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VORWORT

tun, daß die französischen Dichter, die ich 1911 als jugendliche An-
fänger aus der breiten Masse des französischen Schrifttums auslas,
um sie in Deutschland einzuführen, jetzt in Frankreich fast ausnahms-
los anerkannte Namen tragen, daß ich schon in den Vorkriegsjahren
die Hochflut des Klassizismus nahen sah, und daß ich Futurismus und
Kubismus, deren Zusammenbruch in Frankreich heute niemand mehr
zu leugnen vermag, stets für ein Übergangsstadium gehalten habe.
Allerdings, meine Haltung als Deutscher Frankreich gegenüber
hat vielfältig Widerspruch erfahren, der mich niemals irre gemacht
hat. Aus Frankreich und aus Deutschland sind heftige und törichte
Angriffe auf mich erfolgt. Französische Zeitungen haben mich mit
Schmutz beworfen, mich als Spion, als Söldling der kaiserlichen
Regierung bezeichnet. Aus dem Bezirk des Auswärtigen Amtes, aus
akademischen Kreisen, aus der Schriftstellerwelt hatte man teils in-
folge meiner „Franzosenfreundschaft“, teils infolge meines „Mangels
an Radikalität“ mich durch Dolchstöße in den Rücken zu erledigen
versucht. Mein Rücken ist breit genug, um weitere entgegenzunehmen.
Die zahlreichen teils gleichlautenden Angriffe aus Deutschland und
Frankreich ehren mich insofern, als sie Beweise für die Unabhängig-
keit meines Standpunktes sind. In einzelnen Fällen sind sogar an-
läßlich der Veröffentlichung von Einzelstudien umfassende Aktionen,
ebenfalls in Frankreich und Deutschland, gegen meine Person ein-
geleitet worden — ein Beweis für die Schlagkraft meiner Kritik, über
den ich nicht unglücklich bin. Auch das Totschweigen meiner
Schriften an gewissen Stellen war zuweilen bezeichnend. Von führen-
den Köpfen sind andererseits mir warme Zurufe und herzliche Er-
munterungen in so großer Zahl zuteil geworden, daß ich schon auf
sie hin den eingeschlagenen Weg fortsetzen mußte, selbst wenn ich
jemals schwankend geworden wäre.
Infolgedessen wage ich meinen Landsleuten hiermit eine zu-
sammenfassende Darstellung des Bildes von Frankreich vorzulegen,
das ich in mir trage. Mögen alle die, welche ich angreifen mußte,
gewiß sein, daß ich es um eines höheren Zweckes willen tat, und
mögen sie wissen, daß Friedrich Nietzsches Wort: „Ich liebe den,
der so mitleidig ist, daß er aus der Härte seine Tugend und seinen
Gott macht“ mich dauernd in der Arbeit geleitet hat.
Dr. OTTO GRAUTOFF
DOZENT AN DER HANDELSHOCHSCHULE
IN BERLIN
 
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