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ÜBERSETZUNG UND OOMMENTÄR IV, 1 83

und die Niemand neben ihm in gleichem Grade besessen hat.
In dem Sposalizio sehen wir die erste deutliche Äusserung
dieses plastischen Vermögens. Keine Gestalt wäre in der
Composition anders zu rücken ohne eine erkennbare Lücke
zu lassen, während man bei Perugino's Compositionen oft
beliebig mit den Gestalten wechseln könnte, die stets bei ihm
etwas Zusammenhangsloses behalten, auch wenn wir seine
besten Arbeiten in's Auge fassen. —

Rumohr lässt Raphael das Sposalizio in Perugia voll-
enden und sich sodann, im Herbste 1504, von dort zu seinem
ersten Aufenthalte nach Florenz wenden. Rumohr sieht da-
bei von Vasari ab und hält sich an das erwähnte Empfehlungs-
schreiben der Präfectin von Rom, welches allerdings das
Datum des 1. October 1504 trägt.

Dieser Brief, welchen Bottari zuerst mittheilte und dessen
Original Niemand vor ihm erwähnt, während er selbst ihn aus
einer Abschrift haben will, ist heute als falsch anerkannt.')
Enthielte er nur einige unrichtige Daten, so schadete das
wenig, allein er giebt eine ganz falsche Anschauung Raphael's,
den er gleichsam als ,Schüler' nach Florenz gehen, als jungen
Menschen dort erscheinen lässt, der noch nichts gethan hat
und der, gerade wie Vasari die Sache darstellt, blutjung und
unerfahren in das grosse florentiner Getreibe eintritt, wo ihm
alle Herzen sich öfihen. Es soll gewiss nichts gegen Raphael
gesagt werden, nachzuweisen aber bleibt kaum etwas von
diesen legendenhaften Verhältnissen. Der Brief ergiebt sich
bis in die einzelnen Wendungen als aus Vasari zusammen-
gestellt. Er lautet2):

') Ich habe dies (N. E. p. 184) zuerst nachgewiesen und Ä. v. Ren-
mont, welcher meine Beweisführung nicht kannte, hat ganz selbständig seine
Gründe gegen den Brief gleichfalls geltend gemacht. (Zahns Jahrb. 1,208.)
Gegen ihn wieder (ohne alle-Gründe aber) E. Förster ebendas. II, 348.
erster weiss nicht einmal," dass die Umarbeitung von ,so che; von Ru-
m°hr herstammt; er legt sie Passavant bei. 2) Bottari, Lettere pittoriche
'» 2- Pass. I, 527. Rumohr III, 48, Anm.
 
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