»r. 14. HEIDELBERGER ^69.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Verhandlungen des naturhistorisch - medizinischen
Vereins zu Heidelberg.
1. V o r t r a g des Herrn Geheimrath Helmholtz: »Zur
Theorie der stationären Ströme in reibenden Flüs-
sigkeiten«, am 30. Oktober 1868.
(Das Manuscript wurde am 5. März 1869 eingereicht.)
Herr Alexis Schklarewsky, der im letzten Sommer im
hiesigen physiologischen Laboratorium eine Reihe von Versuchen
über die Bewegungen und die Vertheilung feiner suspendirter fester
Körperchen in Capillarröhren angestellt hat, hatte dabei gefunden,
dass nicht nur in capillaren Röhren mikroskopisch kleine Körper-
chen immer gegen die Mitte des Stromes hinstreben, sondern dass
dasselbe sich auch an viel weiteren Röhren von 1 bis 5 Centime-
ter Durchmesser zeigt. Eine Kugel aus Wachs, wenig schwerer als
Wasser, fällt in einer verticalen mit Wasser gefüllten Röhre der
Art immer so, dass sie von den Wänden gleichsam abgestossen
wird, und der Mitte des Cylinders zueilt.
Eine eben solche Kugel, welche durch einen schwachen auf-
wärts gehenden Wasserstrom am Sinken gehindert wird, stellt sich
in die Mitte der Röhre ein, und wenn man durch Neigen und
Schütteln der Röhre sie der Wand nähert, bewegt sie sich doch,
sobald man damit aufhört, wieder zur Mitte der Röhre. Das erstere
Phänomen steht in auffallendem Gegensatz zu einem Theorem von
W. Thomson*), wonach ein Körper, der in einer nicht reibenden
Flüssigkeit nahe einer senkrechten Wand fällt, von dieser ange-
zogen wird, und zu ihr bineilt. Das Letztere geschieht nun auch
wirklich im Wasser, wenn man schwerere Kugeln, z, B. grobes
Bleischrot, in einem verticalen Cylinder fallen lässt. Diese fallen
schneller, als die oben genannten Wachskugeln, und dadurch er-
halten diejenigen Druckunterschiede, welche vom Quadrate der Ge-
schwindigkeit abhängen, grösseren Einfluss. Man hört in der That
eine solche Kugel, die man in der Nähe der Wand eiues mit Wasser
gefüllten verticalen Cylinders fallen lässt, mehrmals an die Wand
anschlagen, ehe sie den Boden erreicht,
Es wg,r daher zu verrauthen, dass die bei geringeren Geschwin-
digkeiten beobachteten Abweichungen vom Einfluss der Reibung her»
*) Natural Philosophy Oxford. 1167. Vol. I. §. 332.
LXII- Jahrg, 3. Heft,
1.4
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Verhandlungen des naturhistorisch - medizinischen
Vereins zu Heidelberg.
1. V o r t r a g des Herrn Geheimrath Helmholtz: »Zur
Theorie der stationären Ströme in reibenden Flüs-
sigkeiten«, am 30. Oktober 1868.
(Das Manuscript wurde am 5. März 1869 eingereicht.)
Herr Alexis Schklarewsky, der im letzten Sommer im
hiesigen physiologischen Laboratorium eine Reihe von Versuchen
über die Bewegungen und die Vertheilung feiner suspendirter fester
Körperchen in Capillarröhren angestellt hat, hatte dabei gefunden,
dass nicht nur in capillaren Röhren mikroskopisch kleine Körper-
chen immer gegen die Mitte des Stromes hinstreben, sondern dass
dasselbe sich auch an viel weiteren Röhren von 1 bis 5 Centime-
ter Durchmesser zeigt. Eine Kugel aus Wachs, wenig schwerer als
Wasser, fällt in einer verticalen mit Wasser gefüllten Röhre der
Art immer so, dass sie von den Wänden gleichsam abgestossen
wird, und der Mitte des Cylinders zueilt.
Eine eben solche Kugel, welche durch einen schwachen auf-
wärts gehenden Wasserstrom am Sinken gehindert wird, stellt sich
in die Mitte der Röhre ein, und wenn man durch Neigen und
Schütteln der Röhre sie der Wand nähert, bewegt sie sich doch,
sobald man damit aufhört, wieder zur Mitte der Röhre. Das erstere
Phänomen steht in auffallendem Gegensatz zu einem Theorem von
W. Thomson*), wonach ein Körper, der in einer nicht reibenden
Flüssigkeit nahe einer senkrechten Wand fällt, von dieser ange-
zogen wird, und zu ihr bineilt. Das Letztere geschieht nun auch
wirklich im Wasser, wenn man schwerere Kugeln, z, B. grobes
Bleischrot, in einem verticalen Cylinder fallen lässt. Diese fallen
schneller, als die oben genannten Wachskugeln, und dadurch er-
halten diejenigen Druckunterschiede, welche vom Quadrate der Ge-
schwindigkeit abhängen, grösseren Einfluss. Man hört in der That
eine solche Kugel, die man in der Nähe der Wand eiues mit Wasser
gefüllten verticalen Cylinders fallen lässt, mehrmals an die Wand
anschlagen, ehe sie den Boden erreicht,
Es wg,r daher zu verrauthen, dass die bei geringeren Geschwin-
digkeiten beobachteten Abweichungen vom Einfluss der Reibung her»
*) Natural Philosophy Oxford. 1167. Vol. I. §. 332.
LXII- Jahrg, 3. Heft,
1.4