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ROLLANDS JUGEND

die grenzenloseste Weite — in die Musik. Er wollte Musiker werden.
Aber der romantische Drang fand sofort an dem Rationalismus des
Vaters Widerstand. Er bestimmte ihn zur technischen Hochschule.
Rolland beugte sich nicht; aber er ließ seinen Weg abbiegen. Er
wählte ein Mittleres, (o vordeutender Zug späteren Schreitens!); er
ließ sich 1886 in die ecole normale superieure in Paris einschreiben,
wo er sich bald mit den Freiheitssuchern Le Dantec, Foucher, Peguy
und vor allem Suares befreundete. Während seiner drei Studienjahre
gewannen Romantiker wie Renan, Stendhal, Wagner und Tolstoi großen
Einfluß auf ihn. Besonders Tolstoi. Seine Broschüre: „Was sollen
wir tun?“ erschütterte den jungen Rolland tief wie eine Götterzer-
trümmerung. In seiner Verzweiflung richtete er einen Brief an Tolstoi,
der ihm ausführlich antwortete, ihm Trost und Mut zusprach. Kraft
habe nur Sinn, wenn sie der Menschheit diene. Das sei die heiligste
Aufgabe. Der lange, zärtliche Brief des russischen Weisen wirkte
wegbestimmend auf Rolland und drängte ihn, der schon lesend und
musizierend die Luft vieler Weiten getrunken hatte, in die Ferne.
Sobald er sein Examen bestanden hatte, suchte und erhielt er einen
Platz an der Ecole fran<jaise in Rom.
Gab ihm Rom Größe der Anschauung und beseligende Harmonie
des italienischen Himmels, so führte ihn dort eine Deutsche — Mal-
wida von Meysenbug —■ in die Romantik einer neuen Welt, in die
deutsche Musik. Sie gab ihm noch mehr. Ihre von ernster Heiter-
keit durchleuchtete große Persönlichkeit sonnte ihn mit den letzten
späten Strahlen des reinen alten deutschen Idealismus. In ihrem
Hause, das jahrelang der geistige Mittelpunkt einer internationalen
Gesellschaft war, lernte er viele bedeutende Deutsche kennen und
trat zum erstenmal deutscher Art und deutschem Geiste näher. Mal-
wida von Meysenbug schrieb in ihrem „Lebensabend einer Idealistin“
über den jungen Rolland, der sie an vielen Abenden durch sein
Klavierspiel erfreute:
„Um so angenehmer wurde ich überrascht, in dem jungen Fran-
zosen, der nun nach Rom kam, einen Musiker ersten Ranges von
tiefernstem Verständnis und geläutertem Geschmack zu finden, der
mir gleich in liebenswürdiger Weise sein herrliches Talent zur Ver-
fügung stellte. Stundenlang hörte ich jetzt wieder Mozart, Bach,
Beethoven und Wagner bei mir ertönen . . . aber nicht nur in musi-
kalischer Hinsicht erwuchs mir aus der näheren Bekanntschaft mit
diesem Jüngling hohe Freude. Es gibt gewiß gerade im vorgerückten
Alter keine edlere Befriedigung, als in jungen Seelen denselben Drang
4 Grautoff, Frankreich 4Q
 
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