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XII

Klaſſizismus und Romantik

ie klaſſiſche Form iſt ſeit dem Rinascimento nicht mehr gänzlich verlorengegangen.
D Auch im Barock und Rokoko iſt ſie gehalten worden; im ſiebzehnten und achtzehnten
Jahrhundert hat ſie als Gegengewicht gegen den barocken Überſchwang und gegen
das aſymmetriſche Spiel des Barock immer ihre Stätte und ihre anerkannte Funktion gehabt.
Allerdings war dieſe Funktion eben relativ, nicht abſolut: ſie hatte ſich mit dem Barock und
Rokoko in den Raum zu teilen. Die Epoche des Klaſſizismus iſt nun die Zeit, in der das Klaſ-
ſiſche wieder ſo abſolut wird, wie es im Rinascimento geweſen iſt: in der es alſo wieder die
unbeſtrittene Alleinherrſchaft ausübt. Man iſt des barocken Unmaßes, der Launen und Spiele
des Rokoko nun gründlich müde. Man ſucht wieder das klaſſiſch Gefügte, das Klare, Lotrechte
und Wagerechte, das Un verzierte. Man geht bei Griechen, Etruskern, Römern in die Lehre,
wo ſie am ſtrengſten ſind; auch bei der monumentalen Strenge der Agypter. Die neue Geſinnung
erſtreckt ſich auf ſämtliche Gebiete der Kunſt: auf Baukunſt, Bildnerei und Malerei. Sie er-
ſtreckt ſich auch auf das Kunſtgewerbe. Das Mobiliar folgt dem neuen Geiſte einer groß-
artigen Ernüchterung. Ihm folgt die keramiſche Kleinkunſt: der engliſche Steinguttechniker
und Töpfer Joſiah Wedgwood 6730 geboren, 579 geſtorben) gibt ſeinen berühmten

Vaſen und Taſſen
mit der ilfe des
engliſchen Bild-
hauers John
Flaxman For-
men und Relief-
dekors von anti-
kem Getſt; die
gipsweißen anti-
kiſchen Reliefme-


blauem Grunde
aus der Manu-
faktur „Etruria“
in Staffordſhire

360


ſind echte Jeichen
der neuen Geſin-
nung.

Dieſe neue Ge-
ſinnung bedeutet
nicht bloß einen
Umſchlag in den

künſtleriſchen
Dingen. Sie hat
allgemeinere Vor-
ausſetzungen. Sie
erlebt ihre Söhe
in der großen
franzöſtiſchen Re-
volution und im
 
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