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Brodersen, Kai; Wink, Michael [Hrsg.]; Bartram, Claus R. [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Vererbung und Milieu — Berlin [u.a.], 45.2001

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4063#0229

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Gespenst der Vererbung, Moira des Milieus

Über Schicksalsphobien im Drama und Roman

des literarischen Naturalismus

VON SANDRA KLUWE

Kurzzusammenfassung

Auf die bedrohliche Aussicht einer schicksalshaften Fremdbe-
stimmung durch Vererbung und soziales Umfeld reagierte der
literarische Naturalismus mit dem Versuch, die Gesetze der
Genetik und die Erkenntnisse der Milieutheorie mantisch-
hermeneutisch auszudeuten und in einer voluntaristischen, von
der Geniepoetik Nietzsches beeinflussten Aneignung zum Sujet
einer Heils- bzw. Unheils-Geschichte zu machen, die der frag-
würdig gewordenen Willensautonomie fiktiven Spielraum ver-
schaffte. Die (traum)symbolische Verarbeitung von Schicksals-
ängsten, die in den Romanen Emile Zolas, aber auch in den
Dramen des skandinavischen und deutschen Naturalismus be-
gegnet, deckt das archaische Substrat der Moderne auf und deu-
tet auf die Notwendigkeit eines .komplexen', um die Kompo-
nenten der Mythopoiesis und des Symbolismus erweiterten
Naturalismus-Begriffs.

Weissagung und Deutung des Schicksals als ursprüngliche Aufgaben

des Dichtertums

Verschiedentlich ist in der Forschung die Ansicht geäußert worden, das
Drama und der Roman des literarischen Naturalismus basierten auf einer
Wiederbelebung des antiken Schicksalsglaubens in Gestalt der Determinan-
ten Vererbung und Milieu. Freilich ist diese Einschätzung latent dekonstruk-
tivistisch, denn im Grunde konnte dem „naturaliste", d.h. dem als moderner
 
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