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DIE KÜNSTLERISCHE

ENTWICKLUNG SCHLESIENS UND SEINER
HAUPTSTADT BRESLAU


Stadt ist nur zu verstehen, wenn man sich über die politische Geschichte und Vergangen-
heit dieser Landschaft im klaren ist. Gilt dies im allgemeinen für alle Landschaften, so
gilt es um so mehr für den deutschen Osten, für ein Land wie Schlesien, das nur von
wenigen gekannt, um so mehr aber verkannt wird. An Schlesien den gleichen Maßstab
anzulegen wie z. B. an den deutschen Westen oder Süden, wäre falsch. Vor allem darf
man nicht von vornherein, wie dies allzuoft geschieht, Schlesien nichts Zutrauen, nur weil
von ihm noch wenig bekannt ist. Denn an der Unkenntnis von Schlesien ist nicht das
Land oder der Schlesier schuld, sondern vor allen Dingen diejenigen, die sich bisher nicht
die Mühe machten, das Land und seine Bewohner kennenzulernen, die aber trotzdem
urteilten.
Schlesien, und damit seine Hauptstadt Breslau, hat in früheren Jahrhunderten nicht eine
so geruhsame Entwicklung durchmachen können wie das deutsche Mutterland. Eingebettet
in fremde Nationen und rassisch verschiedenartige Völker, ragte es ähnlich wie Ostpreußen
in fremde Länder hinein und zeigt dabei deutlich wie mit einem Finger nach dem Osten,
als wollte es seine Mission kultureller Art auch nach außenhin kundtun.
Nachdem um die Zeitenwende über ein halbes Jahrtausend Wandalen vor ihrem Zuge
nach den Gestaden des Mittelmeers diesem Land den Stempel ihrer Kultur aufdrückten
und herrliche Erzeugnisse ihrer Goldschmiedekunst hinterließen, und geringe Reste dieses
Volkes noch viele Jahrzehnte hier weiterlebten, verschwindet in der Völkerwanderung
germanische Kultur, um slawischem Nichtkönnen und Nichtwollen und polnischer Un-
kultur Platz zu machen. Neben diesen Erzeugnissen des slawischen Volkes, unter denen
wir umsonst nach edlen Goldschmiedearbeiten suchen würden, finden wir sorgsam ge-
arbeitete Waffen mit reicher Silbertauschierung nichtslawischen Ursprungs. Es sind dies
Arbeiten der Herrenschicht, die als Ritter und Machthaber über die breite faule Slawen-
masse herrschte, wikingischer Herkunft, die nicht nur den blutsmäßigen, sondern be-
sonders den kulturellen Abstand zwischen Herr und Knecht vor Augen führen. Finden
wir zwischen der Wandalen- und Slawenzeit einen Bruch, der keinerlei kulturelle Zu-
sammenhänge zwischen beiden Zeiten zeigt, so bemerken wir am Ende der kurzen
slawischen Episode das gleiche.
Während im deutschen Westen und Süden unter den Sachsen- und Salierkaisern Kunst
und Kultur unter dem Schutz starker Fürsten und machtvoll emporblühender Städte in
Ruhe sich aufbauen und entwickeln können, liegt Schlesien noch im Dunkel seiner
Geschichte. Als das Fleldengeschlecht der Hohenstaufen zum letztenmal im Mittelalter
das Reich in seiner gewaltigen Größe und Macht errichtet und Deutschland ein un-
bezwingbares und einheitliches Reich darstellt, in dem die Künste blühen, die herrlichen

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