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Gerstäcker: Reisen durch Amerika u. s. W.

das Privatleben zurückgetreten und verdienten sich ihr Brot in so
friedlicher Weise, als sie es vor dem Krieg ebenfalls gethan.
Auch das ist für uns Deutsche ein fast undenkbarer, wenig-
stens unbegriffener Zustand, denn wenn bei uns ein junger Mann
sich erst einmal zu einem wirklichen Lieutenant aufgeschwungen
hat und der Krieg ist vorüber, so hält er sich für vollkommen be-
rechtet, vom Staat auch für Lebenszeit pensionirt und womöglich
noch mit einer einträglichen Stelle bedacht zu werden. Geschieht
dies aber nicht, so glaubt er sich schlecht behandelt und schimpft
auch wohl noch auf das undankbare Vaterland, das möglicher Weise
mit der ganzen Sache gar nichts zu thun bat.
In Amerika fällt das keinem Menschen ein, und Keiner fast
mag selbst ein Soldat im Frieden sein.
Ja, es ist sonderbar, wie rasch sich in der Union nach dem
Krieg die alten Verhältnisse wieder hergestellt haben, denn wäh-
rend in dei' Zeit der Rebellion alles zu den Waffen eilte und jeder
Stand unter den Soldaten vertreten war, ist das im Nu in sein
altes Geleis zurückgekehrt.
Was irgend Anspruch auf eine Stelle im Leben machte oder
Verstand und Fleiss genug besass, um sich ein unabhängiges Fort-
kommen in der Welt zu gründen, trat nach Beendigung des Krie-
ges augenblicklich aus der Armee. Jetzt bestehen denn auch nur
wieder, wie früher, die Soldtruppen, welche — die Officiere natür-
lich ausgenommen — auf keine Achtung weiter Anspruch machen
und nur, weil sie zu faul zum Arbeiten sind, das Soldatenleben
vorgezogen haben. Aber selbst die Officiere nehmen nicht mehr
den früheren Rang ein, denn der Krieg hat manches rauhe Element
dazwischen geworfen, was natürlich nicht wieder so rasch ausge-
merzt werden konnte.«
Wir verbinden, was die Deutschen zunächst betrifft, damit
noch eine andere Stelle, wo der Verfasser in folgender Weise sich
auslässt: »Es ist keinem Zweifel unterworfen, schreibt er S. 136,
dass sich die Deutschen hier in Amerika mit der zähen Ausdauer,
die unserem Stamme eigen ist und mit der alten berühmten deut-
schen Geduld gegenwärtig eine geachtete Stellung errungen haben
und je mehr sie mit den Amerikanern bekannt und von ihnen ge-
kannt werden, muss sich das noch befestigen. Das ist aber auch
— ich wiederhole es — Alles, was sie hier, neben einer sorgen-
freien Existenz, hoffen können zu erreichen, denn der deutsche
Charakter ist im Allgemeinen fügsam und nicht prädominirend.
Schon die Kinder werden vollständig — mit kaum noch einer
schwachen Erinnerung an ihr Vaterland — amerikanisirt und die
Enkel so vollblütige Amerikaner, wie man sie nur je in den Yankee-
staaten finden kann.«
Wie im Flug durcheilte der Verf. dann die grosse Strecke von
St. Louis nach Chicago, das in ähnlichem schnellen Aufblühen be-
griffen ist, und von da die Staaten Illinois und Chowa nach Omaha,
 
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