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Mähly: Richard Bentley.

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ten erregt wurden, lassen sich in diesem ihrem Zusammenhang
allerdings besser erkennen und richtiger würdigen, so Manches Ge-
hässige und Abstossende sie auch sonst bieten, was wir hier nicht
weiter verfolgen wollen, da sich diess aus der ruhigen, die Fakta un-
befangen darstellenden Erzählung des Verfassers zur Genüge er-
gibt. Blicken wir lieber auf das , was über die einzelnen Leistun-
gen seiner gelehrten Thätigkeit in dieser Darstellung vorliegt. Wir
erinnern z. B. im ersten Theil an das, was über die in diese frü-
here Lebensperiodefallenden, schon mit dem Jahre 1692 beginnen-
den Studien über Manilius S. 25 ff. bemerkt wird, die beabsichtigte
Ausgabe dieses Dichters aber sich fast fünf Jahrzehnte hindurch
verzögerte, bis sie durch Bentley’s Neffen endlich zu Stande kam ;
wir erinnern an die Ausgabe der Fragmente des Callimachus, die
vielbesprochenen Briefe des Phalaris, die ein eben so grosses Auf-
sehen als Streit erregten, oder an die in die zweite Periode des
Lebens fallende, nach längerer Vorbereitung im Jahr 1711 erschie-
nene Ausgabe des Horatius, welcher hier eine eingehende Erörte-
rung S. 51 ff. gewidmet ist. Der Verf. bemüht, ein richtiges Ur-
theil über diese Leistung zu gewinnen, bemerkt, und wohl mit
Recht, wie alle Angriffe und alle Gegenschriften von damals und
alle bis auf den heutigen Tag geübte Gegenkritik es nicht ver-
mocht, der Bentley’schen Leistung den Charakter des Grossartigen
zu benehmen, wie sie auf dem Felde der Conjecturalkritik nicht
nur als seine bedeutendste, sondern als eine der bedeutendsten
überhaupt erscheine, wie in ihr der Schwerpunkt seiner Methode
liege, nach ihrer Stärke, wie nach ihrer Schwäche u. s. w. (S. 54).
»Seit Bentley selber die subjective üeberzeugung als massgebend
in der Kritik hingestellt bat, wird auch das ürtheil der Kritiker
über seine Leistung ein mehr oder weniger subjectives, das heisst
also auch, nicht übereinstimmend sein in Bezug auf das Wie
Viel? des sicher Gewonnenen. Doch scheint es, dass von den 7 — 800
Neuerungen Bentley’s denn doch noch ein grösserer Rest bleiben-
der Errungenschaft resultirt, als Manche glauben mögen, welche
sich unter der Bentley’schen Horazkritik entweder eine völlige
Fehlgeburt von Hyperkritik oder eine allzu correcte, gewisser-
massen ideelle Massregelung des Dichters vorstellen«. — »Bentley’s
Kritik ging darauf aus, seinen Dichter zu einem Muster von Cor-
rectheit zu machen, und das war Horaz nicht, durfte es als Dich-
ter nicht sein, denn die Correctheit steht nicht als oberstes Ge-
setz im Canon der Poesie, am allerwenigsten für einen Nachahmer
des Pindar (?). An einer Menge von Stellen hat Bentley nicht den
Abschreiber, sondern Horaz selber corrigirt, bisweilen allerdings
auch so, dass der corrigirte und correcte Horatius redivivus unbe-
dingt der Aenderung seines schulmeisternden Kritikers den Vorzug
geben würde und wir mit ihm. Aber im Ganzen war Bentley zu
ausgesprochener Verstandesmensch, zu einseitiger Dialektiker, um
die leisen Nüancen des dichterischen Gefühls, wodurch dieses be-
 
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