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anderen ungarischen Dichter ihn bei Weitem nicht. Auch die
berühmten Polen, Russen und Franzosen sind nur Historiker
mit Petöfy verglichen. Sie dichten nicht zuerst nur für sich.
Sie streben, offen oder heimlich, nach anerkennender Be-
urtheilung. Sie stehen erfüllt von Selbstgefühl inmitten von
Bewunderern. Wie wenig ist Petöfy daran gelegen! Ruhm
verlangte er sicherlich; aus welcher Ecke aber er ihm zuflöge,
kümmerte ihn gewiß nicht. Nichts beeinträchtigt sein souveränes
Herrschergefühl. Er weint und lacht der Welt ins Gesicht.
Ihm ging es schlecht genug — sobald er zu dichten beginnt,
sitzt er auf den Gewölken, und die Welt liegt unter seinen
Füßen. Er ruft den Tod herbei, aber will leben. Seine
wehmuthvollsten Klagen athmen Lust am Dasein aus.
Nur ein Dichter der Gegenwart erreicht ihn und steht
vielleicht über ihm: Mistral, dessen Mireille -wie aus den
Lippen Homer's zu tönen scheint. Von Lamartine bis Victor
Hugo kennt Keiner das Geheimniß dieses Franzosen proven-
tzalischen Stammes, Glück und Unglück mit dem gleichen
freudigen Accente zu sagen, unendliche Trauer und Wohlsein
so ineinanderklingen zu lassen, als ob kein Unterschied walte.
Petöfy, Mistral, Goethe, Shakespeare und Homer erscheinen
mir manchmal wie die wiederkehrende Verkörperung eines
einzigen Dichters. Das ist der große Urdichter der Mensch-
heit, der seine Trauer in Worten ausläßt, deren Klang ihn
entzückt. Inmitten der Verzweiflung, die sein Herz zersprengen
möchte, versagt ihm die Fähigkeit, betrübt zu sein. Ein un-
bekanntes Glücksgefühl des bloßen Daseins verläßt ihn nicht.
Das ist das Geheimniß der Gedichte der Ada Negri und der
Johanna Ambrosius. Sobald sie zu dichten beginnen, wird,
was sie bedrängt, zu einer Quelle des Wohlseins für sie.
anderen ungarischen Dichter ihn bei Weitem nicht. Auch die
berühmten Polen, Russen und Franzosen sind nur Historiker
mit Petöfy verglichen. Sie dichten nicht zuerst nur für sich.
Sie streben, offen oder heimlich, nach anerkennender Be-
urtheilung. Sie stehen erfüllt von Selbstgefühl inmitten von
Bewunderern. Wie wenig ist Petöfy daran gelegen! Ruhm
verlangte er sicherlich; aus welcher Ecke aber er ihm zuflöge,
kümmerte ihn gewiß nicht. Nichts beeinträchtigt sein souveränes
Herrschergefühl. Er weint und lacht der Welt ins Gesicht.
Ihm ging es schlecht genug — sobald er zu dichten beginnt,
sitzt er auf den Gewölken, und die Welt liegt unter seinen
Füßen. Er ruft den Tod herbei, aber will leben. Seine
wehmuthvollsten Klagen athmen Lust am Dasein aus.
Nur ein Dichter der Gegenwart erreicht ihn und steht
vielleicht über ihm: Mistral, dessen Mireille -wie aus den
Lippen Homer's zu tönen scheint. Von Lamartine bis Victor
Hugo kennt Keiner das Geheimniß dieses Franzosen proven-
tzalischen Stammes, Glück und Unglück mit dem gleichen
freudigen Accente zu sagen, unendliche Trauer und Wohlsein
so ineinanderklingen zu lassen, als ob kein Unterschied walte.
Petöfy, Mistral, Goethe, Shakespeare und Homer erscheinen
mir manchmal wie die wiederkehrende Verkörperung eines
einzigen Dichters. Das ist der große Urdichter der Mensch-
heit, der seine Trauer in Worten ausläßt, deren Klang ihn
entzückt. Inmitten der Verzweiflung, die sein Herz zersprengen
möchte, versagt ihm die Fähigkeit, betrübt zu sein. Ein un-
bekanntes Glücksgefühl des bloßen Daseins verläßt ihn nicht.
Das ist das Geheimniß der Gedichte der Ada Negri und der
Johanna Ambrosius. Sobald sie zu dichten beginnen, wird,
was sie bedrängt, zu einer Quelle des Wohlseins für sie.