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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 54.1931

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Fleischmann, Benno: Zur Graphikausstellung im Wiener "Hagenbund" (Dezember 1930)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6346#0114
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des Allgemeinen auf das Spezielle wird
Vorwurf. Rein technisch fällt uns das fast
ornamental Gesehene des Linienspiels in
dieser Tuschzeichnung auf, mehr das Funk-
tionelle als dasBegrenzende des Federzuges.
Ähnliches bringt, weniger hart ausgeprägt,
die »Bildnisskizze P.W.«. Die Seharbeit des
Beschauers wird in das Kunstwerk ein-
bezogen. Ihm steht es frei, in der Betrach-
tung vom Flächig-Ornamentalen oder vom
Plastisch-Körperlichen auszugehen. Die sa-
kralen Darstellungen desselben Künstlers,
»Madonna« und Skizzen zur Ausmalung
eines Kirchenbaues, behalten einen ähn-
lichenflächig-ornamentalen,dekorativen,hier
etwas puritanisch anmutenden Charakter.
Der Maler wird dabei den herrschenden all-
gemeinen Tendenzen der Raumausgestal-
tung gerecht, die bei der propagierten Ein-
heitlichkeit und Undurchdringbarkeit der
Wand ihn zwingen, parallel zu ihr oder in
den Raum hinein zu schaffen,ohne die Fläche
aufzulösen. Auch Viktor Tischler gehört,
wie die vorerwähnten Künstler, in die Gruppe der Zeichner. Sein »Hafen Livorno« gibt in zurück-
haltendster Andeutung alles für Gestaltung des Themas und der Atmosphäre Wesentliche. Die
Gleichmäßigkeit, die jedem kleinsten Detail, jeder Treppenstufe Bedeutung abringt, läßt uns an eine
Dürer-Zeichnung ähnlichen Themas denken. Noch stärker tritt die Tendenz nach der Abbreviatur in
einzelnen Tuschzeichnungen, wie etwa »Am Balkon«, (Abb. 4) auf. Das Auge des Beschauers
wird gezwungen, ergänzend am Bilde mitzuarbeiten.

Hans Bren und Albert Reuss entfernen sich — besonders der erste — in ihren Arbeiten von
einer bewußten, alleinigen Verwendung des Schwarz-Weiß. Nicht mehr das Zeichnende der Linie
ist es, was den Eindruck entscheidet, diese wird vielmehr zur flächigen, gesondert mitwirkenden
Erscheinung, wird ein Gebilde von mehreren Strichen, wird verbreitert. Reuß' »Sinnender Mann«
und »Sitzende Frau« sind zarte Studien, Ausdrucks- und Bewegungsversuche, während Bren etwas
härter zugreift, in der Modellierung immer in Kurven arbeitet, die oft einen weichen, manchmal
etwas unbestimmten, fast teigigen Eindruck erreichen. Die Bildgestaltung hier fordert Polychromie,
wie sie im Psychologischen abwechslungsreich ist, und im Beschauer den Blick und das rasche
Auffassen der Gesamtimpression voraussetzt. Weiters noch die Arbeiten zweier Künstler. Wilhelm
Klier zeigt Porträte, Kohlezeichnungen, die stark im Farbkontrast sind, breit in der Zeichnung, und
in der Technik an manche Arbeiten Oskar Kokoschkas gemahnen. Klier zeigt sich uns als ein
Maler-Graphiker. Die breit hingelegte Fläche, die verschwimmende, weiche Kontur sind Mittel, aus
denen er Farbe innerhalb des Schwarz-Weiß schafft. Die vier Porträte von Margarete Harn mer-
schlag sind fesselnd im Ausdruck, einem Zustand des starrenden Faszinierens. In ihrer Konzentriert -
heit aber erwecken sie auf Momente doch den Eindruck einer filmischen Geschminktheit.

Abb. 3. Carry Hauser, Bildnis D. A.

Kreidezeichnung.

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