Konflikt und Konfliktmanagement
aus evolutionsbiologischer Perspektive
ANDREAS PAUL
Kampf findet immer statt, wo mehrere nach
gleichem Ziele streben; bei den Affen vergeht
aber sicher kein Tag ohne Streit und Zank.
ALFRED E. BREHM 18831
Einleitung
„Kein Tag ohne Streit und Zank": das mag übertrieben sein - selbst wenn
man zugeben muss, dass viele Primaten nicht eben konfliktscheu sind. Auch
dass „Kampf immer stattfindet, wo mehrere nach gleichem Ziele streben", ist
nicht ganz richtig: Manche Konflikte lassen sich auch anders lösen - oder zu-
mindest so weit entschärfen, dass Eskalationen vermieden werden können.
Dass aber Konflikte zum Leben dazugehören, ist wohl eine Binsenweisheit.
Nur ist es vielleicht nicht ganz so offensichtlich, dass dies eine unausweichli-
che Folge eines einfachen biologischen Prinzips ist. Charles Darwin hatte es,
inspiriert von Robert Malthus, mit seinem berühmten Elefantenbeispiel deut-
lich gemacht.
Elefanten gehören nicht zu den Tieren, die sich durch eine besonders
schnelle Vermehrung auszeichnen. Im Gegenteil: Sie werden erst spät - im Al-
ter von acht bis zehn Jahren - geschlechtsreif, haben eine Tragzeit von fast
zwei Jahren und bringen im Durchschnitt nur alle vier Jahre ein einziges Jun-
ges zur Welt. Und dennoch müsste es, rechnete Darwin 1859 vor, im „Verlauf
von 740 bis 750 Jahren etwa 19 Millionen Elefanten als Abkömmlinge eines
Paares geben".2
Diese „erstaunlich rasche Vermehrung", zu der sogar eine sich so langsam
reproduzierende Art wie der Elefant in der Lage ist, führte zu einer ebenso
logischen wie unerbittlichen Schlussfolgerung: „Der Kampf ums Dasein
ist die notwendige Folge des stark entwickelten Strebens aller Lebewesen, sich
zu vermehren", da sonst „kein Land das Erzeugte zu ernähren imstande wä-
Brehm 1883,48.
Darwin 1963 [1859], 103; die Daten, die in Darwins Berechnung eingingen, waren nicht alle ganz richtig,
am prinzipiellen Ergebnis ändert dies aber nichts.
aus evolutionsbiologischer Perspektive
ANDREAS PAUL
Kampf findet immer statt, wo mehrere nach
gleichem Ziele streben; bei den Affen vergeht
aber sicher kein Tag ohne Streit und Zank.
ALFRED E. BREHM 18831
Einleitung
„Kein Tag ohne Streit und Zank": das mag übertrieben sein - selbst wenn
man zugeben muss, dass viele Primaten nicht eben konfliktscheu sind. Auch
dass „Kampf immer stattfindet, wo mehrere nach gleichem Ziele streben", ist
nicht ganz richtig: Manche Konflikte lassen sich auch anders lösen - oder zu-
mindest so weit entschärfen, dass Eskalationen vermieden werden können.
Dass aber Konflikte zum Leben dazugehören, ist wohl eine Binsenweisheit.
Nur ist es vielleicht nicht ganz so offensichtlich, dass dies eine unausweichli-
che Folge eines einfachen biologischen Prinzips ist. Charles Darwin hatte es,
inspiriert von Robert Malthus, mit seinem berühmten Elefantenbeispiel deut-
lich gemacht.
Elefanten gehören nicht zu den Tieren, die sich durch eine besonders
schnelle Vermehrung auszeichnen. Im Gegenteil: Sie werden erst spät - im Al-
ter von acht bis zehn Jahren - geschlechtsreif, haben eine Tragzeit von fast
zwei Jahren und bringen im Durchschnitt nur alle vier Jahre ein einziges Jun-
ges zur Welt. Und dennoch müsste es, rechnete Darwin 1859 vor, im „Verlauf
von 740 bis 750 Jahren etwa 19 Millionen Elefanten als Abkömmlinge eines
Paares geben".2
Diese „erstaunlich rasche Vermehrung", zu der sogar eine sich so langsam
reproduzierende Art wie der Elefant in der Lage ist, führte zu einer ebenso
logischen wie unerbittlichen Schlussfolgerung: „Der Kampf ums Dasein
ist die notwendige Folge des stark entwickelten Strebens aller Lebewesen, sich
zu vermehren", da sonst „kein Land das Erzeugte zu ernähren imstande wä-
Brehm 1883,48.
Darwin 1963 [1859], 103; die Daten, die in Darwins Berechnung eingingen, waren nicht alle ganz richtig,
am prinzipiellen Ergebnis ändert dies aber nichts.