konstatieren, sondern das ge-
reinigte, in neue Formen gegossene Streben
nach einer geordneten Wiedergabe des Cha-
rakteristischen bildet den Grundzug in fast
allen Darstellungen.

.Was bei der Betrachtung der Werke
dieser drei Künstler etwas ausführlicher be-
sprochen wurde, sind Kriterien und Quali-
täten, die uns — im einzelnen variiert
immer wieder gegenüberstehen werden. Der
wesentlichste und zuerst ansprechende Ein-
druck ist der, daß es sich — wie schon ge-
sagt — in fast allem, was wir sehen können,
um eine mehr oder minder entscheidende
Auseinandersetzung handelt, mit dem, was — gewiß unvollständig — als die Sachlichkeit bezeichnet
wurde. Die Reaktion auf das Schaffen, das in der Wiedergabe des Konstruktiven, Un- oder Über-
wirklichen gipfelte, gab viel mehr als ein Besinnen auf die unmittelbare objektive Form eines Dar-
zustellenden. Die der Bildkunst inneliegende Schilderung kommt von neuem zum Durchbruch, wir
bemerken ein Sichbesinnen auf das Breitere, einem weiteren Kreis Zugängliche. Auch in der
neuesten Literatur ist zu beobachten, daß sich in Werke des modernsten Stiles ganz unauffällig Ele-
mente einer leisen Romantik eingeschlichen haben. Im Zuge dieser Weiterbildung — es wäre
gänzlich verfehlt, das auch nur im bescheidensten Sinne als Rückbildung zu bezeichnen — liegt es,
daß das Abstrakte immer mehr in das eingeschlossen wird, was uns unmittelbar innerlich, nicht
nur in Bezug auf die Form angeht.

Georg Philipp Wörlen zeigt uns neben anderem vier Porträte, an denen der Linienrhythmus
rein graphisch anmutet. Es ist Absicht, hier das Zeichnen zu betonen, denn es schafft Körperlichkeit,
innere Plastizität sozusagen, und Charakter. Der Künstler erreicht sein Ziel ohne viele komplizierte
Umwege, zeigt uns die ganze Persönlichkeit in kleinen bedeutsamen Einzelheiten. Die Arbeiten
Wörlens führen in die Nähe zweier Bildnisse von Carry Hauser: »Alter Bauer«, »Bildnis D. A.«
(Abb. 3). Ein starkes, besonders bemerkenswertes Werk scheint uns der alte Bauer zu sein. Der
Kopf allein steht in dem farblosen Grund, umgeben von einer Atmosphäre, die der Mikrokosmos
des Dargestellten ausstrahlt, die sich selbst schafft. Starke psychologische, redende Durchdringung
des einfachen Motivs. Das Thema wäre folgendermaßen zu umschreiben: Köpfe von Bauern,
zurückgeführt auf den Kopf dieses Bauern, den der Künstler vor sich gesehen hat. Die Reduktion

Abb. 2. Franz Lerch, Mädchen mit Kopftuch.

Bleistiftzeichnung.

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