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gramm und begnüge mich hier damit, darauf aufmerksam zu machen, wie grade in Betreff unserer
Rhizopoden derselbe trefflich geeignet ist, deren Stellung im Thierreiche entscheidend zu befestigen.
Wir müssen hierbei zwischen den echten Rhizopoden, welche ich unten als Asphycta (ohne con-
tractile Blase) bezeichnet habe (Acyttarien und Radiolarien) und zwischen den Sphygmica (mit
contractiler Blase) oder Amoebiden (Amoebaeen und Arcellinen) unterscheiden. Was zunächst die
letzteren anbetrifft, so ist deren Stellung noch zweifelhaft. Besonders gilt dies von den Amoeben,
deren selbstständige Natur als Organismen-Species in neuester Zeit dadurch höchst zweifelhaft ge-
worden ist, dass ein grosser Theil derselben als vorübergehende Entwicklungszustände niederer Pflanzen
und Thiere erkannt worden sind. Ich erinnere hier namentlich an die kolossalen Amoeben, welche
in dem merkwürdigen Entwicklungscyclus der Myxomyceten eine so grosse Rolle spielen, ferner an
die kleinen amoebenartigen Körperchen, welche sich in den Pseudonavicellen der Gregarinen ent-
wickeln, endlich an die Amoeben, welche aus den zur Ruhe gekommenen Schwärmsporen unzweifel-
hafter Pflanzen, wie mancher einzelligen Schmarotzer-Algen (Rhizidium und Chytridmm), ferner aus den
gleichen oder ähnlichen Schwärmsporen vieler Algen und Pilze hervorgehen. Diese Schwärmsporen
sind nach dem Ausschlüpfen aus der geborstenen Sporen- (Zellen-) Membran hüllenlose Protoplasma-
klumpen mit 1 oder 2 Geissein am einen Ende, mittelst deren sie sich lebhaft schwimmend umher-
bewegen, und mit einer oder ein paar contractilen Blasen im Innern, welche rhythmisch pulsiren.
Wenn sie zur Ruhe gekommen, werden die Geissein oder Wimpern abgeworfen oder eingezogen
und die membranlose Sporenzelle mit der contractilen Blase kriecht nach Art der Amoeben umher,
indem sie abwechselnd Fortsätze ausstreckt und einzieht. Diese Körperchen sind von anderen, für
selbstständige Thiere gehaltenen Amoeben so wenig zu unterscheiden, als viele Zellen mit amoeben-
artigen Bewegungen, welche in dem Körper höherer Thiere Vorkommen, z. B. die farblosen Blut-
zellen vieler Wirbellosen etc. (vei^i. oben p. 103). Lässt sich daher auch jetzt noch nicht allen
Amoeben die selbstständige Natur absprechen, so ist es doch für einen grossen Theil sicher, dass
sie nur Entwicklungsformen anderer Organismen sind, für die anderen mindestens zum Theil sehr
wahrscheinlich. Sollten sich aber wirklich auch Amoeben finden, die in sich den ganzen Formenkreis
selbstständiger Species vollendet darstellen, so würde deren Stellung sich lediglich nach der oben ge-
gebenen Definition bestimmen. Wahrscheinlich sind alle Amoeben einfache Zellen, so gut wie die
oben besprochenen Entwicklungszellen, und dann sind sie, wenn sie zeitlebens in diesem Zustande ver-
harren, schon aus diesem Grunde in das Pflanzenreich zu stellen. Der Besitz einer contractilen Blase
kann nicht gegen die Einzelligkeit angeführt werden, da diese auch bei den unzweifelhaft einfachen
Schwärm-Zellen vieler echter Algen sich findet. Der „Kern“ jener Amoeben würde dann als Zellen-
kern aufzufassen sein. Die Membran, welche Auerbach in seinem Aufsätze „über die Einzelligkeit
der Amoeben“ denselben durchgängig vindicirt und als Beweis für die einfache Zellennatur anführt,
ist nach unserer Ansicht durch jene Beobachtungen weder bewiesen, noch auch nach der oben ge-
gebenen Definition zum Begriff der Zelle nöthig. Wir fassen die mit einem Kern versehenen Amoeben
schon wegen dieses Kernes als Zellen auf, mögen sie nun von einer Membran umgeben sein oder
nicht. Finden sich nun wirklich Amoeben, die zeitlebens nur eine solche einfache, selbstständige
Zelle darstellen und als solche sich vermehren, so sind sie einfach als einzellige Pflanzen aufzufassen.
Sollten dagegen fernere Untersuchungen ergeben, dass auch selbstständige Amoeben existiren, deren
Kern dem Kerne der Infusorien aequivalent, deren conlractile Blase dem gleichen Gebilde der Infu-
sorien analog als besonderes Organ, als Centrum eines Circulations-Apparates, zu betrachten und
deren ganze Leibesmasse aus mehreren verschmolzenen Zellen zusammengesetzt ist, so würden diese
Amoeben als Thiere aufzufassen sein und ihren bisherigen Platz in der Rhizopodenklasse neben den
Arcellinen und den anderen von Claparede in der Familie der Amoebinen zusammengefassten Rhi-
zopoden mit contractiler Blase beibehalten. Was diese letzteren anbetrifft, die Arcellen und ihre Vor-

trefflicher Arbeiten noch nicht sicher genug bekannt, um sie entweder zu den Thieren oder zu den Pflanzen zu stellen. Sind die
letzteren, wie De Bary selbst angiebt, einzellig, so bleiben auch sie, trotz der abweichenden Entwicklung, bei den Pflanzen stehen.
 
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