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Grünhagen, Wilhelm
Der Schatzfund von Gross Bodungen — Römisch-Germanische Forschungen, Band 21: Berlin, 1954

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https://doi.org/10.11588/diglit.42491#0070
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III. Römisches Hacksilber

Wenden wir uns nun der Frage zu: Welche Gründe mögen es gewesen sein, die zum
Zerhacken der Silberplatte und der silbernen Gefäße geführt haben ? Wie aus der Fund-
beschreibung hervorgeht, haben wir es keinesfalls mit einem Grabfund zu tun. Weder
Leichenbrandreste, noch etwa Skelettreste ließen sich bei der Nachuntersuchung beob-
achten. Das bleibt festzuhalten, um die eine Möglichkeit mit Sicherheit auszuschließen,
es könne sich um absichtlich zerbrochene oder zerhackte Grabbeigaben handeln, welche,
ähnlich den zerbrochenen oder verbogenen Waffen in germanischen Gräbern, nicht mehr
ihrer ursprünglichen Funktion in fremden Händen dienen sollten. Überdies müßten dann,
was nicht der Fall ist, alle Fragmente der verschiedenen Geräte oder zumindest ihr
größter Teil vorhanden sein.
Weiter kennen wir im Gebiete des freien Germaniens die rituelle Niederlegung von
absichtlich zerhackten spätrömischen goldenen Kaisermünzen und von zerbrochenen
goldenen Spiralringen als Opfer in Heiligtümern und in geweihter Erde. Beispiele dafür
bieten der im Bereiche eines ostgermanischen Brandgräberfeldes gehobene Goldmünzhort
von Stara Wies, Kr. Sokolow im Distrikt Warschau mit annähernd in Viertel zerhackten
Teilen von 20 verschiedenen aurei von Gordian III. bis Trajanus Decius, ein Fund, den
W. Radig als Opfer oder Weihegabe gedeutet hat1), und die, vielleicht in Verbindung mit
dem Freyr-Kult niedergelegten, zerschlagenen Goldringe des 4. Jahrhunderts n. Ohr. aus
der zeitweiligen Hauptkultstätte des festländischen Angelnreiches im Thorsberger Moor2).
Aber auch diese Möglichkeit ritueller Gründe kommt für unseren Fall nicht in Betracht,
da nach dem bisherigen Stande unseres Wissens kein Anhaltspunkt dafür vorhanden ist,
in der Nähe von Groß Bodungen irgendein Heiligtum zu suchen3). Ebensowenig kann in
der Fundmasse ein Siedlungs- oder Depotfund, beispielsweise der Materialbestand eines
germanischen Silberschmiedes gesehen und das Zerhacken damit erklärt werden, daß das
Silber zum Einschmelzen und Neuverarbeiten bestimmt war, etwa ähnlich einem jüngeren
Depotfund von Frauenburg in Ostpreußen4). Die Abhebung des Bodens in größerem
Umkreis um die Fundstelle machte weder Pfostenlöcher noch Steinlagen sichtbar, so daß
von einer Siedelung in unmittelbarer Nähe des Platzes keine Rede sein kann. Auch für
die Annahme des Arbeitsplatzes eines Toreuten ergeben sich keine Indizien. Es wäre
dann zumindest das Vorkommen von Gußgeräten und Schmelzstücken zu erwarten.
Gold und Silber müssen vielmehr, wie schon im Anschluß an die Wiedergabe des Fund-
protokolls ausgesprochen wurde, irgendwo im freien Felde versteckt worden sein.
1) W. Radig, Der ostgermanische Goldmünzhort von Stara Wies, Kr. Sokolow. Die Burg, Krakau 1942. H. 1, 17 ff.
2) H. Jankulm, Die religionsgesch. Bedeutung des Thorsberger Fundes. Forsch, u. Fortschr. 1936, Nr. 29, 365 ff.
J. Werner, Die beiden Zierscheiben des Thorsberger Moorfundes. Rom.-Germ. Forsch. 16 (1941) 1 ff. u. passim. Opfer-
fund von unbrauchbar gemachtem Pferdegeschirr von Sösdala u. a.: R. Norberg, Moor- und Depotfunde aus dem 5. Jahr-
hundert n. Chr. in Schonen. Acta Archaeologica 2, 1931, 104 ff. Abb. 4 ff. J. E. Forssander, Provinzialrömisches und Ger-
manisches. Meddelanden Lund 1937, 11 ff. Abb. 1—3.
3) Anders — freilich nur eine Vermutung — v. Brunn, Germania 27, 1943, 124.
4) Sitzungsber. Prussia 23, 1914, 58ff. Taf. 1.

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