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Sein Einfluß beschränkte sich nur scheinbar auf die Musik,
von ihr aus suchte er das Ganze zu beherrschen: Theater,
bildende Künste, Literatur. Er war bemüht, nach vielen Rich-
tungen hin, von vielen Richtungen her, geistige Energie nach
Weimar zu lenken zu Gunsten einer Kultur, der er in tiefster
Natur freilich fern stand, denn weder die französische noch die
deutsche Sprache war recht die seine. Ungarn war sein Vater-
land, aber er sprach nicht ungarisch. Als Kind schon nach
Paris versetzt, lag Französisch ihm am bequemsten. Französisch
und deutsch durcheinander wurde vou ihm und um ihn ge-
sprochen. Seinem Auftreten aber und seiner Gestalt nach bot
er einen beinahe seltsamen Anblick. In seiner Jugend war
er ein schöner Jüngling. So habe ich ihn, selbst ein Kind,
noch Anfang der vierziger Jahre in Berlin siegreich einher-
ziehen sehen. Das beste Bildniß Liszt's ist ein Jugendbildniß,
das Ary Scheffer in Paris gemalt hat. In den Weimaraner
Zeiten modellirte ihn Rietschel im Medaillon. Sein lang
herabwallendes Haupthaar ist hier künstlerisch vielleicht bereits
zu sehr zur Erscheinung gebracht worden. Es war ihm, wenn
er sprach, ein gewisses Lächeln eigen, das im Grunde wohl-
wollen-gewinnender Natur, ein vielleicht nicht ganz freies Be-
wußtsein von Ueberlegenheit anzeigte.
Liszt also erkannte, wessen es nach Goethe's Fortgänge,
dessen Zeit schon weit, aber lange nicht so weit als heute
zurücklag, für Weimar bedurfte. Als realer Fortsetzer der
Herrschaft, die dieser dort einst ausgeübt, überblickte er die
Verhältnisse. Er suchte Eingeschlummertes zu erwecken. Er
begründete dauernde Institute. Machte Versuche wenigstens
in dieser Richtung. Das Meiste ist freilich ganz oder beinahe
ganz vorübergegangen ohne Wurzel zu schlagen, denn es sollten
Sein Einfluß beschränkte sich nur scheinbar auf die Musik,
von ihr aus suchte er das Ganze zu beherrschen: Theater,
bildende Künste, Literatur. Er war bemüht, nach vielen Rich-
tungen hin, von vielen Richtungen her, geistige Energie nach
Weimar zu lenken zu Gunsten einer Kultur, der er in tiefster
Natur freilich fern stand, denn weder die französische noch die
deutsche Sprache war recht die seine. Ungarn war sein Vater-
land, aber er sprach nicht ungarisch. Als Kind schon nach
Paris versetzt, lag Französisch ihm am bequemsten. Französisch
und deutsch durcheinander wurde vou ihm und um ihn ge-
sprochen. Seinem Auftreten aber und seiner Gestalt nach bot
er einen beinahe seltsamen Anblick. In seiner Jugend war
er ein schöner Jüngling. So habe ich ihn, selbst ein Kind,
noch Anfang der vierziger Jahre in Berlin siegreich einher-
ziehen sehen. Das beste Bildniß Liszt's ist ein Jugendbildniß,
das Ary Scheffer in Paris gemalt hat. In den Weimaraner
Zeiten modellirte ihn Rietschel im Medaillon. Sein lang
herabwallendes Haupthaar ist hier künstlerisch vielleicht bereits
zu sehr zur Erscheinung gebracht worden. Es war ihm, wenn
er sprach, ein gewisses Lächeln eigen, das im Grunde wohl-
wollen-gewinnender Natur, ein vielleicht nicht ganz freies Be-
wußtsein von Ueberlegenheit anzeigte.
Liszt also erkannte, wessen es nach Goethe's Fortgänge,
dessen Zeit schon weit, aber lange nicht so weit als heute
zurücklag, für Weimar bedurfte. Als realer Fortsetzer der
Herrschaft, die dieser dort einst ausgeübt, überblickte er die
Verhältnisse. Er suchte Eingeschlummertes zu erwecken. Er
begründete dauernde Institute. Machte Versuche wenigstens
in dieser Richtung. Das Meiste ist freilich ganz oder beinahe
ganz vorübergegangen ohne Wurzel zu schlagen, denn es sollten