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Pfetsch, Frank R. [Editor]; Bubner, Rüdiger [Editor]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Editor]
Heidelberger Jahrbücher: Konflikt — Berlin, Heidelberg [u.a.], 48.2004 (2005)

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.2229#0173

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164 Andreas Paul

re."3 Und dass dieser „Kampf ums Dasein am heftigsten zwischen Individuen
derselben Art" toben musste, war ebenfalls klar: Schließlich sind sie es, die im
Allgemeinen auch dieselben Bedürfnisse und Ansprüche an ihre Umwelt ha-
ben.4

Um Missverständnissen vorzubeugen, erklärte Darwin auch gleich, was er
mit dem berüchtigten Schlagwort vom „Kampf ums Dasein" meinte: „Es sei
vorausgeschickt, dass ich die Bezeichnung ,Kampf ums Dasein' in einem
weiten metaphorischen Sinne gebrauche, der die Abhängigkeit der Wesen
voneinander, und was noch wichtiger ist: nicht nur das Leben des Individu-
ums, sondern auch seine Fähigkeit, Nachkommen zu hinterlassen, mit ein-
schließt."5

Keine Rede also von einem unerbittlichen Kampf aller gegen alle,„mit Zäh-
nen und Klauen, blutigrot", bei dem nur der Stärkste überlebt. In Darwins
„Kampf ums Dasein" ist für Kooperation, gegenseitige Hilfe und Altruismus
durchaus Platz, und Darwin war sich sehr wohl darüber klar, dass „sociale
Thiere einander manche kleinen Dienste" leisten6 und womöglich sogar „ein
Gefühl der Liebe zueinander" empfinden.7 Aber in einer Welt, in der der evo-
lutive Erfolg eines Gens nur davon abhängt, dass es sich selbst nützt - und
nicht etwa seinem Träger oder gar dem „Gemeinwohl",8 einer Welt, in der die
Maximierung der eigenen genetischen Fitness das Lebensprinzip ist, auf das
alle Organismen von Natur aus eingestellt sind,9 sind Konflikte vorprogram-
miert: Konflikte zwischen Individuen, Konflikte zwischen Gruppen, Konflikte
zwischen Geschlechtspartnern,10 Konflikte zwischen Eltern und Kindern"
und sogar Konflikte zwischen Genen ein und desselben Genoms.12

Konflikte aus evolutionsbiologischer Perspektive zu betrachten, soviel wird
aus dieser Aufzählung deutlich, ist ein weites Feld, das hier nur ansatzweise
beackert werden kann. Konflikte haben den Gang der Evolution in vieler Hin-
sicht beeinflusst und beispielsweise wohl auch dazu beigetragen, dass das
menschliche Gehirn dreimal größer ist als das unserer nächsten lebenden
Verwandten, der Schimpansen.13 Insofern mag man Konflikte durchaus - frei
nach Goethe - als Kraft bezeichnen, die stets das Böse will und doch auch
Gutes schafft. Die destruktive Kraft von Konflikten, deren Unausweichlichkeit
daher rührt, dass Lebewesen Ressourcen brauchen - um zu leben, um zu

3 Ebd., 102.

4 Ebd.,n6f.

5 Ebd., ioi.

6 Darwin 1992 [1871], 110.

7 Ebd., 112.

8 Hamilton 1963.
* Voland 2000.

10 Trivers 1972.

11 Trivers 1974.

12 Hurst 1992.

13 Dunbar 1998.
 
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