Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfetsch, Frank R. [Editor]; Bubner, Rüdiger [Editor]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Editor]
Heidelberger Jahrbücher: Konflikt — Berlin, Heidelberg [u.a.], 48.2004 (2005)

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.2229#0185

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
176 Andreas Paul

Dass der Begriff „Versöhnung" angemessen und die an ihn geknüpfte Er-
wartung gerechtfertigt ist, lässt sich experimentell nachweisen: Bietet man
zwei Javaneraffen in geringer Entfernung jeweils ein Fläschchen mit süßem
Sirup an und provoziert dann einen Streit zwischen ihnen, traut sich der Un-
terlegene kaum noch neben dem Dominanten zu trinken. Erlaubt man beiden
aber im Anschluss an den Streit freundliche Interaktionen auszutauschen,
schwindet die ängstliche Zurückhaltung des Unterlegenen ebenso wie die ag-
gressive Stimmung des Dominanten: Der emotionale Zustand der Beteiligten
hat sich verändert, ihre kurzfristig gestörte Beziehung ist wieder im Lot.57

Natürlich finden nicht nach jedem mit aggressiven Mitteln ausgetragenen
Konflikt Versöhnungen statt. Wer sich mit wem wie häufig versöhnt, ist von
Art zu Art sehr unterschiedlich. Die durch ausgesprochen despotische (d. h.
streng asymmetrische) Rangbeziehungen gekennzeichneten Rhesusaffen
(Macaca mulatta) und Japanmakaken (Macaca fuscata) sind beispielsweise
sehr viel weniger versöhnungsbereit als die nahe verwandten Bartaffen {Ma-
caca silenus) oder Tonkeana-Makaken {Macaca tonkeana), die sich durch ei-
nen vergleichsweise egalitären Dominanzstil auszeichnen.58 Auch für Japan-
makaken hat es allerdings längerfristige Konsequenzen, wenn sich zwei
Streithähne nicht versöhnen: Noch zehn Tage nach einer Auseinandersetzung
scheint ihre Beziehung - gemessen an der Abnahme freundlicher und der Zu-
nahme aggressiver Interaktionen - „vergiftet", während sich nach einer Ver-
söhnung eine solche Verschlechterung der Beziehung nicht einstellt.59

Warum sich verschiedene, noch dazu nahe miteinander verwandte Arten
in ihrer Versöhnungsbereitschaft und ihrem gesamten Konfliktmanagement
unterscheiden, ist bislang nicht vollständig klar. Klar ist allerdings, dass jede
Kontaktaufnahme nach einer aggressiven Auseinandersetzung auch das Risi-
ko birgt, dass der Konflikt erneut aufflammt. Damit können die potenziellen
Kosten eines Versöhnungsversuches höher sein als der Nutzen einer erfolg-
reichen Versöhnung, und es erscheint zumindest plausibel, dass das Risiko ei-
ner erneuten Attacke in einer despotischen Gesellschaft höher ist als in einer
vergleichsweise egalitären Gesellschaft.

Unterschiede in der Versöhnungshäufigkeit zwischen Individuen dersel-
ben Art lassen sich prinzipiell mit dem gleichen Argument erklären: Ob es
sich lohnt, sich zu versöhnen, hängt von der Art der Beziehung ab, die zwei In-
dividuen haben. Aus Darwins Theorie lässt sich hier eine eindeutige Vorher-
sage ableiten: Wesen, die voneinander abhängig sind, sollten eine erhöhte Ver-
söhnungsbereitschaft zeigen. Diese auch als „Valuable Relationship Hypothe-
sis" bekannte Hypothese wird durch zahlreiche Befunde gestützt.60 Ein Bei-

Cords 1992.

Thierry 2000; zum Begriff des „Dominanzstils" siehe de Waal 1989.

Koyama 2001.

Aureli et al. 2002.
 
Annotationen