Darwinismus und Soziologie -
Zur Frühgeschichte eines langen Abschieds'
VON UTA GERHARDT
Kurzzusammenfassung
Der Beitrag schildert die Entwicklung der soziologischen Theo-
rie von Herbert Spencer, der die Grundlagen des Sozialdarwi-
nismus legte, zu Talcott Parsons, der - mit Bekenntnis zu Max
Weber - eine Soziologie jenseits des Sozialdarwinismus endgül-
tig verwirklichte. Mit Parsons vollendete sich schließlich jener
„lange Abschied" der Soziologie vom Sozialdarwinismus, der
zugleich ein Abschied vom Positivismus und vom Glauben ä la
Auguste Comte war, dass die Soziologie eine Dreiheit aus Wis-
sen, Planung und Kontrolle verkörpere (Comte: „Savoir pour
prevoir, prevoir pour regier"). Indem die moderne Soziologie
solchen naiven Wissenschaftsglauben als ideologische Grund-
lage von Zwangsherrschaft und Anomie entlarvt hat, hat sie sich
vom Sozialdarwinismus endgültig emanzipiert.
Einleitung
Als der Philosoph und Soziologe Herbert Spencer in den frühen neunziger
Jahren des neunzehnten Jahrhunderts eine Neuausgabe seines Werkes The
Principles of Ethics (ursprünglich 1879) vorbereitete, schrieb er ein neues
Vorwort. Dort kam er auf die darwinistische Evolutionslehre zu sprechen.
Insbesondere „the doctrine of .Natural Selection'" war, wie Spencer wusste,
durch Charles Darwins 1859 erschienenes erstes Hauptwerk On the Origin of
Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races
in the Struggle for Life Auslöser einer dramatischen Umwälzung im wissen-
schaftlichen Weltbild geworden. Nun behauptete Spencer: „The doctrine of
Für hilfreiche Kommentare danke ich Alexia Arnold, Bianca Blass und Knut Eming. Für die
Fotografien in den Abbildungen 2 und 3 danke ich dem Ferdinand-Tönnies-Archiv,
Universität Kiel, und der Universitätsbibliothek Wien sowie - für elektronische Übermitt-
lung - Helge Carstens.
Zur Frühgeschichte eines langen Abschieds'
VON UTA GERHARDT
Kurzzusammenfassung
Der Beitrag schildert die Entwicklung der soziologischen Theo-
rie von Herbert Spencer, der die Grundlagen des Sozialdarwi-
nismus legte, zu Talcott Parsons, der - mit Bekenntnis zu Max
Weber - eine Soziologie jenseits des Sozialdarwinismus endgül-
tig verwirklichte. Mit Parsons vollendete sich schließlich jener
„lange Abschied" der Soziologie vom Sozialdarwinismus, der
zugleich ein Abschied vom Positivismus und vom Glauben ä la
Auguste Comte war, dass die Soziologie eine Dreiheit aus Wis-
sen, Planung und Kontrolle verkörpere (Comte: „Savoir pour
prevoir, prevoir pour regier"). Indem die moderne Soziologie
solchen naiven Wissenschaftsglauben als ideologische Grund-
lage von Zwangsherrschaft und Anomie entlarvt hat, hat sie sich
vom Sozialdarwinismus endgültig emanzipiert.
Einleitung
Als der Philosoph und Soziologe Herbert Spencer in den frühen neunziger
Jahren des neunzehnten Jahrhunderts eine Neuausgabe seines Werkes The
Principles of Ethics (ursprünglich 1879) vorbereitete, schrieb er ein neues
Vorwort. Dort kam er auf die darwinistische Evolutionslehre zu sprechen.
Insbesondere „the doctrine of .Natural Selection'" war, wie Spencer wusste,
durch Charles Darwins 1859 erschienenes erstes Hauptwerk On the Origin of
Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races
in the Struggle for Life Auslöser einer dramatischen Umwälzung im wissen-
schaftlichen Weltbild geworden. Nun behauptete Spencer: „The doctrine of
Für hilfreiche Kommentare danke ich Alexia Arnold, Bianca Blass und Knut Eming. Für die
Fotografien in den Abbildungen 2 und 3 danke ich dem Ferdinand-Tönnies-Archiv,
Universität Kiel, und der Universitätsbibliothek Wien sowie - für elektronische Übermitt-
lung - Helge Carstens.