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298

LEBEN RAPHAEL'S

ELFTES CAPITEL.

XL 1. Nach Vollendung der Wölbung, d.h. des Himmels
dieses Gemaches, erübrigt zu erzählen, was er, Wand für Wand,
zu Füssen der obenbeschriebenen Dinge malte. 2. Auf die
Wand nach Belvedere hin, wo der Parnass und die Quelle des
Helicon ist, malte er auf diesem Berge einen schattigen Hain
von Lorbeerbäumen, in denen sich durch das Grün ihrer Be-
laubung fast das Zittern der Blätter im sanften Zuge des Windes
erkennen läs'st, und in der Luft eine Menge nackter Amoren
mit reizenden Gesichtern, welche Lorbeerzweige pflücken -und
Kränze daraus winden und sie über den Berg hin werf en und
ausstreuen. 3. Auf diesem, scheint in Wahrheit ein Hauch
der Göttlichkeit zu ruhn in der Schönheit der Gestalten und im
edlen Anblick dieses Gemäldes, das, wenn man es ganz genau
betrachtet, in Erstaunen gerathen lässt, toie der menschliche Geist,
mit armseligen einfachen Farben, durch die Vortrefflichkeit der
Zeichnung, gemalte Dinge soweit steigern könne, dass sie lebendig
erscheinen, wie denn die Dichter im höchsten Grade lebendig sind,
welche man über den Berg hin hier Und dort erblickt, die einen
stehend, die andern sitzend, schreibend, sich unerhaltend, wieder
andere singend oder einander erzählend, zu vieren, zu sechs,
jenachdem es ihm angemessen erschien sie zu vertheilen. 4- Dort
sind nach der Natur alle die berühmtesten antiken und ino~
dernen Dichter, welche vor Zeiten und welche bis zu Raphaels
Tagen gelebt haben, abgebildet, zum Theil nach Statuen, zvim
Theil nach Medaillen, viele nach alten Gemälden, und auch
nach der Natur, wenn sie noch am Leben waren j von wf
selber abconterfeit, 5. Und um an der einen Seite zu beginnen,
da ist Ovid, Virgil, Ennius, Tibull, Catull, Properz und Römer-,
welcher blind, mit erhobenen Haupte Verse singend, zu Füssen
Einen hat, welcher nachschreibt. 6. Da sind ferner in einer
Gruppe die neun Musen und Apollo, in solcher Schämet
ihrer Erscheinung und Göttlichkeit der Gestaltung, dass M-
muth und Leben wie ein Hauch sie umschweben. 7. Da
 
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