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Universität Heidelberg [Hrsg.]
Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg: Winter-Halbjahr 1900/01 — Heidelberg

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1900/1901

Heidelberger Akademische Mitteilungen

Nr. 11

sich auch das Amt des Preisrichters zu einer undankbaren,
verantwortungsreichen Aufgabe. Die schwedische Akademie
sei sich völlig klar, dass zu einem allseitig erschöpfenden,
unanfechtbaren Urteil ihre wissenschaftlichen Hilfsmittel
nicht ausreichen. Die Verwaltung des Litteraturpreises rund-
weg abzulehnen, was unter den gegebenen Verhältnissen das
nächstliegende gewesen wäre, vermochte sie jedoch nicht
über.sich zu gewinnen, da in solchem Falle der Litteratur-
preis gemäss dem Wortlaut des Nobelschen Vermächtnisses
überhaupt nicht zur Verteilung kommen würde.
Die ‘Akademie erinnerte sich der hochherzigen Meinung, die
der verstorbene Dr. Nobel gerade in diesem Teile der grossen
Stiftung ausgedrückt habe, indem er den Trägern des ide-
alen iKulturfortschritts, den Wächtern des nationalen Schrift-
tums in jedem Lande, deren Lebensweg selten mit Posen
bestreut zu sein pflegt, die Anwartschaft auf verdiente ma-
terielle Belohnung eröffnete. Die Akademie vergegenwärtigte
sich des weiteren, dass durch die Preisvergebung, deren
Ausfall von der gesamten gebildeten Welt mit Aufmerksam-
keit verfolgt wird, auch die Ideen der preisgekrönten Werke
selbst eine Verbreitung erhalten werden, die ihnen sonst un-
möglich beschieden sein würde. Dessen ungeachtet wird die
Akademie stets die Erkenntnis vor Augen behalten, dass
ihre Entscheidungen in der Preis-Angelegenheit manchem
Tadel, vielleicht auch berechtigtem Tadel, begegnen
werden. Dahingegen hofft sie gegen den Vorwurf irgend-
welcher parteiischen Stellungnahme in ihren Beschlüssen
von vornherein geschützt zu sein. Es liege in der Natur der
Verhältnisse begründet, dass skandinavische Schrift-
steller nur in seltenen Ausnahmefällen bei der
Preisvergebung Berücksichtigung finden. Schwedens welt-
ferne Lage biete eine sichere Gewähr, dass man dem Wett-
kampfe der kontinentalen Litteraturströmungen ohne Vor-
eingenommenheit und subjektive Beeinflussung folgen werde.
Findet man sich gleichwohl bewogen, die Akademie und
ihre litterarischen Gesichtspunkte prinzipieil zu tadeln,
so wird sie versuchen, eine derartige Beurteilung mit Gleich-
mut zu tragen. Sie wird sich zum Trost des Zeugnisses
erinnern, das ihr einstmals bei ähnlichem Anlasse von
ihrem erlauchten Schutzherrn ausgestellt wurde, des Zeug-
nisses nämlich, dass die schwedische Akademie nicht immer
dem Geschmack des Tages gehuldigt habe, weil sie aus
wohlerwogenen Gründen zu einer solchen Huldigung keinen
Anlass fand. Geschmack und Literarische Schulen wechseln.
Als eine Art Reaktion gegen den schroffen Naturalismus der
achtziger Jahre ist im letzten Jahrzehnt des zu Ende ge-
gangenen Jahrhunderts der Symbolismus nebst einer Anzahl
geistesverwandter Richtungen auf dem Plan erschienen, deren
Hauptverdienst darin gipfelt, dass sie den Grundsatz strikter
U n v e r s t ä n d 1 i c h k e i t als höchstes, erstrebenswertes End-
ziel hinstellen. Den naturalistischen Kaltwasser-Strömen ist
ein trüber Nebel entstiegen, der dem freien, klaren Sonnen-
lichte vorerst nur in matten Reflexen einen gelegentlichen
Durchblick gestattet. Und doch hegen wir die feste Ueber-
zeugung, dass sich ein Zeitalter im Anzuge befindet, wo das
Wahre, Echte und Edle in jeder litterarischen Strömung
unter strenger Fernhaltung alles ungesunden Beiwerks und
schädlicher Uebertreibungen gewürdigt werden kann. Das
Schöne ist ein flüchtiger Schemen. Die, welche uns am lau-
testen im selbstbewussten Dünkel verkünden, dass sie des
fliehenden Phantoms Herr geworden: sie verdienen nicht
immer den stärksten Glauben. Das unveränderlich Schöne
in seiner vollendeten Gestalt hat sicherlich noch manche
ungekannte Weiten vor unseren Blicken zu enthüllen. Wie
immer indessen die Grenzsteine auf den Bahnen litterarischer
Entwicklung und Geschmacksverfeinerung verändert werden
mögen, niemals werden jene Schranken überschritten werden
dürfen, welche nach ewigen Gesetzen für Unschuld und
Sittlichkeit vorgeschrieben sind.“
Die Darlegungen Professor Tegners, deren Spitze sich

— wie ersichtlich — mit grosser Schärfe gegen die Be-
strebungen des litterarischen „Uebormenschen“- und „Fin-
de-siecle-tums“ richtet, wurden von dem Auditorium der
Akademie höchst beifällig aufgenommen. Unter den gela-
denen Gästen der Akademie befanden sich äusser den Ver-
tretern des Stockholmer und Upsalaer Lehrkörpers, an-
gesehene Mitglieder der schwedischen und norwegischen
Politik, zahlreiche Geistliche der Stockholmer Diözese u. a.
Als Vertreter des Hofes war der Kronprinz-Regent von
Schweden-Norwegen, der Herzog von Westergotland u. a.
erschienen.
Max Müller-Stiftung. Die Universität Oxford hat be-
schlossen, zum ehrenden Gedächtnis des verstorbenen deut-
schen Gelehrten Max Müller ein Stammvermögen zu schaffen,
dessen Zinsen zur Förderung der wissenschaftlichen Beschäf-
tigung auf den Gebieten der Geschichte, Archäologie, Litte-
ratur und der Religion des alten Indiens verwendet werden
sollen.
Besuch erzittern von Universitäten. Die Universität
Göttingen wird in diesem Wintersemester von 1317 Studie-
renden besucht; davon studieren 110 Theologie, 430 Rechts-
wissenschaft, 193 Medizin, 208 Philosophie, Sprachwissen-
schaft, Geschichte, 296 Mathematik und Naturwissenschaften,
28 Cameralia, 21 Landwirtschaft, 18 Pharmacie, 13 Zahn-
heilkunde. — In Freiburg i. B. studieren zur Zeit 1218 Per-
sonen, und zwar 225 katholische Theologie, 289 Rechts-
wissenschaft und Cameralia, 330 Medizin, 57 Pharmacie,
169 Mathematik und Naturwissenschaften, 100 Philologie,
48 Philosophie und Geschichte. — Die Universität Breslau
wird von 1628 immatrikulierten Studierenden besucht. —
Rostock hat zur Zeit 513 Studierende, davon 33 Theologen,
96 Juristen, 125 Mediziner, 259 in der philosophischen Fa-
kultät.
M
Veranstaltungen der Vereine.
Sozialökonomische Vereinigung. Montag, 14. Januar
1901, abends 8 h. c. t. im Cafe Mai (Wredeplatz). Vortrag
des Herrn Zwicklitz: „Die Aufgaben depBranntwein-
steuer“. Kommilitonen als Gäste willkommen.
Hist.-philos. Verein. Montag, den 21. Januar, abends
8’/2 Uhr, im roten Saale des Museums: Vortrag des
Herrn H. Ost hoff: „Mundschaft und Vormundschaft
in sprach- und rechtsgeschichtlicher Beleuchtung.“
Theater. — Kunst. — Konzerte. — Vorträge.
Stadttheater in Heidelberg. Sonntag, den 13. Januar:
„Der Zigeunerbaron“. Operette von J. Strauss. Montag,
14. Januar: zum 1. Male: „Flachsmann als Erzieher“. Ko-
mödie von Otto Ernst. Dienstag, 22. Januar: Volkstümliche
Vorstellung bei halben Preisen: „Der Freischütz“. Roman-
tische Oper von C. M. v. Weber.
Hof- und Nationaltheater in Mannheim. Sonntag,
13. Januar: „Die Meistersinger“ von R. Wagner. Anfang
5 Uhr.
Dienstag, den 15. Januar, abends pünktlich 7’/2 Uhr,
im städtischen Konzert-Saale: Fünftes Abonnements-Kon-
zert des Bachvereins unter Leitung des Herrn Professor
Dr. Wolf rum und unter Mitwirkung der Frau Kammer-
sängerin Katharina Flei scher-Edel aus Hamburg.
Studentenkarten zu Mk. 1.50 für Saal und Mk. 1.—
für Galerie nur bei Herrn F. W. Rochow (C. Winter’sche
U n i versitäts-Bu chh an d lu ng).
Kunst-Verein Museum. Geöffnet Sonntag und Mitt-
woch von 11—1 und 2—4 Uhr. Eintrittspreis für Nicht-
mitglieder 20 Pfg.
 
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