Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Formale Gestaltungsmittel

1 Bruni 1998,48.
2 Pontano 1965,238.
3 Imesch 2003,37-68 und
passim.
4 Paruta 1579,187f
5 Tacitus, Anna les, XIII54;
Biondo 1511,41v.
6 G.Manetti 1734,
945-960; Onofri 1979;
Onofrio 1989, 54-59.
7 Brief an Papst Calixtuslll.
Günther 1997/1, Anm. 47.

Kostbarkeit und Schönheit. Ebenso deutlich
sticht das Florentiner Rathaus unter den Pro-
fanbauten durch Größe und durch besondere,
von Adelssitzen übernommene Elemente her-
vor (Abb. 190). Das rühmt Leonardo Bruni in
seiner „Laudatio" auf Florenz (um 1403): „Mit-
ten unter diesen Gebäuden aber ragt der ge-
waltige und durch seine Schönheit beeindru-
ckende Komplex einer Burg, der Signoria, der
allein schon durch sein Äußeres zu erkennen
gibt, wozu er errichtet wurde. Wie nämlich in
einer großen Flotte das Admiralsschiff durch
sein Aussehen erkennen lässt, dass auf ihm der
oberste Befehlshaber der Flotte fährt, so ist das
Erscheinungsbild der Signoria derart, daß je-
der leicht urteilen kann: hier wohnen die Len-
ker des Gemeinwesens. So prächtig ist sie er-
baut, so steil ragt sie empor, daß sie alle Ge-
bäude in weitem Umkreis beherrscht und ihr
mehr als privater Rang deutlich ist."1
Die Tugend, die hinter kulturellem Mäze-
natentum steht, wurde magnificentia genannt.
Giovanni Pontano definiert sie als „das rech-
te Maß im Entfalten von Aufwand".2 Wenn
sie nicht in Wichtigtuerei ausartet, ist sie nütz-
lich und notwendig. Sie dient zur Demonstra-
tion von Würde und Macht. Im Anschluss an
Aristoteles haben zahllose Schriften der Re-
naissance die Bedeutung der magnificentia be-
handelt.3 Mehr oder minder indirekt fließt das
Thema in Elogen auf einzelne Städte, Bauten
oder Mäzene ein. Die Schriften der Renais-
sance zur Architektur behandeln, dass die ge-
sellschaftliche Stellung und Macht des Bau-
herrn an seinen Bauten zum Ausdruck kommt.
Alberti leitet damit sein Architekturtraktat ein
(Prolog). Viele Gesellschaftstraktate, allen vo-
ran Pontanos „Traktate über die sozialen Tu-
genden", gehen im Zusammenhang mit der
magnificentia auf die soziale Bedeutung der Ar-
chitektur ein. Die magnificentia kommt auch im
Rückblick auf die Antike zum Ausdruck. Die
Wirkung der Bauten als Zeichen für die Be-
deutung des alten Rom geht aus dem oft in der
Renaissance zitierten Wort des Hildebert von
Lavardin hervor: „Roma quanta fuit, ipsa rui-
na docet." Alberti schließt seinen Prolog mit
der üblichen Rückversicherung bei der Antike:

Die Fürsten hätten damals alle erkannt, dass
die Architektur eines der wesentlichen Mittel
bilde, um ihrem Namen Glanz bei der Nach-
welt zu verleihen, und man sehe ja, wie viel
Bewunderung sie dem Römischen Imperium
gebracht habe. Paolo Paruta erinnert im glei-
chen Sinn daran, dass noch die grandiosen Ru-
inen von Reichtum und Tugenden der Römer
und von ihrer Weltherrschaft zeugen würden,
und fordert deshalb dazu auf, wieder nach ih-
rem Beispiel großartig zu bauen.4 Ein konkre-
tes Beispiel für den Nutzen der großartigen
Bauten überliefert Tacitus. Biondo hat es so-
gleich in seiner römischen Kulturgeschichte zi-
tiert: Das grandiose Theater des Pompeius be-
eindruckte eine Gesandtschaft der Germanen
dermaßen, dass sie sich spontan zu Verbünde-
ten der Römer erklärten.5
Ein eindrucksvolles Beispiel für die Not-
wendigkeit, Würde und Macht durch die Ent-
faltung großartiger Bautätigkeit zur Schau
zu stellen, bildet die Rede, mit der Papst Ni-
kolaus V. seinen Plan rechtfertigte, die Peters-
kirche zu erneuern und zu vergrößern (1455,
verf. von Giannozzo Manetti).6 Wegen der
bedrohlichen Situation, in der sich die Kir-
che nach dem Exil von Avignon und dem Schis-
ma befand, und wegen der Eroberung von
Konstantinopel und der Bedrohung des Abend-
landes durch die Türken erhob sich heftiger
Widerstand gegen das Projekt. Der franziskani-
sche Prediger Giovanni da Capistrano schrieb:
„In diesem Augenblick höchster Not für den
Glauben scheint mir wahrhaftig, es wäre Pe-
trus lieber und Gott willkommener, wenn sie
das Geld, das sie für den Schmuck der Late-
ranbasilika und der Peterskirche Zusammen-
tragen, für den Schutz der christlichen Religi-
on ausgeben würden, statt alle Kirchen Roms
und der Welt, Türme und Paläste mit purem
Gold und edlen Steinen zu bauen."7
Gegen solche Stimmen argumentierte der
Papst: Die Autorität der Kirche stehe über al-
lem, aber das könnten nur diejenigen wirklich
begreifen, die ihre Geschichte und Entwicklung
von Anfang an kennen. Das gemeine Volk, un-
wissend und kulturlos, wie es nun einmal sei,
glaube das, was ihm die Gelehrten über die

214
 
Annotationen