162
M'üller: Keiee der Fregatte Novara, Ethnographie.
dene Menschenrassen aufstellen, und müssen derartige sinnliche
Merkmale sämmtlich zusammengefasst, nicht vereinzelt zu Grunde
gelegt werden; allein damit ist für die Kenntniss der Menschheit
nur eine Seite in Anschlag gebracht. Die Ethnographie hinwiederum
schildert den Menschen nicht als einzelnes Individuum, sondern als
Mitglied eines Volkes; Hauptmomente aber, an welchen sich die
einzelnen Individuen zusammengehörig und verwandt als Volk er-
kennen, sind die Sprache und Sitten. Die Sprache namentlieh ist
es in der geistigen Sphäre, welche die Richtung und den Entwick-
lungsgang des Menschen bestimmt und an welcher er mit der
grössten Zähigkeit hängt, während in anderer Beziehung die phy-
sische Begabung des Menschen sammt den äussern Bedingungen
zu seiner Existenz über den Fortschritt und das Ziel seiner Cultur
entscheiden. Es erscheint mithin vollkommen gerechtfertigt, die
einzelnen Völker nach dem Momente der Sprache in Gruppen zu-
sammenzustellen und im System an einander zu reihen oder die
Sprache sammt den an dieselbe im Gebiete des geistigen Lebens
sich knüpfenden Aeusserungen zum Hauptmerkmale der Völkerver-
wandtschaft zu erheben. Aber auch diese sogenannte linguistische
Ethnographie wäre ohne die anthropologische Betrachtung unvoll-
ständig und einseitig: die wahre Ethnographie beruht auf einer
Verschmelzung der beiden Richtungen. Und diesen Versuch hat der
Verfasser zum ersten Mal mit grossem Geschicke durcbgeführt.
Dabei kommt es vor allem darauf an, sich über das Verhältniss
von Rasse und Sprache vollkommen klar zu werden. Und hier
können wir nicht umhin, den Verfasser selbst reden zu lassen,
dessen Ansicht wir durchaus beipflichten. Er sagt in der Einlei-
tung (S. I—XXX), die dem beschreibenden Theile vorausgeschickt
ist und in der er seinen Standpunkt und die Hauptgrundsätze seines
ethnographischen Systems darlegt, S. XI:
»Es lässt sich nicht läugnen, dass Rasse und Sprache im tief-
sten Grunde Zusammenhängen, der Art, dass letztere der ersteren
untergeordnet ist, ohne diese vielleicht auszufüllen. Anomalien,’
welche sich vorfinden, lassen sich immer auf Mischungen zurück-
führen. Da nämlich die Sprache fremden Eindringlingen immer
Widerstand leistet und in allen Einflüssen zum Trotz ihren Typus
immer fester beibehält als der Körper des Menschen, und in ersterer
die kleinste fremde Einwirkung immer schärfer zu erkennen ist
als im letzteren, so kommt es manchmal vor, dass irgend eine
Sprachfamilie sich über zwei erwiesener Massen verschiedene Rassen
auszudehnen scheint. Man muss dann annehmen, dass die Einflüsse
der einen Rasse stärker in leiblicher, und die andern wieder stär-
ker in geistiger Richtung wirkten. So gehört der ural-altaische
Sprachstamm der höchasiatischen Rasse au, während die Osmanen
und Magyaren in Europa, sprachlich zu demselben Sprachstamme
zählend, entschieden der mittelländischen Rasse angehören. Hier
hat die Sprache allen äussern Einflüssen Trotz geboten, die Leiber
M'üller: Keiee der Fregatte Novara, Ethnographie.
dene Menschenrassen aufstellen, und müssen derartige sinnliche
Merkmale sämmtlich zusammengefasst, nicht vereinzelt zu Grunde
gelegt werden; allein damit ist für die Kenntniss der Menschheit
nur eine Seite in Anschlag gebracht. Die Ethnographie hinwiederum
schildert den Menschen nicht als einzelnes Individuum, sondern als
Mitglied eines Volkes; Hauptmomente aber, an welchen sich die
einzelnen Individuen zusammengehörig und verwandt als Volk er-
kennen, sind die Sprache und Sitten. Die Sprache namentlieh ist
es in der geistigen Sphäre, welche die Richtung und den Entwick-
lungsgang des Menschen bestimmt und an welcher er mit der
grössten Zähigkeit hängt, während in anderer Beziehung die phy-
sische Begabung des Menschen sammt den äussern Bedingungen
zu seiner Existenz über den Fortschritt und das Ziel seiner Cultur
entscheiden. Es erscheint mithin vollkommen gerechtfertigt, die
einzelnen Völker nach dem Momente der Sprache in Gruppen zu-
sammenzustellen und im System an einander zu reihen oder die
Sprache sammt den an dieselbe im Gebiete des geistigen Lebens
sich knüpfenden Aeusserungen zum Hauptmerkmale der Völkerver-
wandtschaft zu erheben. Aber auch diese sogenannte linguistische
Ethnographie wäre ohne die anthropologische Betrachtung unvoll-
ständig und einseitig: die wahre Ethnographie beruht auf einer
Verschmelzung der beiden Richtungen. Und diesen Versuch hat der
Verfasser zum ersten Mal mit grossem Geschicke durcbgeführt.
Dabei kommt es vor allem darauf an, sich über das Verhältniss
von Rasse und Sprache vollkommen klar zu werden. Und hier
können wir nicht umhin, den Verfasser selbst reden zu lassen,
dessen Ansicht wir durchaus beipflichten. Er sagt in der Einlei-
tung (S. I—XXX), die dem beschreibenden Theile vorausgeschickt
ist und in der er seinen Standpunkt und die Hauptgrundsätze seines
ethnographischen Systems darlegt, S. XI:
»Es lässt sich nicht läugnen, dass Rasse und Sprache im tief-
sten Grunde Zusammenhängen, der Art, dass letztere der ersteren
untergeordnet ist, ohne diese vielleicht auszufüllen. Anomalien,’
welche sich vorfinden, lassen sich immer auf Mischungen zurück-
führen. Da nämlich die Sprache fremden Eindringlingen immer
Widerstand leistet und in allen Einflüssen zum Trotz ihren Typus
immer fester beibehält als der Körper des Menschen, und in ersterer
die kleinste fremde Einwirkung immer schärfer zu erkennen ist
als im letzteren, so kommt es manchmal vor, dass irgend eine
Sprachfamilie sich über zwei erwiesener Massen verschiedene Rassen
auszudehnen scheint. Man muss dann annehmen, dass die Einflüsse
der einen Rasse stärker in leiblicher, und die andern wieder stär-
ker in geistiger Richtung wirkten. So gehört der ural-altaische
Sprachstamm der höchasiatischen Rasse au, während die Osmanen
und Magyaren in Europa, sprachlich zu demselben Sprachstamme
zählend, entschieden der mittelländischen Rasse angehören. Hier
hat die Sprache allen äussern Einflüssen Trotz geboten, die Leiber