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Heiberg, Johan L.
Geschichte der Mathematik und Naturwissenschaften im Altertum — München, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.23924#0095
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VI. Geographie und beschreibende Naturwissenschaft

85

seine Geographie angegriffen zuhaben; aber Polybios kritisiert sie scharf,1
und der Astronom Hipparchos2 verwarf die ganze Grundlage der era-
tosthenischen Karte und forderte für alle Ortsbestimmungen astronomische
Beobachtungen. Er teilte den Meridian vom Äquator zum Pol in 90 Grade
und bestimmte soweit möglich die astronomischen Verhältnisse (rag yivoixhag
ev rolg ovgavioig diaqogäg xa&' exaorov rfjg yfjg tojtov, rd nag exdoroig (patvojueva,
Strabon II 34) für jeden der durch die Teilungspunkte gezogenen Parallel-
kreise und unterwarf auch im einzelnen die Sphragiden des Eratosthenes
einer eingehenden Kritik. Als weitere Vorarbeit für eine Reform der Karten-
zeichnung verfaßte er ein Verzeichnis der beobachteten Finsternisse (Pli-
nius, Nat. bist. II 54).

3. Daß dies alles nur Vorarbeiten waren, und daß zur Verwirklichung
seiner idealen Forderungen viel Zeit und vieler Hände Arbeit nötig waren,
darüber ist Hipparchos sich natürlich klar gewesen; er hatte aber den Bogen
zu hoch gespannt, und man wandte sich zunächst von der mathematisch-
astronomischen Geographie ab: seine streng wissenschaftlichen Arbeiten
wurden nicht fortgesetzt. Sein Zeitgenosse Seleukos aus Seleukeia war
noch Theoretiker; er gab nach dem Vorgang des Pytheas3 die richtige
Erklärung von Ebbe und Flut und verteidigte die Ansicht des Aristarchos
von der Sonne als Zentrum der Welt und die des Herakleides Pontikos
von der Unendlichkeit des Raumes,4 beides gegen die herrschende Meinung.
Aber die umfangreichen geographischen Werke eines anderen Zeitgenossen
Agatharchides aus Knidos blieben ganz im Fahrwasser der ethnographi-
schen Periegese,5 und die Fecaygacpov/neva des Artemidoros aus Ephesos
müssen nach den Fragmenten6 wesentlich den Charaktar eines TiegiTiAovg
gehabt haben: er kritisiert gern den Eratosthenes,7 ebenso wie Polybios,
und hatte wie dieser8 weite Reisen gemacht; beide stehen offenbar im
Banne der nüchternen römischen Denkweise, die nur für den praktischen
Nutzen der Geographie Verständnis hat und der wissenschaftlichen Seite
fremd gegenüber steht.

AVenn hierin im I. Jahrh. eine AVendung eintrat, ist das Poseidonios
zu verdanken, der als Lehrer auf Rhodos und durch seine Schriften, die
in Gegensatz zu denen der älteren Stoiker populär-rhetorisch geschrieben
waren, einen großen Einfluß, auch bei den Römern, ausübte (oben S. 57).
In seinem Buch liegt (bxeavov9 hatte er die Beobachtungen, die er auf
weiten Reisen gemacht, verwertet sowohl zu ethnographischen Schilderungen
als für Fragen der physischen Geographie, wie die Erklärung von Ebbe
und Flut, worin er sich an Seleukos anschloß,10 und die Zonenteilung,11
deren Geschichte er gab; den Erdumfang berechnete er zu 240000 Stadien,12

1 Strabon II 4, 2—4; VII 5, 9.

2 H. Berger, Die geographischen Frag-
mente des Hipparch, Leipzig 1869.

3 Diels. Doxographi 8. 383, 4 ff.

4 Ebd. S. 383. 26 ff.; 328, 4 ff. Strabon
III 5, 9.

6 Geogr. Gr. min. I S. 111 ff.
6 Stiehle. Phil. XI (1856) S. 193 ff.
» Strabon III 2.11: 4,7: 5.5: XVII 3,
2 n. 8.

8 R. v. Scala, Die Studien des Polybios
I (Stuttgart 1890) S. 6 f.

9 Fragmin, hist. Gr. III S. 277 ff.
111 Strabon III 5, 8—9.

11 .Strabon II 2, 2 ff.; Kleomedes I 6.

12 Seine Methode, die &rtXovazsQa als die
mathematische des Eratosthenes sei, be-
schreibt Kleomedes 110. Nach dem aus-
drücklichen Zeugnis Strabons (II 2, 2) hat
er den Erdumfang zu 180000 Stadien an-
 
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