Einblicke in die Psychologie des Konflikts:
Zwischen Trivialität und Subtilität
KLAUS FIEDLER UND THOMAS HAAR
Was erwartet die breite Leserschaft eines solchen interdisziplinären Buches
von dem Thema „Psychologie des Konflikts?" - Ganz im Sinne der üblichen
Rolle, die die Psychologie in der Öffentlichkeit und in der populären Literatur
spielt, erwartet man wohl in erster Linie Erklärungen für alle bekannte, be-
deutsame, unüberwindliche, pathologische Konflikte, die uns alle bewegen:
Kampf der Geschlechter, religiöse oder militärische Auseinandersetzungen,
Interessenkonflikte in Sachen Geld, Macht und Ehre, Konflikte in Partner-
schaften oder vielleicht den seelischen Kampf zwischen „Über-Ich" und „Es"
im Unbewussten. Dabei erwartet genau genommen niemand wirklich von der
Psychologie eine nachhaltige Klärung oder Lösung solcher Konflikte oder
eine Erziehung zum besseren Umgang oder ein Werkzeug zur gerechten und
effektiven Konfliktlösung. Vielmehr wissen alle, dass es ein Patentrezept zur
Lösung dieser „ewigen", niemals endenden Konflikte nicht geben wird und
nicht geben kann und dass, wenn eines dieser Probleme wirklich einmal
gelöst wird, sofort ein anderes nachwächst.
Was man von Psychologen wirklich verlangt, ist daher in erster Linie Inter-
pretation und Kommentar, eine Umschreibung der Phänomene in psycholo-
gisch anmutenden Begriffen wie „Wettstreit der Gefühle", „Ressentiments ge-
genüber fremden Rassen", „Intoleranz", „Hass", „Unvereinbarkeit der Ziele",
oder „mangelnde Selbstkontrolle". Dass besonders Gefühle und unkontrol-
lierbare emotionale Impulse unter diesen Begriffen vorkommen, ist kein Zu-
fall und passt ebenfalls zum öffentlichen Bild der Psychologie. Eine wissen-
schaftliche Erklärung des menschlichen Verhaltens in solchen Konflikten -
etwa vergleichbar einer Kausalerklärung in der Physik - ist dabei kaum vor-
stellbar. Bestenfalls soll eine treffende verbale Analyse eine „Illusion der intel-
lektuellen Kontrolle" erzeugen, die beruhigend wirken kann.
Diese Erwartungshaltung soll in dem vorliegenden Kapitel nicht erfüllt
werden. Wir werden uns nicht mit brennenden politischen (Irak) oder öko-
nomischen (Globalisierung) Konflikten beschäftigen, die historisch einzigar-
tig sind und im Zentrum des Interesses stehen. Stattdessen werden wir versu-
chen darzulegen, dass es bei aller Einzigartigkeit der brisantesten Konflikte
durchaus nomologische Gesetzmäßigkeiten gibt, die sich auch kausal er-
Zwischen Trivialität und Subtilität
KLAUS FIEDLER UND THOMAS HAAR
Was erwartet die breite Leserschaft eines solchen interdisziplinären Buches
von dem Thema „Psychologie des Konflikts?" - Ganz im Sinne der üblichen
Rolle, die die Psychologie in der Öffentlichkeit und in der populären Literatur
spielt, erwartet man wohl in erster Linie Erklärungen für alle bekannte, be-
deutsame, unüberwindliche, pathologische Konflikte, die uns alle bewegen:
Kampf der Geschlechter, religiöse oder militärische Auseinandersetzungen,
Interessenkonflikte in Sachen Geld, Macht und Ehre, Konflikte in Partner-
schaften oder vielleicht den seelischen Kampf zwischen „Über-Ich" und „Es"
im Unbewussten. Dabei erwartet genau genommen niemand wirklich von der
Psychologie eine nachhaltige Klärung oder Lösung solcher Konflikte oder
eine Erziehung zum besseren Umgang oder ein Werkzeug zur gerechten und
effektiven Konfliktlösung. Vielmehr wissen alle, dass es ein Patentrezept zur
Lösung dieser „ewigen", niemals endenden Konflikte nicht geben wird und
nicht geben kann und dass, wenn eines dieser Probleme wirklich einmal
gelöst wird, sofort ein anderes nachwächst.
Was man von Psychologen wirklich verlangt, ist daher in erster Linie Inter-
pretation und Kommentar, eine Umschreibung der Phänomene in psycholo-
gisch anmutenden Begriffen wie „Wettstreit der Gefühle", „Ressentiments ge-
genüber fremden Rassen", „Intoleranz", „Hass", „Unvereinbarkeit der Ziele",
oder „mangelnde Selbstkontrolle". Dass besonders Gefühle und unkontrol-
lierbare emotionale Impulse unter diesen Begriffen vorkommen, ist kein Zu-
fall und passt ebenfalls zum öffentlichen Bild der Psychologie. Eine wissen-
schaftliche Erklärung des menschlichen Verhaltens in solchen Konflikten -
etwa vergleichbar einer Kausalerklärung in der Physik - ist dabei kaum vor-
stellbar. Bestenfalls soll eine treffende verbale Analyse eine „Illusion der intel-
lektuellen Kontrolle" erzeugen, die beruhigend wirken kann.
Diese Erwartungshaltung soll in dem vorliegenden Kapitel nicht erfüllt
werden. Wir werden uns nicht mit brennenden politischen (Irak) oder öko-
nomischen (Globalisierung) Konflikten beschäftigen, die historisch einzigar-
tig sind und im Zentrum des Interesses stehen. Stattdessen werden wir versu-
chen darzulegen, dass es bei aller Einzigartigkeit der brisantesten Konflikte
durchaus nomologische Gesetzmäßigkeiten gibt, die sich auch kausal er-