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Brodersen, Kai; Wink, Michael [Editor]; Bartram, Claus R. [Editor]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Editor]
Heidelberger Jahrbücher: Vererbung und Milieu — Berlin [u.a.], 45.2001

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4063#0089

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Begabung und Lernen:
Zur Entwicklung geistiger Leistungsunterschiede

VON FRANZ EMANUF.L WEINERT

Kurzzusammenfassung

Die klassische Alternative, ob Lernen und unterschiedliche Intel-
ligenzleistungen durch die Natur festgelegt sind und/oder durch
gezielte ßildungseinflüsse entstehen, ist nicht zugunsten einer der
beiden Seiten der Alternative zu unterscheiden. Um einem wenig
aufschlussreichen „sowohl ... als auch ..." zu entkommen, wird
anhand von 3 Langzeitstudien mit exakten statistischen Metho-
den gezeigt, dass man bezogen auf Lernen und Intelligenzleistung
von einer großen Stabilität kognitiver Merkmalsdifferenzen aus-
zugehen hat, die durch zusätzliche Bildungsanstrengungen nicht
zu kompensieren sind. Der pädagogischen Utopie einer Egali-
sierung unterschiedlicher Intelligenzleistungen durch eine Bil-
dungsoffensive, wie man sie in den 60er Jahren propagierte, ist
ebenso eine Absage zu erteilen wie den (jenen als naturwüch-
sigen Anlagen und den soziokulturellen Unterschieden die
alleinige Verantwortung zuzuweisen, was in den 90er Jahren
Herrnstein und Murray in den USA zu belegen suchten.

Manche werden die Überschrift dieses Beitrags für anmaßend halten, ist sie
doch mit dem Titel eines Buches identisch, das vom Deutschen Bildungsrat
vor genau dreißig Jahren veröffentlicht wurde. L;s hat das deutsche Schulsys-
tem bis heute nachhaltig beeinflusst. Einige der in diesem Band enthaltenen
Gutachten dienten nämlich als wissenschaftliche Begründung oder Rechtfer-
tigung für revolutionäre Veränderungen des Bildungswesens. Diese Über-
sicht analysiert die Diskrepanz zwischen pädagogischer Utopie und prakti-
scher Wirklichkeit.

Der damalige Vorsitzende der Bildungskommission im Deutschen Bil-
dungsrat, Karl Dietrich Erdmann, kennzeichnete schon in seinem Vorwort
die neue bildungstheoretische Vision: „Wenn für die Erfüllung jeweiliger
 
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