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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,2) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47242#0126

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bei dieser Entstehung eines neuen Daseins vorgeht, beobachten
und erklären, die Thatsache selbst aber bleibt ein Novum.
Und so die entzückenden Hervorbringungen jener floren-
tinischen Cultur, jenes Wiederauflebens des Alterthums in
vermehrter Kraft. Literatur und bildende Kunst machen eine
Einheit aus. Der Boden Toscanas war erfüllt von Sarko-
phagen und Grabstätten, geformten Gefäßen, Statuen und
architektonischen Ornamenten, Cameen, Münzen und ge-
schnittenen Steinen. Sie dienten den Bildhauern und Malern
wie von der Natur selbst gelieferte Vorbilder. Von der
Thätigkeit des Nicola Pisano an sehen wir den Einfluß zumal
der Sarkophage: seines Sohnes Giovanni's scheinbar leiden-
schaftlich bewegte Gestalten und Gewänder waren ihrer Con-
ception nach antiken Ursprungs. Das Schöne dieser Ent-
wicklung liegt darin, daß die direkte Naturbeobachtung neben
der Zuthat antiker Nachahmung doch immer die leitende
Mutter der künstlerischen Erfindung blieb. Erst als die Buch-
druckerkunst die antike Literatur mit verstärkter Gewalt hervor-
treten ließ und aus der bloßen Anschauung der Ueberbleibsel
der antiken Kunstwerke sich die theoretische Erforschung dessen
bildete, was man als ihre Vorzüge erkannte, als das anfangs
nur zufällige Auffinden dieser Sachen zu sorgfältigerem Nach-
suchen führte, fing bei einigen Meistern die Antike an, sich
über das, was man aus sich selbst hervorgebracht hatte, zu
erheben, und der bloße Einfluß führte zur Nachahmung.
Verrochio hat in diesem Sinne eine Schule gegründet, für
die die Antike vornehmere Autorität war als die Natur, aus
der Botticelli, die Lippi, Lionardo, Perugino und Andere
hervorgingen: alle befangen in jenen von scheinbar leiden-
schaftlicher Bewegung hervorgebrachten lebhaften Stellungen,
 
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