Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
einheitliche anlage des codex coner

175

gewinnt man leicht den Eindruck, daß sie allgemein üb-
lich war. Aber es ist fraglich, ob sie vorher normalerweise
gebraucht wurde. Das Statut der Florentiner Calimala-
Zunft von 1433 schreibt lediglich vor, daß Gebrauchs-
maßstäbe in ein Halb, ein Drittel, ein Viertel und ein
Achtel zu teilen sind64. Die Übersicht über die florentiner
Maße in einem Rechenbuch, das um 1419 entstanden ist,
gibt eine Teilung des Braccio nach dem Vorbild des Geldes
(libbra) in 20 Soldi ä 12 Denari an65. Diese Art der Teilung
haben Cronaca, Buonaccorso Ghiberti66 und gewöhnlich
auch Giuliano da Sangallo gebraucht. Sie ist noch in
späteren Architekturzeichnungen durchaus verbreitet
(„Jacopo Sansovino"-Konvolut in den Uffizien, Dosio).
Vincenzo Scamozzi gibt an, daß der florentiner Braccio
im Unterschied zu der sonst in Italien üblichen Duodezi-
malteilung 20 Soldi enthalte67.

Giuliano da Sangallo gebraucht neben Soldo und De-
naro in seiner Spätzeit manchmal auch eine Teilung des
Braccio in 60 Quattrini ä 4 Denari68. Er stellt mehrfach
fest, daß der Quattrino einer Minute entspreche69. So
könnte die Minute unter Vermeidung der doppelten Maß-
teilung aus dem Quattrino gebildet sein. Aber es hat eher
den Anschein, als habe Giuliano den Quattrino einge-
führt, um die traditionelle Maßteilung in Verhältnis zu der
ungewöhnlichen Minuten-Teilung zu setzen. Vielleicht ist
die Minuten-Teilung aus der sonst üblichen Duodecimal-
Teilung entwickelt. Im Sangallo-Kreis wurde der römi-
sche Palmo oft in 12 Once ä 5 Minuti bzw. in 60 Minuti
geteilt. Womöglich steht dahinter auch die Skala zum
Abgreifen von Maßverhältnissen, die Alberti in seinem
Traktat über die Plastik beschreibt. Sie ist in 6 Fuß ä 10
Once geteilt70.

Ähnlich einheitlich wie die Kotierung im Codex Coner
sind die schriftlichen Bemerkungen zu den Zeichnungen.
Sie bedienen sich durchgehend der lateinischen Sprache.

64 P. Emiliani-Giudici, Storia dei comuni italiani. Florenz 1864-
1866 III, 214s.: „et il braccio non a divisione se non quellet de la parte
chome 1j2br. a o 1 jibraccio e similiparti". Trattato d'Abaco, Florenz
um 1471/83. Venedig, Bibl. Marciana, Ms. It. IV 35 (= 5570), 1 v.

65 Florenz, Biblioteca Nazionale, Ms. Magl. XI-119, 30 r.

66 Vgl. Kap. II. Florenz, Biblioteca Nazionale, Ms. BR. 228 (Magl.
XVII-2), 29 r etc.

67 Scamozzi 1615, 72.

68 Huelsen 1910, p. XLVs.

69 Cod. Barb. 4424, 63 v, b, 68 v.

70 Ed. Grayson 1972, 124 f. (vgl. Vitruv III 1). „Battista degli Alberti
fece uno braccio overo misura la quäle divise in 6 parte e una di queste 6
parte chiamo piede, poi divise uno di questi piedi in 10 e l'una di queste
parti chiamo d(\Xo) e dipoi divise una di queste ^(ite) in 10 e chiamo gli
minuti e questo serve a fare d'una chosa pichola grande e d'una grande
pichola". B. Ghiberti, Florenz, Biblioteca Nazionale, Ms. B. R. 228
(Magl. XVII-2), 36 r.

Die dargestellten Objekte sind zumeist bezeichnet; dabei
wird auch die Projektionsart angegeben („Hicnograßa"
bzw. „Orthografia") bzw. diese Angabe ist vorausgesetzt,
so daß die Bezeichnungen im Genitiv stehen. Die Grund-
risse sind, wie gesagt, zumeist mit präzisen Angaben der
Himmelsrichtungen „AI(eridies)" und ,A(eptemtrio)"
ohne Rücksicht auf die Achsen der dargestellten Bauten
versehen.

Entsprechend Giuliano da Sangallos Interesse für Epi-
graphen sind die Inschriften der Monumente wieder-
geben71.

Bernardos Darstellungsmethode geht von den Regeln
der Zentralperspektive in Verbindung mit schattierender
Lavierung aus. Aber die unverwechselbare Erscheinung
seiner Zeichnungen, die schon Lötz beschrieben hat72,
beruht nicht einfach auf den von Alberti formulierten
Prinzipien der Malerei. Es besteht ein grundlegender Un-
terschied zwischen der unprätentiösen Architekturvedute
in Bildern der Renaissance und Bernardos lehrhafter De-
monstration von Architektur. Seine Darstellungsme-
thode zielt darauf ab, klare Übersichtlichkeit und räum-
lich-plastische Anschaulichkeit miteinander zu verbin-
den. An Albertis Regeln hält sich Bernardo nur soweit,
wie sie der Anschaulichkeit dienen und der Klarheit nicht
abträglich sind. Sonst greift er auch zu anderen Mitteln.

Zu Bernardos Demonstrationsmitteln gehört zunächst
die leichte Übertreibung aller plastischen Formen. Sie
bildet ein durchgehendes Element seiner Aufrisse. Aber
Bernardo geht auch differenzierter vor. Die Triumphbö-
gen stellt er so dar, daß das architektonische Relief der
Front ebenso wie die Gliederungen der Durchgänge und
der Flanke zur Anschauung kommen (Abb. 10). Der
Fluchtpunkt, nach dem sich diese Teile des Aufrisses
richten, liegt jeweils etwas neben dem Monument. Aber
die Fluchtlinien der Fronten der Bögen laufen nicht zu-
sammen. Demnach liegt der Blickpunkt jeweils im Zen-
trum des Monuments. Es werden also zwei verschiedene
Blickrichtungen miteinander verbunden. Ahnliche Kom-
binationen zeigen die Teilaufrisse des Kolosseums und
des Marcellustheaters (Abb. 5; II 24) oder die Quer-
schnitte des Tempietto und des Pantheons (Abb. 13), ob-
gleich es hier stets einen übergeordneten Blickpunkt
gibt73. Er liegt jeweils auf der Mittelachse im oberen
Bereich des Baus. Danach richten sich die Fluchtlinien,
die den Gesamteindruck bestimmen. Im übrigen ist die

71 Ashby 1904, Nr. 48, 49, 53-56, 60, 61, 67-69.

72 Zitiert in Anm. 42.

73 Op.cit., Nr. 41, 42, 34, 35 s.
 
Annotationen