Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1898 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 77 - 100 (1. April 1898 - 30. April 1898)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42069#0381

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint täglich
sonntags ausgenommen.
Preis
Wit Familienblättern
, , monatlich 50 Pf.
lrei in's Haus gebracht.
^Urch die Post bezogen
„ ,vierteljährl. 1.25
^schließlich Zustellgebühr.
^Phon-Anschluß Nr. 82.
Xr. 83.


Insertionsgebühr
15 Pf. für die Ispaltige
Petitzeile oder deren Raum-
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

Erßks Klatt. Samstag, den 9. April

1898.

Des Osterfestes wegen erscheint die
Wachste Nummer am Dienstag. _
Ostern.
„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden belebenden Blick."
Die herrliche Stimmung des Goethe'schen Osterspazier-
Ukges senkt sich beim Klange der Osterglocken in alle
^enschxiihxrzxn. Grüne Spitzen an den Bäumen, ein erstes
Mützen an den Hecken, Alles drängt dem warmen, strah-
enden Sonnenkuß entgegen in neuer Auferstehungsfreude!
smd während rings die Natur das Fest des Wiederer-
^"chens ihres AUbesiegers, ihres freundlichen Königs, des
^nzes, ftiert mit Blühen und Singen, schauen die Menschen
?"! jenes stille Grab im Garten vor den Thoren Jerusa-
^s; und den gläubigen Augen zeigt sich der Engel sitzend
M dem gehobenen Stein und redet zu den trauernden
fallen: Was suchet Ihr den Lebendigen bei den
Eodten.
Der große Menschenfreund, der unter armen Fischern
Ml See Tiberias seine Jünger suchte und auf Flügeln des
Mistes und der Liebe die große stolze Welt eroberte, steht
Mhrljch auf in den Herzen der höchsten irdischen Ge-
hopse, der Menschen, wenn rings alles Geschaffene neue
^aseinsfreude athmet. So ist das Osterfest, das die Natur
ihr Beherrscher, der Mensch, zusammen begehen in
wiger Freude, das schönste, das allgemeinste der Feste.
M des Heidenthums grauer Vorzeit grüßt in diesen Tagen
Mich geschmückt der Geist unserer Väter, aus dem Osten
Grüber tönt uns die frohe Kunde von der Ueberwindung
Es Todes, und um uns zeugt alles für ein Wachsen und
Nutzen und Gedeihen im Frieden . . .
§ , An solchen Tagen sollen wir nicht hadern nm kleines
e>d. Sind doch diese Frühlingstage das wahre Geburts-
est der geistigen wie der körperlichen Welt, in der wir
Men. Doppelt aber dankbar müssen wir sein, wenn wir
Es Frühlings unter dem Himmelsstrich einer Heimath
.^Hastig werden, in der cs nicht immer blüht und singt,
? der aber der Lenz als ein schöner, munterer Knabe,
Irlich und verschwenderisch nach kargem, ernstem Winter,
^Er Muren und Wälder seine Gaben streut und das ewige
Wunder vollendet . . . Aus blauem Himmel lacht die
^uhliugssonne. Mögen ihre Strahlen nicht nur Strom
Büche vom Eise befreien. Auch in der Menschenbrust
es kalte und finstere Winkel; dahin scheine befreiend
"d erlösend die strahlende Ostersonne.
, . Nun ruht das hastende Leben und Treiben. Der Char-
^tag hat unsere Blicke nach dem Kreuze auf Golgatha
?Elenkt, und geboren viel hundert Jahre nach dem Tode
großen Menschenfreundes haben wir doch Alle unter
.'Estin Kreuze gestanden, in Gedanken den schönen Worten
E2 Dichters folgend:
O wandert nicht mit Hut und Stabe
Zu Gottes Wieg' und Gottes Grabe,
Kehrt ein in Euch und findet da
Sein Bethlehem und Golgatha.
. Heute aber stehen wir im blühenden Garten Josephs
Arimathia. Der Stein ist vom Grabe gewälzt; das
^°en hat den Tod besiegt und der Herr wird auf dem
Ege nach Emaus seinen Jüngern entgegeukommen . .
»> Allen aber, die heute durch die grünende, neuerwachte
»tur in rechter Osterfreude pilgern und sich den weichen
k khlingswind auch befruchtend über die guten Saaten im
>Erzen streichen und von dem Ostersonnenschein das Edle
"er Brust erwecken lassen, denen ist er noch heute be-
gnet der von den Tobten Auferstandene, und hat sie be-
»O.bt und gesegnet.

Die Note der Großmächte und die Antwort
Mac Kinleys.
Washington, 7. April. Die Vertreter Englands,
Frankreichs, Deutschlands, Oesterreichs, Italiens und Ruß-
lands statteten dem Präsidenten Mac Kinley im weißen
Hause einen Besuch ab. Der englische Botschafter über-
reichte im Namen der Vertreter der übrigen Mächte folgende
Note:
Die unterzeichneten Vertreter sind gehörig ermächtigt, im
Namen ihrer Regierungen einen dringenden Appell an die Ge-
fühle der Humanität und der Mä ß i g un g des Präsidenten
der Vereinigten Staaten und des amerikanischen Volkes bei den
gegenwärtigen Differenzen mit Spanien zu richten. Sie hoffen
lebhaft, daß neue Unterhandlungen der beiden betheilig-
ten Regierungen zu einer Verständigung führen werden,
welche, indem sie die Erhaltung des Friedens sichert, alle noth-
wendigen Bürgschaften für die Wiederherstellung der Ordnung
auf Kuba gewähren wird. Die Mächte zweifeln nicht, daß der
selbstlose, rein humanitäre Charakter ihrer Vorstellungen von der
amerikanischen Nation vollkommen anerkannt und gewürdigt
werde.
Präsident Mac Kinley erwiderte:
Die Regierung der Vereinigten Staaten erkennt die Gefühle
guten Willens an, von denen die freundschaftliche Mittheilung
der Mächte eingegeben ist, und die in der von Eueren Excellenzen
überreichten Adresse zum Ausdrucke gelangen. Die Regierung
theilt die darin ausgedrückte Hoffnung, daß das Ergebniß der
gegenwärtigen Lage aut Kuba die Aufrechterhaltung des
Friedens zwischen den Vereinigten Staaten und Spanien sein
werde, die erreicht werde mit Hilfe der nöthigen Garantien
für die Wiederherstellung der Ordnung auf Kuba und für die
Beendigung des chronischen Unruhezustandes der Insel, der
den Interessen der amerikanischen Nation so vielen Abbruch thut
und ihre Ruhe bedroht durch die Natur und die Folgen des
vor unseren Thoren unterhaltenen Kampfes, und der außerdem
die Humanitätsgefühle der Nation empört. Die Regierung
würdigt den Humanitären und uniuteressinen Charakter der Mit-
theilung der Mächte, sie ist überzeugt, daß die Mächte die selbst-
losen und aufrichtigen Bemühungen der Vereinigten Staaten
würdigen werden, eine Pflicht der Menschlichkeit zu erfüllen, in-
dem sie der Lage ein Ende setzen, deren unbegrenzte
Verlängerung unerträglich ist.
Die Vertreter der Mächte begaben sich hiernach nach
dem Staatsdepartement, wo sie mit dem Staatssekretär
Sherman und dem stellvertretenden Sekretär Day Be-
ratung pflogen.
Mac Kinley hofft also einerseits auf die Aufrecht-
erhaltung des Friedens, andererseits betont er, daß Amerika
der unerträglichen Lage in Kuba ein Ende setzen werde.
Das ist aber eben die große Frage, wie diese beiden Dinge
mit einander in Einklang zu bringen sind.
Heute wird die Lage wieder etwas ungünstiger ange-
sehen; namentlich fällt auf, daß der nordamerikanische
Gesandte in Madrid stark auf die spanische Regierung
drückt. Am Montag wird Mac Kinley sich mit einer
Botschaft an die parlamentarische Repräsentanz des ameri-
kanischen Volkes wenden. Der Inhalt dieser Botschaft, so
glaubt man allgemein, wird für die Entschedung der
Frage, ob Krieg, ob Frieden, maßgebend sein.
Deutsches Reich.
Berlin, 8. April.
— Der Abgeordnete Freiherr v. Hertling, der
einzige bayerische Centrumsabgeordnete, der für die Marine-
vorlage gestimmt hat, ist wegen dieser seiner Stellungnahme
heftig angegriffen worden. Er veröffentlicht deshalb eine
lange Erklärung, die wir in der Köln. Volksztg. abgedruckt
finden. Der erste Abschnitt dieses Schriftstückes lautet:
Ich bin als einziger bayerischer Abgeordneter Mitglied der
Budgetkommission gewesen und habe in derselben die Darlegungen
des Kontreadmirals Tirpitz gehört, welcher unter Bezugnahme auf
das Gesetz vom 1. Juli 1893 betreffend den Verrath militärischer
Geheimnisse gemacht wurden. Ich habe ans demselben die Ueber-
zeugung geschöpft, daß eine bessere Vertheidigung unserer Küsten,

und zwar mit Hilfe einer Schlachtflotte, schlechterdings erforderlich
ist. Wie ich in einer Sitzung der Centrumsfraktion erklärt habe,
will ich die Verantwortung nicht mit übernehmen, wenn infolge
ungenügender Vertheidigungsmittel zur See die Gefahr einer feind-
lichen Invasion, einer Blokade unserer Häfen, einer Bombardirung
unserer Seestädte näher gerückt würde. Sodann aber war ich der
Meinung, daß bei der gewaltigen Entwickelung des deutschen See-
handels, welche in erster Linie den Seehandelsplätzen, demnächst
den Jndustriecentren und damit Millionen von Industriearbeitern,
indirekt aber auch dem ganzen Vaterlande zu gute kommt, sowie
bei dem energischen Wettbewerb der am Seehandel betheiligten
großen Staaten unter einander eine achtunggebietende deutsche
Kriegsflotte nicht zu entbehren ist, und die zur Zeit vorhandene
hierfür nicht ausreicht.
— Die Nordd. Allg. Ztg. meldet: Nach einem Tele-
gramm des stellvertretenden Landeshauptmanns inDeutsch-
Südwestafrika trug die Schutztruppe unter Major
Müller am 26. Februar am Grootberge über die aufstän-
dischen Hottentotten im Norden des Schutzgebietes einen
entscheidenden Erfolg davon. Der Feind floh in der Rich-
tung auf Zeehsfontein. Demnächst ergaben sich die Zwart-
booi-Hottentotten am 20. März. Die Führer und 90 be-
waffnete Mann nebst einer Anzahl Kinder fielen in die
Hände der Sieger. Die Gefangenen sind nach Windhoek
gebracht.
— Den Berliner Politischen Nachrichten zufolge ist die
Zuckercon ferenz auf den 7. Juli d. I. nach Brüssel
einberufen.
— Der Zuzug italienischer Arbeiter war noch
in keinem Jahre so stark wie in diesem. Täglich treffen
größere und kleinere Trupps dieser Leute in München ein,
welche zum Theil auch an den Rhein und nach Nord-
deutschland, sogar bis nach Schleswig-Holstein Weiterreisen.
Baden. Karlsruhe, 7. April. Die Justizkom-
mission der Zweiten Kammer hat den von der Ersten
Kammer schon angenommenen Gesetzentwurf, die geschlos-
senen Hofgüter betr., durchberathen und dabei den § 2,
wonach der Eigenthümer eines bäuerlichen Anwesens in den
höheren Gebirgslagen, sowie in den nach Boden- und Klima-
verhältnissen ungünstiger gelegenen Gegenden befugt sein soll,
dasselbe mit Genehmigung der zuständigen Verwaltungs-
behörde unter bestimmten Voraussetzungen zum geschlossenen
Hofgut zu erklären, einhellig abgelehnt. — Dieselbe Kom-
mission hat das Gesetz, betr. den Ersatz des Wildsch adens,
mit unwesentlichen Aenderungen angenommen; insbe-
sondere wurde die Bestimmung gutgeheißen, daß die Ver-
pflichtung zum Ersatz des Wildschadens auch dann eintritt,
wenn der Schaden durch jagdbare Thiere anderer als der
in Z 835 B. G.-B. bezeichneten Gattungen angerichtet wird.
Danach kann in Baden also auch für den durch Hasen
angerichteten Schaden Ersatz verlangt werden. Die Frist
für die Anmeldung des Wildschadens wurde von 3 (wie
der Regierungs-Entwurf wollte) auf 8 Tage erhöht.
— Auf der Kandidatenliste für die Erzbischofs-
wahl sollen alle Namen gestrichen worden sein bis auf
Bischof Dr. Komp und Pfarrer Knörzer in Heddesheim
(Amt Weinheim), dessen Bruder früher Staatsanwalt in
Konstanz war.
Karlsruhe, 7. April. Dem Bad. Beob. zufolge wird
die Inthronisation des Herrn Erzbischofs Dr. Komp
am Donnerstag 12. Mai stattfinden.
8. 0. Karlsruhe, 8. Februar. Die Großh. Regie-
rung ist in der günstigen Lage, auch im gegenwärtigen
Staatsvoranschlag die Einnahmen aus der Domänen-
verwaltung wieder mit einem höheren Betrage einzu-
stellen, als er im Budget für die Jahre 96/97 vorgesehen
war. An Einnahmen sind vorgesehen 18 981 932 Mk.;
an Ausgaben 11 412 992 Mk. Die ertragsfähige Wald-
fläche ist von 91173 Hektar im Jahre 1895 auf 91624
gewachsen, die Nntzungsmasse von 529 090 Festmeter auf

Das Romanfeutlleton findet der Leser im heutigen

Aus dem Kunstverein.
jx-O Heidelberg, 9. April. Wer Vergleiche zwischen einst und
n„o,'sNkherer „romantischer" Auffassung der Natur und heutiger
W»Dminkter aber vielfach ehrlicherer und wahrerer Auffassung
ijjlMn will, der vertiefe sich in die Frühlingsbilder aus der
Eh. Campagna, die jetzt im Kunstverein ausgestellt sind.
sezj Schöpfer, Hermann Baumeister von Karlsruhe, durch
hj„ E Ausbildung zunächst auf Ingenieur- und Bauwissenschaften
kei2 Eien, erfreute den hiesigen Kunstverein schon früher durch
gemalte Ansichten aus italienischen Bauten, denen der
ko^Ecksame Beschauer wohl anmerken konnte, daß weniger die
ME"""" und decorativen Formen, als der Zauber von Licht
tzH.siUKbe das Herz des Künstlers erfüllten. Es folgten, ein
^em weiter in die Natur, Tiroler Bilder, noch ungleich an
iedks».' ,°ber schon hervorragend durch das Geschick, mit dem
^ie n /in wirkliches „Bild" erfaßt und wiedergegeben war.
»Unke?Esten Campagnabtlder brechen ganz mit dem Ausgangs-
. Künstlers und führen uns rückhaltslos in das freie
küt N "?.u Licht und Farbe. Früher durchzogen die Künstler
ifliikim.be im Herbst und Winter die Campagna; überzog der
Felsen Capri's oder die braungoldenen Tuffflächen
den- „ hlit seiner grünen Decke, dann verlor sich die Form,
^eier die Landschaft Salat", wie's hieß, nur noch zur
Kinüi sicher Küustlerfeste zog mau in die Campagna, aber
>°iidsu>^?^dalette gehörten dem Atelier, der Vedute oder Höhen-
M der Binnenländer.
ktzi das anders geworden: was früher abschreckte, wird
Unst,E'kcht, und mit entsagungsvoller Mühe vertieft sich oer
Probleme, die früher überhaupt nicht gestellt wurden.
ihren IsEr die Frühliugscampagna und die Randgebirge mit
sinm Pinien und Cypressen umstandenen Villen wirklich
wd sich des Künplers freuen, der es wagt, auch diese
Tarbenlwwmlichen Typus italienischer Landschaft abweichende
k»sero "ehe auf seinen Carton zu zwingen. „Wüßten doch
-Naler, wie das italienische Grün wirklich aussieht," sagte

i einmal Franz Dreber, und übermalte eine große Sabinerland-
schaft dreiundzwanzigmal, weil das Grün ihm immer noch nicht
der Wirklichkeit zu entsprechen schien. Baumeister möchte uns
zeigen, wie es wirklich aussiekt und zeigt's vielfach mit Glück,
wenn auch nicht immer: die Steineichen z. B. sind thatsächlich
im Frühling noch dunkler und demgemäß muß auch unter ihnen
ein noch tieferer Schatten lagern. Außerordentlich glücklich sind
fast durchweg die Bilder gewählt; jedes gewährt eine in sich
abgeschlossene Vorstellung, einzelne, namentlich die Teiche der
Villa d'Este, die reizenden Ansichten aus der durch Richard Voß
auch uns Deutschen vertrauten Villa Falconieri über Frescati,
manche der Ausblicke auf die weißleuchtende ewige Stadt werden
auch Denjenigen erfreuen, der noch gewohnt ist, beim Anschauen
eines Bildes zunächst dem Gegenständlichen seine Aufmerksam-
keit zuzuwenden. Nicht der „ewig blaue" Himmel Italiens,
nicht die geschminkten Beleuchtungseffekte mit obligater Staffage
„entzücken" uns hier, wohl aber gewinnen wir Achtung vor dem
Künstler, der die gebrochenen Töne wolkendurchzogener Land-
schaft, die schwüle im Februar und März so oft die Atmosphäre
beherrschende Sciroccostimmung treu wiederzugeben sich redlich
bemüht, mit viel Talent und recht oft mit entschiedenem Glück.
Was ec malt, ist wirklich Italien.

Berliner Brief.
O Berlin, 6. April.
Das bisherige beliebte Mitglied des „Heidelberger Stadt-
theaters", Herr Eugen Frank, hat soeben als „Leander" in
Grillparzer 's „Des Meeres und der Liebe Wel-
l e n" sein Debüt in der Reichshauptstadt mit allen Ehren be-
standen. Die Aufführung des unsterblichen Werkes (am Goethe-
theater) als Gesammtleistung war vortrefflich, insbesondere hatte
Herr Frank in Frl. Marianne Wulf als „Hero" eine
Partnerin, wie er sie sich besser kaum hätte wünschen können.
Den erhabenen, gottbeseelten Kampf der Priesterin gegen die er-
wachende, ihr Inneres bedrängende Liebe, das allmähliche willen-
lose Vergehen nach dem Tode des Geliebten hatte die Künst-
lerin trefflich herausgearbeitet. Wie vorauszusehen war, zeigte

Hr. Frank nicht die geringste Befangenheit. Kernige, frische,
aus dem Ganzen schöpfende und die Rolle als Voll-Charakter
gestaltende Auffassung kennzeichnete die prächtig abgerundete
Leistung des unermüdlich strebenden Künstlers, der mehrmals
hervorgerufen wurde. Möge dieser erste Erfolg ein gutes Omen
für die Berliner Theaterlaufbahn des Herrn Frank sein!
Aus der Unsumme von Konzerten, die in den letzten zwei
Wochen stattgefunden haben, dürfte für das Heidelberger Publi-
kum von gewissem Interesse ein Novitätenabend sein, der von
dem Komponisten, Musikschriftsteller und Baritonisten Herrn
Ern st Otto Nod nagel veranstaltet wurde, um den Kompo-
sitionen des Großh. Hess. Kirchenmusikmeisters Arnold
Mendelssohn aus Darmstadt zu der ihnen zukommenden
Verbreitung zu verhelfen. Unter Mitwirkung von Frau Prof.
Schmidt-Köhne und dem in seiner eigenartigen Persönlich-
keit ungemein interessanten Sänger-Schauspieler, Herrn Dr.
Ludwig Wüllner aus Köln, gelangten eine größere Anzahl
von Liedern verschiedener Art und Stimmung — Romanzen,
Wiegenlieder und Balladen — zu Gehör, welche in Arnold
Mendelssohn einen äußerst begabten Komponisten erkennen lassen.
In einer Dueltscene aus dem Musikdrama der „Bärenhäuter"
kommt das heiter-melodische, parodistische Talent, seine hervor-
ragende Fertigkeit im musikalischen Dialoge zur Geltung — da-
neben tritt in einigen ausgewählten Scenen aus dem zweiaktigen
Musikdrama „Elise" seine mindestens ebenso starke Begabung
für ernst-dramatische Seelengemälde zu Tage. Freilich brachte
Hr. Dr. Wüllner mit der ihm wie in diesem Grade wohl keinem
lebenden Konzertsänger eigenen Durchdringungs- u. Jndividuali-
siruugskunst jede Note der Meudelssohn'schen Musik so voll zum
Ausdruck, daß die Kunst des Reproduzireudeu die Schöpfung des
Komponisten fast verklärte. Andererseits konnte das Klavier die
vielverschlungenen und doch ungemein durchsichtigen Gewebe der
instrumentalen Begleitung — trotz der vortrefflichen pianistischen
Fertigkeit des Tondichters — nuc recht unvollkommen zur Dar-
stellung bringen. Jedenfalls gehört Arnold Mendelssohn — das
bewies auch der Beifall des nicht sehr zahlreichen, aber zumeist
aus Musikern und Kritikern bestehenden Auditoriums — zu den.
musikalischen Größen unserer Zeit, seine Musik hat entschieden
 
Annotationen