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Kugler: Christoph von Wirtemberg.

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Zusammenhang darzustellen. Hier ist ihm denn vor Allem die
wichtige Korrespondenz zu Gute gekommen, welche ein so rastloser
Vermittler wie Herzog Christoph mit den anderen Fürsten der
entgegengesetzten Parteien geführt hat. Pfister konnte sie nicht
benutzen, da sie erst mehrere Jahre nach der Veröffentlichung
seines »Herzog Christoph« aus einem abgelegenen Aufbewahrungs-
orte in das königliche Staatsarchiv übertragen worden ist. Der
vorliegende erste Band des Kugler’schen Werkes erzählt die wechsel-
vollen Jugenderlebnisse und die ungemeinen Schwierigkeiten, durch
welche sich Herzog Christoph zur Macht emporgerungen hat; und
wir nehmen gleich anfangs mit Genugthuung Akt von der Art wie
der Verf. das Verhältniss zwischen den Eltern, die unerquicklichen
Familienhändel, welche die Wiege des Kindes umgaben, beurtheilt
und also mittelbar die eigene frühere Ansicht über den Vater, den
Herzog Ulrich modifizirt. Er nennt Ulrich »einen unruhigen Kopf
voll trotzigem Ungestüm und derber Lebenslust« ; es mag als eine
etwas bedenkliche Folge dieses heiteren Naturells und als ein Symp-
tom einer sehr weitgehenden Lebenslust gelten, wenn Ulrich
in seiner Neigung zu der Frau des Ritters Hans von Hutten sich
»so weit vergisst« dem Gemahl zu Füssen zu fallen; mit der Bitte,
der Ritter solle um Gottes Willen gestatten, dass er, der Herzog,
seine eheliche Hausfrau lieb haben mög’, denn er könnt’ wohl und
mög’s nicht lassen. Der »trotzige Ungestüm« nun vollends, den
Kugler als charakteristisch für Herzog Ulrich bezeichnet, gewinnt
eine sehr zweideutige Färbung und stellt sich als unsühnbarer
Frevel gegen menschliches und göttliches Gesetz heraus, wenn der
Herzog schliesslich »seines Zornes« über die Indiscretion Hans von
Huttens »nicht mehr Meister« wie ein Bandit, während der Jagd
über den unbewaffneten Ritter herfällt und denselben ermordet.
Man braucht kein grosser Moralist zu sein, um eine solche That
unbedingt zu verwerfen. Ulrich selbst hat sie schwer gebüsst. Zu
der Stimme der beleidigten Menschheit, zu dem Racheruf der Ver-
wandten des Erschlagenen, dem Ulrich von Hutten in seinen Reden
einen ergreifenden Ausdruck lieh, diente der häusliche Zwist gleich-
sam als Folie, der nun, bisher mühsam verborgen, offen zwischen
dem Mörder und seiner eigenen Gemahlin Sabina ausbracb. Es
war freilich eine Ehe die nur Staatsvorth eil geschlossen, und der
die Weihe innerer Neigung fehlte; aber es liess sich immer wenig-
stens ein Scheinfriede, es liessen sich wenigstens die äusseren An-
standsformen vor der Welt bewahren, zumal dem Herzog am 12.
Mai 1515, vier Tage nach dem Morde Huttens ein Sohn und Erbe
geboren war. Aber es hätte eine fast übermenschliche Demutb
und Milde dazu gehört, die Launen und Rohheiten dieses Gemahls
zu ertragen; Sabina’s stolzer und hochfahrender Sinn empörte sich
offen gegen die Unwürdigkeiten, die sie unter dem jähzornigen
Despoten erduldete; sie entschloss sich auf Rath ihrer Verwandten
zu dem äussersten Schritt und entfloh am 24. November 1515 mit
 
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