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Heidelberger Familienblätter — 1875

DOI Kapitel:
No. 79 - No. 87 (2. October - 30. October)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43706#0354

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Langſam ſah Egon ſich im Zimmer um und ſagte
ruhig: „Das iſt nicht glaubwürdig. Eine Dame, deren
Salon ſtets geöffnet, deren Einrichtung fürſtlich, deren
Eauipage ſelbſt den Neid der hohen Finanzwelt heraus-
fordert, darf nicht über Mittelloſigkeit klagen. Machen
wir die Sache kurz. Ich reiſe, habe mich im Club ſchon
verabſchiedet, ich bin nicht begierig, dem Grafen hier ent-
gegen zu treten. Er war in Italien, wenn nun der

Name Sametzki dort noch nicht vergeſſen wäre? Wenn

er in einer oder der anderen Stadt unſer dortiges Leben
erführe?“ —

„Du irrſt,“ ſagte haſtig Eugenie, „wenn du glaubſt,
daß Leo von dieſer möglichen Kenntniß Gebrauch machte.
cellenz. Ich bin zu alt für die junge Muſik, das iſt
der wahre Grund; ſchaffen Sie mir einen zweiten Mo-

Er war ſtets ein zu ritterlicher Character, als daß er

unſere Stellung hier untergraben würde.
Egons Augen ſprühten Flammen, ſeine Hände ball-
ten ſich zuſammen, und nur mühſam ſeiner gebietend
ſagte er drohend:
„So kannteſt du ihn und ſcheuteſt nicht zurück ihn
zu betrügen? Auf ſeinen Stolz, auf ſeine Ehre bauteſt
du den Plan deiner Rache, du kannteſt den feſten Grund,
der dich ſtützen würde? Beim ewigen Gott, es bleibt
ewig wahr: wenn ein Weib fällt, ſo fällt es ſtets tiefer
als der Mann.“ ́f—f—f——
Eugenie lehnte bleich im Seſſel und ihre Augen
haßerfüllt auf Egon richtend, wollte ſie ſeine Rede unter-
brechen, doch wehrte er ſie ab, indem er fortfuhr
„Eben ſo wahr iſt es auch, daß als du hierher

gingſt, um dein Glück zu machen, ich nicht ahnte, daß
der Schwager Leo's dazu auserleſen war, deiner Rache

zu dienen.“
„Ich fand es natürlich, daß du deinem Auftreten
hier des Grafen Abweſenheit abwarteſt, aber mein

Schrecken, als ich deine Wahl erfuhr, muß dir geſagt
haben, wie wenig ich mit dir übereinſtimmte. Ich will
nichts mehr von dir. Ich will verſuchen irgendwo das

armſelige Leben zu friſten, das du einſt, in ungezähmtem

Leichtſinn mit dir herabzogſt in den Schmutz. Ich gehe
zu deinem Gatten, ihm irgend einen haltbaren Grund

für meine Abreiſe zu ſagen. Lebe wohl, ich bedarf deiner

Hülfe ferner nicht.“ —
Als die Thür ſich hinter ihm geſchloſſen, athmete

Eugenie auf, die Augen finſter nach der Thür werfend,

durch welche Egon geſchritten, flüͤſterte ſie leiſe: „Gut,
daß er geht, er ſtand mir ſchon lange im Wege Zu
ſchwach zu allem, was mir nützen konnte, iſt es beſſer,

wir ſind getrennt.“ ö

„Zwei Jahre alſo hat der geſtrenge Herr Graf ge-
braucht, um ſich an den Gedanken zu gewöhnen, daß die

einſt von ihm verſtoßene Braut nun ſeine Schwägerin
geworden. — — O, wenn ich jener Zeit gedenke, ſeines
kalten ſpottenden Blicks gedenke, empört ſich, noch heute

mein Blut. Und ich ſollte mich nicht rächen? Ich ge-

lobte es mir damals, daß wenn unſere Wege je wieder
zuſammenführten, ich mich, wenn möglich, rächen würde.
Die Gelegenheit bot ſich — ich habe nur Wort gehalten.“
„Sie ſchellte ihrer Jungfer, um die Abendtoillette zur
heutigen muſikaliſchen Ed zu beginnen.

ö „Kommen Sie Excellenz, ich habe hier einen herr-
lichen Lauſchwinkel für uns aufgefunden,“ ſagte Kammer-
herr von Wangen zum Hofmarſchall und füͤhrte denſelben
in ein ſeitwärts gelegenes Kabinet, wo ihnen von An-
dern unbemerkt doch die Ausſicht in den Concertſaal frei
blieb. „So, hier hören wir der edlen Muſika und des
Singſangs noch genug.“
„Sie ſind ein Barbar,“ lächelte der Hofmarſchall,
ließ ſich aber ſehr wohlgefällig in den Seſſel fallen, den
Wangen ihm zurecht geſtellt.

Felten nicht,“ meinte i
große Mittel verfügen.“

„Was wollen Sie, Excellenz,“ erwiderte Wangen,
„ich habe geſtern wieder pflichtgemäß den Tanhäuſer
hören wüſſen und mich gefragt, wie ich armes Menſchen-
kind dazu komme, mit den Ohren der Gegenwart dieſe
Zukunftsmuſik zu bewundern. Ich bitte Sie, iſt unſere
Zeit⸗ nicht reich genug, können wir uns nicht genügen

laſſen? ö
Kammerherr von Wangen, aus Ihnen ſpricht der

Neid⸗ würde Hoheit Prinzeſſin Sidonie ſagen,“ ant-

wortete der Hofmarſchall. „Warum ſind Sie denn über-
haupt gekommen, lieber Wangen, wenn Sie die Muſik
nicht lieben ? · ö
„Ich die Muſik nicht lieben ? Sie verleumden, Ex-

zart, Weber, Gluck, Spontini, Beer und wie ſie alle
heißen, die Meiſter, die es verſtanden, Muſikgelehrte und
Nichtgelehrte zu bezaubern, dann ſollen Sie ſehen, ob ich

die Muſik liebe. Gekommen bin ich, um etwas erzählen

zu können, wenn meine Hoheit mich morgen gndig fragt,

was es in der Stadt Neues gibt.“

„Nun neu ſind grade die Feſtlichkeiten bei Freund
er Hofmarſchall. „Er muß über

„OVas iſt wohl außer Zweifel,“ verſicherte Wangen,

„er ſelbſt war ſchon ein reicher Mann, nun noch das

Vermögen ſeiner Frau. —“
Fortſetzung folgt.)

Bie Enthüllung des Steindenkmals in Berlin.

Das Preußenland und ſeine Hauptſtadt hatten am
26. Oet. einen Ehrentag zu verzeichnen. Nach vielem
Ringen und Mühen iſt man dazu gelangt, die Reihe der
Stan bbilder großer und verdienter Patrioten, welche Ber-
lins Plätze zieren, um ein Denkmal für den verewigten
Staats⸗Miniſter von Stein zu vermehren. Den übrigen
Helden der Freiheitskriege ſind längſt Erzbilder in Berlin
errichtet, und heute erſt beſitzen wir ein Stein⸗Denkmal!
Nun aber hat ſich das Preußenland mächtig entfaltet, das
Deutſche Reich iſt erſtanden, Preußen hat ihm ſeinen
Kaifer wiedergegeben und im Rathe der Völker führt er
ſeine gewichtige Stimme. Da wird es Zeit, das Denk-
mal eines Patrioten zu errichten, der in ſchweren Tagen
den Grundſtein legen half zu dem heute herrlich empor-
ſtrehenden Bau; der, ſeiner Zeit um viele Jahrzehnte
vorauseilend, damals die Richtung angab: Nach innen
einig und frei, dann ſind wir nach außen ſtark! Es iſt
gut, daß ſich das Standbild erhebt an einem der beleb-
teſten Plätze Berlins, auf daß man mitten im lärmenden
Gewühl des Tages ſich bewußt wird, dieſe Richtung nie
aus' dem Auge verlieren zu dürfen. *** ö
Achtzehn voller Jahre hat es gebraucht, bis die Er-
richtung. des Stein⸗Denkmals zu Berlin von der erſten
Anregung zux Ausführung gefördert wurde. Der Ge-
danke ging von Landtagsmitgliedern und Bewohnern der
Provinz Weſtfalen aus. Im Auguſt 1857 wurde der
erſte Aufruf zu einem Stein⸗Denkmal erlaſſen. Im Jahre
1858 gründeten Vertreter aller acht preußiſchen Provinzen

in Gemeinſchaft mit der Stadt Berlin einen Central-

Verein für dieſen Zweck. Der Verein ließ durch eine
Deputation eine Adreſſe an den König dem Prinzen von
Preußen überreichen, welcher Förderung der Angelegenheit
zuſagte. Inzwiſchen wurde dem Verein auf die Adreſſe
der Beſcheid, der König babe ſeinerſeits dem Profeſſor
Rauch die Ausführung des Denkmals übertragen. Unter-
deſſen hatten ſich aber die Mittel des Vereins anſehnlich
 
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