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Götz, Rolf
Die Sibylle von der Teck: die Sage und ihre Wurzeln im Sibyllenmythos — Kirchheim unter Teck, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.16141#0029
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Der Sagensammler Schott
und seine Schüleraufsätze

Schwabs „Albführer" verbreitete schnell und inten-
siv die Geschichte von der Fahrt der Sibylle auf
„feurigem Zauberwagen" und der von ihr hinter-
lassenen Spur. Das zeigt die Sagensammlung, die
der Germanist und Historiker Albert Schott der
Jüngere (1809 - 1847) in den 1840er Jahren zusam-
menstellte. Von 1842 bis zu seinem Tod im Jahre
1847 unterrichtete er als Professor für deutsche
Sprache und Literatur in den vier Oberklassen am
Stuttgarter „Gymnasium illustre", dem heutigen
Eberhard-Ludwig-Gymnasium. Die Vorarbeiten zu
der von ihm geplanten Sammlung schwäbischer
Volkssagen sind in einer Handschrift der Württem-
bergischen Landesbibliothek Stuttgart erhalten ge-
blieben33. Zwei umfangreiche Bände enthalten in
alphabetischer Anordnung handschriftliche Auf-
zeichnungen von ihm selbst, von Gewährsleuten
und von Schülern, denen er den Auftrag gegeben
haben muß, Sagen ihrer Heimat aufzuschreiben. Bei
einem Teil dieser Schülerarbeiten finden sich noch
die von Schott eingefügten Korrekturen. Die unge-
druckt gebliebene Sammlung wurde erstmals von
Klaus Graf für seine 1995 erschienenen „Sagen rund
um Stuttgart" ausgewertet und damit der Sagen-
forschung bekannt gemacht.

Ein C. Sigwart hatte dem Stuttgarter Gymnasialpro-
fessor Folgendes (Bl. 133) mitgeteilt:

Im Herbst 1844 unternahm ich eine kleine Fußreise nach
Boll. Auf der Höhe von Köngen gesellte sich ein
Gruibinger Pottaschensieder zu mir, und ließ sich in ein
Gespräch ein über die Burgen und Ruinen welche die
Gipfel der Alb krönen. ... Vor uns lag die Teck. Bei der
günstigen Beleuchtung sali man unter dem weißen Fel-

33 Albert Schott d. J. (t 1847): Schwäbische Volkssagen, 2 Bände,
Handschrift in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart,
Cod. poet. et phil. in quart 134. Zu Schott vgl. Graf, Sagen rundum
Stuttgart (wie Anm. 1), S. 10 f.

sen das Sibyllenloch. Von hier, fuhr er fort, geht ein bei-
nahe schnurgerader Weg nach Dettingen bei Kirchheim.
Das ist so zugegangen. In diese Richtung pflegte näm-
lich vor langer Zeit die Sibylle mit ihren feurigen Hun-
den hinabzufahren, deren Fußtritte noch zu sehen sind.
Auf dieser Bahn zuollte keine Frucht mehr wachsen und
so bildete sich von selbst der Weg. Andere aber sagen, da,
zvo sie hinabgefahren, werde das Getraide immer einige
Wochen früher gelb, als auf den Plätzen, welche ihr
Wagen nicht berührte.

Zum Sibyllenloch lieferten drei Schüler Aufsätze.
Ein „Fink aus Kirchheim" aus der Klasse VII, also
der „Obersekunda" (heute 11. Schuljahr), schrieb
1845 diese Arbeit:

Die Sage von der Sibylle.

Unter der Burgruine der Teck, des ehemaligen Sitzes der
Herzoge zu Teck, ist eine große, weite und hohe Grotte,
welche den Namen Sibyllenloch führt.
Es geht die Volkssage, man habe 2 Enten in diese Höhle
hineingeschickt, und diese seien nach 14 Tagen bei Gu-
tenberg, einem weiter südlich gelegenen und etwa 2 1/2
Stunden entfernten Dorfe herausgekommen.
Andere sagen (was mir das wahrscheinlichere zu seyn
scheint) sie habe auf das Schloß hinaufgeführt. Von hier
aus soll eine Hexe, die sogenannte Sibylle, über Stock und
Stein in das Thal lünabgefahren sein, und in die Straße,
welche von Owen nach Dettingen führt, eingelenkt ha-
ben. Die Seiten ihres Wagens, die Fußtapfen ihrer Rosse,
und des Hundes, der nebenher gelaufen sein soll, 'werden
jetzt noch immer gesehen, wenn das Feld mit Getreide
angesäet ist.

Von dem Hauptpoll aus (oder Hapel), einem der größe-
ren Vorberge der Teck, kann man diese Spuren am deut-
lichsten sehen. Unten aber im Feld sieht man gar nichts,
ebenso wenig von jener Strajk7 aus. Ich erkundigte mich
noch näher darüber, worauf mir die Antwort zu Theil
zmirde, man habe schon nachgegraben, habe aber nichts
gefunden, was jene Erscheinung hervorbringen könnte.

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