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dem nationalen Stile zu dem italienisierenden deutlich erkennen.
Die nun zu erwähnenden Gemälde sind gesicherte Werke Hemessens.
B. FÜR HEMESSEN GESICHERTE WERKE
1. SITTENBILDER MIT GROSSEN FIGUREN (SEIT 1536)
Sieben Bilder kommen hier in Betracht. Sie alle zeigen He-
messen auf den Bahnen, die Quentin Massys durch die Erhebung
des Sittenbildlichen zur monumentalen Gestaltung eröffnet hatte,
und die gleichzeitig von Marinus van Roymerswale und Jan Massys
beschritten wurden. Zwei Gemälde zeigen uns, dem Vorwurfe nach,
die direkte Beziehung zu den kleinfigurigen Bordellszenen in Berlin
und Frankfurt a. M. Nur das eine aber, in Karlsruhe1) befindlich,
zeigt ausschließlich sittenbildlichen Charakter. Das andere, in
Brüssel, verwertet einen religiösen Stoff: die Geschichte vom ver-
lorenen Sohn. Und die fünf anderen, das Sittenbild zu höherer
Bedeutung erhebend, behandeln die Berufung des Matthäus durch
Christus, Wechslerstuben charakterisierend. Eindringliche Schilde-
rung von Charakteren, in scharfer Zuspitzung von psychischen Vor-
gängen ist der künstlerische Zweck. Nicht eine moralisierende
Tendenz, wie sie der spätere Hogarth hatte, sondern rein künstle-
rische Interessen bestimmen Wahl und Gestaltung der Stoffe.
Unzweifelhaft das früheste der 7 Bilder ist die „Lockere Ge-
sellschaft“ in der Karlsbader Galerie;2) früher als das 1536 bezeich-
nete in Brüssel entstanden. — Eine junge Dirne bemüht sich um
einen älteren Mann von porträtmäßig ausgesprochener Individua-
lität, indeß eine alte sich lachend dem Trünke ergibt. Im Hinter-
gründe sehen wir eine Gruppe von 3 Frauen, und einen jungen
Mann an einem Herde in Unterhaltung, links auf dem Platze vor
der Türe Männer und Frauen.
Drastische und dabei auf größte Feinheiten eingehende Cha-
rakter- und Lebensschilderung, geistreiche Wiedergabe des von
links einfallenden, den Kopf der jungen Dirne hell erleuchtenden
Lichtes und sichere Bewältigung perspektivischer Probleme ver-
J) S. Tafel XVII.
’) S. Tafel XVIII.
dem nationalen Stile zu dem italienisierenden deutlich erkennen.
Die nun zu erwähnenden Gemälde sind gesicherte Werke Hemessens.
B. FÜR HEMESSEN GESICHERTE WERKE
1. SITTENBILDER MIT GROSSEN FIGUREN (SEIT 1536)
Sieben Bilder kommen hier in Betracht. Sie alle zeigen He-
messen auf den Bahnen, die Quentin Massys durch die Erhebung
des Sittenbildlichen zur monumentalen Gestaltung eröffnet hatte,
und die gleichzeitig von Marinus van Roymerswale und Jan Massys
beschritten wurden. Zwei Gemälde zeigen uns, dem Vorwurfe nach,
die direkte Beziehung zu den kleinfigurigen Bordellszenen in Berlin
und Frankfurt a. M. Nur das eine aber, in Karlsruhe1) befindlich,
zeigt ausschließlich sittenbildlichen Charakter. Das andere, in
Brüssel, verwertet einen religiösen Stoff: die Geschichte vom ver-
lorenen Sohn. Und die fünf anderen, das Sittenbild zu höherer
Bedeutung erhebend, behandeln die Berufung des Matthäus durch
Christus, Wechslerstuben charakterisierend. Eindringliche Schilde-
rung von Charakteren, in scharfer Zuspitzung von psychischen Vor-
gängen ist der künstlerische Zweck. Nicht eine moralisierende
Tendenz, wie sie der spätere Hogarth hatte, sondern rein künstle-
rische Interessen bestimmen Wahl und Gestaltung der Stoffe.
Unzweifelhaft das früheste der 7 Bilder ist die „Lockere Ge-
sellschaft“ in der Karlsbader Galerie;2) früher als das 1536 bezeich-
nete in Brüssel entstanden. — Eine junge Dirne bemüht sich um
einen älteren Mann von porträtmäßig ausgesprochener Individua-
lität, indeß eine alte sich lachend dem Trünke ergibt. Im Hinter-
gründe sehen wir eine Gruppe von 3 Frauen, und einen jungen
Mann an einem Herde in Unterhaltung, links auf dem Platze vor
der Türe Männer und Frauen.
Drastische und dabei auf größte Feinheiten eingehende Cha-
rakter- und Lebensschilderung, geistreiche Wiedergabe des von
links einfallenden, den Kopf der jungen Dirne hell erleuchtenden
Lichtes und sichere Bewältigung perspektivischer Probleme ver-
J) S. Tafel XVII.
’) S. Tafel XVIII.