378 Schriften über d. Todesstrafe v. Mehring, Bonnet u. Poletti.
der Staatszweck in nichts Anderem besteht als in der Verwirk-
lichung des Rechts im Leben. Wenn die absolute Straftheorie der
unbedingten Rechtsforderung des suum cuique durch Vergeltung
genügen wolle, so habe sie die Unausführbarkeit einer solchen Aus-
gleichung hienieden, wozu Belohnung nicht minder als Strafe ge-
hören würde, vergessen. Sodann müsste man auch ganz bestimmt
wissen Was ausgeglichen werden soll und wodurch. Wolle man
die einzele That vergelten, natürlich nicht als bloss äusseres Er-
eigniss, sondern als Willensäusserung des Thäters, so stosse man
auf einen unabsehbaren Kausalzusammenhang der Beweggründe,
auf die Unmöglichkeit haarscharfen Messens des Willens, im Unter-
schiede von mitwirkenden Ursachen ausserhalb, und gerechten Aus-
gleichens, Was nur Gott, und nur in Rücksicht des Thuns des
ganzen Lebens, vorbehalten bleibe. Jeder Versuch der Vergeltung
durch Menschen sei ein blosses Zerrbild, sei Rache, die dem Ver-
letzten dadurch Genugthuung schaffen solle, dass der Verletzer
mit der eignen Münze bezahlt werde! Ins Leben werde aber der
Ermordete dadurch doch nicht wieder gerufen, wohl aber gebe der
Staat damit sein Prinzip, die Rechtsidee, auf und setze sich herab
auf den Standpunkt des Verbrechers, indem er Denselben nach
dessen eigner rechtsverletzender Maxime behandelt (S. 29). Wollte
man die That nach ihrer äusseren Wirkung vergelten, so falle man
in Schadenersatz und Ungereimtheiten*, so suche man denn zum
Behuf der Ausgleichung nach einer annähernden Schätzung in Rück-
sicht des bethätigten verbrecherischen Willens und falle nur beim
Mord, da es für das Leben einen Gleichwerth nicht gebe, in die
selbst als ungereimt erkannte buchstäbliche talio zurück, wie Hegel.
Rechtlich möglich, sagt Μ., könnte die Todesstrafe nur sein, wenn
wirklich der Staat ein unbeschränktes Recht hätte gegen den Ein-
zelen und Alles was er ist und hat. Dann aber wäre Dieser* ein
blosses Ding, sein Verhältniss zum Staat also gar kein Rechtsver-
hältniss mehr und der Staat hätte aufgehört eine Einrichtung zur
Verwirklichung des Rechts zu sein. Darum wollten sogar Solche,
die über Alles die blosse Zweckmässigkeit entscheiden lassen, ein
Recht zur Hinrichtung doch nur unter der Einschränkung zuge-
stehen, dass deren Unentbehrlichkeit feststehe, wofür ihnen jedoch
das Urtheil des Staats in eigner Sache genügt. Allein, ohne offenen
Uebergriff in das Gebiet eines höheren Richters könne keine. Obrig-
keit Jemand für unfähig erklären ferner auf dieser Erde, als Mensch
unter Menschen, zu leben, sondern sie dürfe höchstens aus diesem
Staat oder auch nur vom Gebrauch der vollen Freiheit ausschliessen.
Daran könne ein Shylokvertrag mit dem Staat, wodurch man für
gewisse Fälle aufs Leben verzichte, Nichts ändern und er sei ebenso
offenbar ein pactum turpe als wenn man sich verkaufe (S. 35).
Obwohl der Verl, richtig erkennt, dass die absolute Theorie
unhaltbar sei, die Strafe nicht Selbstzweck sein könne, sondern
nur Mittel, und mit uns ihr Wesen nicht darin finden kann, dass
der Staatszweck in nichts Anderem besteht als in der Verwirk-
lichung des Rechts im Leben. Wenn die absolute Straftheorie der
unbedingten Rechtsforderung des suum cuique durch Vergeltung
genügen wolle, so habe sie die Unausführbarkeit einer solchen Aus-
gleichung hienieden, wozu Belohnung nicht minder als Strafe ge-
hören würde, vergessen. Sodann müsste man auch ganz bestimmt
wissen Was ausgeglichen werden soll und wodurch. Wolle man
die einzele That vergelten, natürlich nicht als bloss äusseres Er-
eigniss, sondern als Willensäusserung des Thäters, so stosse man
auf einen unabsehbaren Kausalzusammenhang der Beweggründe,
auf die Unmöglichkeit haarscharfen Messens des Willens, im Unter-
schiede von mitwirkenden Ursachen ausserhalb, und gerechten Aus-
gleichens, Was nur Gott, und nur in Rücksicht des Thuns des
ganzen Lebens, vorbehalten bleibe. Jeder Versuch der Vergeltung
durch Menschen sei ein blosses Zerrbild, sei Rache, die dem Ver-
letzten dadurch Genugthuung schaffen solle, dass der Verletzer
mit der eignen Münze bezahlt werde! Ins Leben werde aber der
Ermordete dadurch doch nicht wieder gerufen, wohl aber gebe der
Staat damit sein Prinzip, die Rechtsidee, auf und setze sich herab
auf den Standpunkt des Verbrechers, indem er Denselben nach
dessen eigner rechtsverletzender Maxime behandelt (S. 29). Wollte
man die That nach ihrer äusseren Wirkung vergelten, so falle man
in Schadenersatz und Ungereimtheiten*, so suche man denn zum
Behuf der Ausgleichung nach einer annähernden Schätzung in Rück-
sicht des bethätigten verbrecherischen Willens und falle nur beim
Mord, da es für das Leben einen Gleichwerth nicht gebe, in die
selbst als ungereimt erkannte buchstäbliche talio zurück, wie Hegel.
Rechtlich möglich, sagt Μ., könnte die Todesstrafe nur sein, wenn
wirklich der Staat ein unbeschränktes Recht hätte gegen den Ein-
zelen und Alles was er ist und hat. Dann aber wäre Dieser* ein
blosses Ding, sein Verhältniss zum Staat also gar kein Rechtsver-
hältniss mehr und der Staat hätte aufgehört eine Einrichtung zur
Verwirklichung des Rechts zu sein. Darum wollten sogar Solche,
die über Alles die blosse Zweckmässigkeit entscheiden lassen, ein
Recht zur Hinrichtung doch nur unter der Einschränkung zuge-
stehen, dass deren Unentbehrlichkeit feststehe, wofür ihnen jedoch
das Urtheil des Staats in eigner Sache genügt. Allein, ohne offenen
Uebergriff in das Gebiet eines höheren Richters könne keine. Obrig-
keit Jemand für unfähig erklären ferner auf dieser Erde, als Mensch
unter Menschen, zu leben, sondern sie dürfe höchstens aus diesem
Staat oder auch nur vom Gebrauch der vollen Freiheit ausschliessen.
Daran könne ein Shylokvertrag mit dem Staat, wodurch man für
gewisse Fälle aufs Leben verzichte, Nichts ändern und er sei ebenso
offenbar ein pactum turpe als wenn man sich verkaufe (S. 35).
Obwohl der Verl, richtig erkennt, dass die absolute Theorie
unhaltbar sei, die Strafe nicht Selbstzweck sein könne, sondern
nur Mittel, und mit uns ihr Wesen nicht darin finden kann, dass