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i.vorgeschichte und überblick

rem die Porta Maggiore und den Titusbogen, aber auch
große Anlagen wie die Thermen des Caracalla und Dio-
kletian, die Alberti schon früher aufgenommen hatte.

Wenn man sich eine Vorstellung von Brunelleschis und
Albertis Antikenaufnahmen machen will, bietet sich der
Vergleich mit Ciriaco von Ancona an. Ohne Zweifel hat
Alberti ihn gekannt — die Humanisten nahmen beide am
Konzil der Kirchenreunion von 1438/39 teil90. Ciriacos
berühmte Forschungen haben Alberti und seinen gebilde-
ten Lesern bei der Empfehlung der Antikenstudien nach
dem Vorbild der Literaten unweigerlich vor Augen ge-
standen.

Die schmucklose Nüchternheit von Ciriacos Bauauf-
nahmen und die Verbindung von grafischer mit schriftli-
cher Demonstration unterscheiden sich beträchtlich von
den schönen Darstellungen antiker Plastik, die die bilden-
den Künstler des frühen 15. Jahrhunderts hinterlassen
haben91. Ciriaco war nicht zeichnerisch ausgebildet, und
das Wort stand ihm als Literat näher als das Bild. Die
zitierte Legende zum Tempel in Kyzikos erinnert an Don-
dis Rombeschreibung, an Albertis Beschreibung der Dio-
kletiansthermen oder an die Beschreibung des Kolos-
seums, die Filarete in seinem Traktat gibt92. Aber die
unterschiedliche Schulung erklärt nicht allein den Ab-
stand zwischen den Zeichnungen von Bauwerken und
Bildwerken. Er ist auch durch die unterschiedlichen Gat-
tungen der Studienobjekte bedingt. Manche von Ciriacos
Zeichnungen erinnern noch in Kopien der Hochrenais-
sance an das Bauhüttenbuch des Villard de Honnecourt,
in dem manchmal auch ähnliche Legenden erscheinen93.

Brunelleschis und Albertis Aufnahmen antiker Bauten
scheinen denen Ciriacos durchaus ähnlich gewesen zu
sein. Sie sind wohl deshalb verloren, weil sie so an-
spruchslos wirkten.

90 Inscriptiones christianae urbis Romae II Teil 1, 364 s. Mancini,
117, 156s.

91 B. Degenhart/A. Schmitt, Gentile da Fabriano in Rom und die
Anfänge des Antikenstudiums. In: Münchner Jahrbuch der bildenden
Kunst XI, 1960, 59-151. Dies., Ein Musterblatt des Jacopo Bellini
mit Zeichnungen nach der Antike. In: Festschrift Luitpold Dussler.
München 1972, 139-168. E. Strong, Six drawings from the co-
lumn of Trajan with the date 1467. In: Papers of the British School
at Rome VI, 1913, 174ss.

92 Ed. Finoli/Grassi, 336 s. Vgl. dagegen die rein literarische Abhand-
lung über die Antiken in Rom, Kleinasien und Ägypten, op.cit.,
30-38.

93 Vgl. z.B. Hahnloser, Taf. 39s. mit den Kopien nach Ciriaco im
Cod. Barberini des Giuliano da Sangallo, 28 v. Die Darstellung
der Hagia Sophia dorts., 28 r, hat Lötz 1956, 196, mit Villards
Raumbildern verglichen. Villards Legenden haben vielfach lehr-
haften Charakter, manche (wie Hahnloser, Taf. 18), beschreiben
aber auch die dargestellten Bauten.

Nach Manettis Angaben trugen Brunelleschis Bauauf-
nahmen wie die Ciriacos Kotierungen. Die Zeichnungen
waren ebenfalls mit schriftlichen Notizen ergänzt. Diese
Notizen waren Brunelleschi immerhin wichtig genug, um
sie in der üblichen Geheimniskrämerei, die Manetti ihm
nachsagt, zu verschlüsseln, und er konnte angeblich an-
nehmen, daß Donatello die Zeichnungen auf diese Weise
nicht verstehen würde94.

Auch die ersten erhaltenen genauen Studien der römi-
schen Ruinen, die Zeichnungen Cronacas und Gian Cri-
stoforo Romanos, verbinden grafische Darstellung und
schriftliche Erklärung. Noch die Ergänzung der Holz-
schnitte in Serlios Buch über die antiken Bauten (1540)
mit Maßangaben in separaten Legenden steht in der glei-
chen Tradition.

Die Verbindung von Zeichnung und Legende stammt
wohl aus der Baupraxis. Dort hatte sie auch juristische
und praktische Gründe. Die Leistung der Handwerker
sollte möglichst genau festgelegt werden. Ein Beispiel
dafür bildet der Plan für den Palast, den Agostino di
Giovanni und Partner für Gontieri Sansedoni in Siena
errichten sollten (1340)95. Nach Manetti stellte Brunelles-
chi in seinen Entwürfen, soweit er überhaupt welche
anfertigte, nur die generelle Disposition dar und „erklärte
verbal" die Einzelheiten; bei S. Spirito folgte der Bau
des gesamten Aufrisses nach Brunelleschis Tod solchen
verbalen Erklärungen96. Giovanni di Gherardo bediente
sich ebenfalls der Verbindung von Diagrammen und Tex-
ten, um seine und Ghibertis Meinung über die rechte
Gestalt der florentiner Domkuppel zu demonstrieren
(1426)97. Von Alberti sind zwei Architekturzeichnungen
überliefert: ein eigenhändiger Plan für ein Bad, das nach
dem Vorbild antiker Beschreibungen von Thermen ange-
legt ist98, und eine Kopie nach seinem Modello für S.
Sebastiano in Mantua, die allerdings erst von Antonio

94 Vgl. Anm. 60.

95 G. Milanesi, Documentiper la storia dell'arte senese. Siena 1854-1856
I, 232 Nr. 51. L'Universitä e le Istitu^ioni Culturali in Siena. Siena
1935, Abb. p. 132. A. Garzelli, Un disegno di architettura civile
del 1340. In: Antichitä viva XII, 1973, Heft 2, 36-41.

96 Ed. De Robertis/Tanturli, 116s., 99s. J.S. Ackerman, Architec-
tural practise in the italian Renaissance. In: Journal of the Society of
Architectural Historians XIII, 1954, Heft 3, 3-11. Saalman, Archi-
tectural theory, 103 s.

97 W. Braunfels, Drei Bemerkungen zur Geschichte und Konstruk-
tion der florentiner Domkuppel. In: Mitteilungen des Kunsthistori-
schen Institutes in Floren^ XI, 1963, 203-225. Saalman, Giovanni di
Gherardo.

98 Florenz, Bibl. Medicea Laurenziana, Cod. Ashbh. 1828 (App.),
56v-57r. Bums 1980.
 
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