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Nürnberg in der Hauptstadt des Schlesierlandes. Allein im Jahre 1618 beschäftigt der
Meister Fabian Nitsch von fünf Gesellen vier auswärtige aus diesen beiden Städten. Aus
dem benachbarten Sachsen, aus Österreich, Ungarn, Dänemark, Schweden, Holland und
England kommen Gesellen, um bei Breslauer Meistern zu lernen. Gewiß ein Beweis dafür,
welchen Ruf Breslau als Goldschmiedestadt in früheren Jahrhunderten besaß.
Vom Vater vererbte sich das Handwerk auf den Sohn, auf den Enkel, technische Fertig-
keit und künstlerischer Geschmack wurden durch strenge Lehre von Generation zu
Generation weitergegeben. Beim Aussterben der männlichen Linie übernimmt fast
immer der Schwiegersohn die Werkstatt. Aus der Meisterliste der Breslauer Goldschmiede
können wir eine ganze Reihe solcher Goldschmiededynastien zusammenstellen. Interessant
werden uns diese Stammtafeln vor allen Dingen, wenn es möglich ist, nicht nur die Namen
und Daten der einzelnen Meister und Gesellen zu verzeichnen, sondern ihre Tätigkeit und
damit ihre Leistung auch durch einzelne Werke zu belegen. Gerade die Dynastie Nitsch-
Jachmann-Mentzel-Grische-Vogel ist der beste Beweis dafür (vgl. Stammtafel). Adolf von
Menzels Vorfahren finden wir ebenfalls unter den Breslauer Goldschmieden.
Erwin Hintze weist in seinem Buch über die Breslauer Goldschmiede nicht weniger als
1352 Namen der in Breslau tätigen Goldschmiede nach, von denen allein 745 Meister sind.
Wenn er in seinen anderen Arbeiten in weiteren 45 schlesischen Städten noch rund 1500
Meister aufzählen kann, d. h. 33 im Durchschnitt für jede Stadt, so wird aus diesem
Zahlenverhältnis sofort die Überlegenheit der Breslauer Goldschmiede und ihre Führer-
stellung in der Provinz Schlesien klar.
Nachdem sich in Breslau schon um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts Goldschmiede
niederlassen, folgen die übrigen Städte Schlesiens erst in Abständen von mehreren Jahr-
zehnten oder gar Jahrhunderten. Wenn man von Görlitz absieht, das in früherer Zeit
politisch und kulturell zur Lausitz und nicht zu Schlesien gehörte, so folgen auf Breslau
im Jahre 1300 Neiße, 1354 Liegnitz, 1378 Schweidnitz, die Residenzstädte unserer Fürsten-
tümer gleichen Namens. Daß diese Städte bald in vorderster Linie neben Breslau stehen,
wenn sie es auch nie erreichen, ist verständlich, da sich an einem Fürstenhof das kulturelle
Leben ganz anders verdichten konnte, und der Bedarf an Kunstgütern dort erheblich
größer war als in kleineren Provinzstädten. Erst das sechzehnte Jahrhundert bringt
wiederum eine Reihe von Niederlassungen von Goldschmieden in bisher nicht mit diesem
Handwerk besetzten Städten. Dies ist kein W under, wenn man sich vergegenwärtigt, daß
Schlesien gerade von der Renaissance ab seine Wirtschaftsbeziehungen zu den östlichen
Nachbarländern besonders verstärkt. Die Bedeutung dieser Städte für die Goldschmiede-
kunst ist insofern nicht gering einzuschätzen, als sie weniger für die engere Heimat
arbeiten, um so mehr jedoch für den Export nach Polen und Rußland. Qualitativ sind
z. B. die Ohlauer Arbeiten durchweg bedeutend. Auch Breslau hat nie allein für den Ver-
brauch innerhalb der Stadt gearbeitet. Einmal mußte es zum großen Teil die Provinz mit
Silbergerät versorgen, dann aber hatte es natürlich als Hauptstadt des Landes die
führende Stelle in der Ausfuhr von Gold- und Silberarbeiten nach dem östlichen Ausland.
Im Jahre 1703 wird ausdrücklich in einer Urkunde „die Goldschmiedearbeit nach Polen
und Moskau, welche fast allein die hiesigen Goldschmiede ernähret“, erwähnt. Auch noch
in der preußischen Zeit, 1752, meldet der Stadtrat an die Königliche Kriegs-und Domänen-
kammer: „Es gestehen zuförderst allhiesige Silberarbeiter selbst zu, daß sie nach Polen,

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