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Zum Gedächtnis Bernhard Erdmannsdörffers

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wie Bernhard Erdmannsdörffer. Da vor wenigen Jahren jener Kampf
gegen Karl Lamprecht und seine Methode losbrach, hat er trotz seiner
ablehnenden Haltung gegenüber derselben dessen philosophische Grund-
lage stets rühmlich hervorgehoben.

Am Ende des dreijährigen Studiums konnte er mit einer Disser-
tation „De prytaniis atticis“ promovieren. Die Arbeit stand völlig unter
dem Einflüsse Gustav Droysens, dem er im Laufe des Studiums sich
immer enger angeschlossen hatte. Die Burschentage aber gingen zu
Ende. Die Wirklichkeit trat ernst an den jungen Gelehrten heran. Aber
die Versuchung, sich durch den Eintritt in die Lehrerlaufbahn den Unter-
halt zu sichern, überwand er rasch. Er besass die Kraft, das Leben
mit festem Schenkelschlusse souverän zu traktieren. Sein ganzes Streben
ging nach höheren Zielen und ihnen opferte er die sicheren Aussichten.
Zunächst nahm er eine Hauslehrerstelle an. Sie führte ihn in die Familie
Moltke. Das Gut derselben in Ostpreussen war freilich öde und einsam,
aber der Geist des Hauses ein schöner und anregender. Er that ihm
nach dem teutonischen Treiben der Burschenjahre in doppeltem Sinne
gut und die Frau des Hauses ist ihm eine warme mütterliche Freundin
gewesen. So bedeutete die Zeit des „Hausmeiertums“ für ihn keinen
Stillstand, sondern war reich an neuen Anregungen. Noch in den letzten
Tagen seines Lebens hat ihn ein Brief eines seiner Zöglinge erfreut, der
ihm von den tiefen Eindrücken, welche die „Deutsche Geschichte“ auf
ihn gemacht, sprach. Damals aber drängte es Erdmannsdörffer nach
dem Süden und er löste seine Beziehungen, um andere einzugehen und
eine Stelle in Venedig anzunehmen. Er hatte den Weg über Triest
gewählt. Im Stellwagen legte er die lange und öde Reise über den
Karst zurück. Er hat mir selbst einmal den tiefen und bleibenden Ein-
druck geschildert, den das Meer auf ihn geübt, da er plötzlich auf der
Höhe die von der Morgensonne bestrahlte Adria weitgedehnt vor sich
in der Tiefe liegen sah. In tiefster Weise regte ihn dann der sonst wenig
erfreuliche und erspriessliche Aufenthalt in Venedig an. Der Zauber der
Lagunenstadt, der ihm wie einst Platen entgegenwinkte, musste ihm
manche öde Stunde des leidigen Hauslehreramtes in einer deutschen
Kaufmannsfamilie ersetzen. Indessen fand er doch Zeit, in den trau-
lichen Räumen der Bibliothek von San Marco zu arbeiten und den mittel-
alterlichen Beziehungen der Republik mit Deutschland forschend nach-
zugehen. So entstand gleichsam als Gelegenheitsschrift eine Abhandlung
„De commercio quod inter Venetos et Germania© civitates aero medio
intercessit“. Er hat selbst die Entstehungsweise charakterisiert: „Da

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