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F. Ed. Schneegans

sorgt in Klöstern leben und sich’s gut sein lassen, während Andere, wie
er selbst, betteln und „pain ne voient qu’aux fenestres“. Die Zeit war
zu ernsterem Studium wenig geeignet. Infolge des endlosen Krieges
mit England und innerer Zwistigkeiten herrschte furchtbare Not und
Verwilderung der Sitten im Lande, die Alain Chartier die kraftvollen,
wenn auch rhetorisch gefärbten Klagen einflösst, durch die Desesperance,
eine Figur des allegorischen Tractates „Consolation des trois Vertus“,
den Dichter zum Selbstmord zu treiben versucht: „La chevalerie de ton
pays est perie et morte, les estudes sont dissipees, le Clergie est dispers
et vague et opprime et la regle et moderation de honnestete ecclesiastique
est tournee avecques le temps en desordonnance et dissolution. Les
citoiens sont despourveuz d'esperance et descognoissans de seigneurie
par l’oscurte de ceste trouble nuee. Ordre est tournee en confusion et
Loy en desmesuree violence. Juste seigneurie et honneur deschiet,
obeissance ennuie, patience fault, tont tombe et fond en abisme de ruine
et de desolation.“ Q ln der Umgegend von Paris trieben sich wilde
Banden herum, so dass die Ile de France „estoit toutte peuplee de gens
pires que ne furent oncques Sarrazins“ (Journal d’un Bourgeois de Paris
a. 1440). Das Universitätsviertel war der Tummelplatz einer unruhigen,
bunt zusammengewürfelten Boheme und die „tavernes“ des Quartier
Latin der Versammlungsort von Studenten, Dirnen, sittenlosen Priestern,
zu denen sich Diebe und Verbrecher gesellten. Häufige Konflikte zwischen
der Universität und der Regierung, Unterbrechungen der Vorlesungen
und Predigten, durch die die Universität die weltliche Macht zur Wah-
rung ihrer Privilegien zwang, führten zu offenem Aufruhr unter den
Studenten. Gerade die Jahre 1451- 53 waren besonders stürmisch, reich
an tragi-komischen Ereignissen, die wir aus Gerichtsverhandlungen vom
Jahre 1453 2) in ihren Einzelheiten kennen. Wir erfahren, dass die
Studenten, die mit der Polizei in offenem Streite lagen, sich grober
Ruhestörungen schuldig machten und die Polizei wegen willkürlicher
Verhaftungen, Beleidigung des Rektors der Universität und Gewalttätig-
keit von der Universität verklagt wurde. Die Studenten hatten sich
eines Ecksteins, der vor einem wohlhabenden Bürgershaus stand und
vom Volkswitz als Pet-au-Diable bezeichnet wurde, bemächtigt und ihn
in ihrem Quartier aufgepflanzt. Der Polizei, die den Stein in die Cite
fortgeschafft - hatte, wurde er gewaltsam entrissen und auf dem „Mont

1) Oeuvres de Maistre Alain Chartier par Andre Du Chesne. Paris 1617
S. 275 f.

2) Ausg. von Longnon Einleit. S. XXXV—LIII.
 
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