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Heidelberger Familienblätter — 1875

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No. 88 - No. 95 (3. November - 27. November)
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eidelberger Familienblätter.

Belletriſiſche Beilage zur deidelberger Zeitung.

W SS

1878.

Bie Rachbarskinder.
Novelle von Pauline Eccardt. —

Cortſetzung.)

„Woher wiſſen Sie, daß die Frau Vermögen hat“

fragte Beniheim.

Wangen ſah ihn betroſſen an. „Glauben Sie es

nicht, Excellenz?“
„Ich möchte es gern,

aber wenn man, wie ich, Freund

Felten ſeit den zwei Jahren ſeiner Verheirathung be-
obachtet hat, dann ſteigen doch einige Zweifel auf. Er

iſt ſehr verändert.“

„Das läßt ſich freilich nicht leugnen,“ antwortete
Wangen mit ziemlich verlängertem Geſicht. „Aber der
Geheimrath iſt kein Neuling im Leben. Freilich war

ſeine Heiraih etwas übereilt, indeß hat er bis heut wohl
noch nicht Urſache gehabt, ſie zu bereuen.“
VIch will es wünſchen,“ ſagte Bentheim. „Uebrigens
mein Theurer bin ich Ihnen für dies allerliebſte Retiré
ſehr verbunden, und noch vortrefflicher würde ich es fin-
den, wenn Sie auch materiell für uns geſorgt.“
„Verzeihen Sie einen Augenblick, Excellenz,“ erwiderte
Wangen, und eilte hinauuss.
Der Hofmarſchall ſah aufmerkſam in den Saal und
beobachtete die dort verſammelte Geſellſchaft. Es ſchien,
als ſuchten ſeine Augen einen Gegenſtand, eine
Perſon, die ſie bisher nicht gefunden. Da wogte
Alles durcheinander, das Muſikſtück war beendet und
jetzt gewahrte er auch einen jungen Mann, der ſich
bald hier, bald dort eifrig unterhielt. Der ſo aufmerkſam
Verfolgte näherte ſich, gleichſam magnetiſch angezogen,
der Kabinetsthür und gehorchte einem Wink des Hof-
marſchalls um unbemerkt zu ihm einzutreten.
„Was, Excellenz, hier ſo abgeſondert? und ich ſehe
nach Ihnen aus, wie der Bräutigam nach der Braut.“
„Hſt, hſt, machen ſie mich nicht bemerkbar, Fedor,‚“
warnte Bentheim, „ich werde mich bald zurückziehen,
ſpäter mögen Sie ſagen, daß ich hier war und daß Sie

mich geſprochen. Sagen Sie, iſt es wahr, was mir

Wangen erzählte und was er von Ihnen haben will:
Kehrt Graf Waldburg in den nächſten Tagen von ſeiner
Reiſe zurück?ꝰ“ ö
„Morgen, Excellenz.
vor acht Tagen in Paris, und da der Graf ſtets ein
Mann von Wort, ſo darf ich hoffen, ſie morgen zu
begrüßen.“
SSie reiſten ja wohl lange mit ihnen ?“ fragte Bent-
heim, und ſuchte durch Ton und Blick der Frage keine
Wichligkeit beizulegen. ö
„Das heißt, wir trafen zweimal zuſammen,“ ant-
wortete Fedor und »glättete den Handſchuh an ſeiner
Hand. Dann, zum Hofmarſchall aufblickend, und dort
zwei ſcharf fragenden Augen begegnend, fuhr er
lächelnd fort:
„Ich ſehe, Excellenz, dieſe kurze Antwort genügt
Ihnen nicht, und Sie ſind ein zu alter Freund unſeres
Hauſes, als daß ich anſtehen könnte, ohne Rückhalt zu
Ihnen zu ſprechen. Als ich vor dritthalb Jahren Peters-

Mittwoch, den . November.

Ich verließ die Herrſchaften

burg verließ, geſchah es im Unmuth, weil Kaiharina

Durnoff mir einen Korb gegeben. Wir ſeien Beide noch
zu jung, meinte meine Tante, und Katharina zog ſich
ſtolz zurück. In der Schweiz, in Geuf ſah ich auf Spa-
ziergängen eine reizende junge Dame, welcher vorgeſtellt
zu werden mir nicht gelang, da ſie noch ein Penſions-
feäulein war, welches ſich jedoch ſpäter als des Grafen

Waldburg Nichte, Leopoldine von Felten entpuppte.“
„Wären wir damals, wo wir uns eben gefunden,
nicht ſogleich wieder getrennt worden — wer weiß —

was geſchehen wäre! Nach Petersburg zurückgekehrt,
fand ich bei meiner Tante, der ich, als ihr Erbe, doch

einige Rückſicht ſchuldig war, den alten Starrſinn. Sie

behauptete nach wie vor, daß ich meines Herzens noch
nicht ſicher ſei, eine rührende Fürſorge, welche ich aller-

dings nur dem mäßigen Vermögen Katharinens zu ver-
danken habe. Dieſe hatte jedoch, den Wünſchen ihrer
Familie entgegen, noch keine Wahl getroffen, und wenn
ich nicht fürchten müßte, als eitel verlacht zu werden, ſo
möchte ich hoffen, daß dies Zöͤgern zu meinen Gunſten
ſpricht. Leugnen kann ich jedoch nicht, daß dies erneute
Wiederſehn mein Herz mit aller Macht ergriffen, und
Fräulein von Feltens Bild etwas hat erbleichen laſſen,
daß als ich ſie in Italien wiederfand, mich von ihr mit
freundlichem Gleichmuth empfangen ſah, mein bis dahin
getheiltes Herz ſich wieder zuſammen fand und der alten
Liebe Treue gelobte.“
Lächelnd drohte Bentheim mit dem Finger, „wer ſich
darauf verlaſſen wollte! Warum reiſen Sie wieder?
Was wollen Sie hier?“ ö
„Meine Reiſe iſt diesmal officiell, das heißt, meine
Tante forderte ſie. Kehre ich nach Jahresfriſt mit den-
ſelben Geſinnungen heim, ſo will ſie ihre Einwilligung
nicht nur nicht länger verſagen, ſondern ſelbſt um meine
Braut werben. In Italien traf ich den Grafen, begleitete
ihn nach Frankreich, der Graf kehrt hierher zurück, mein
Prüfungsjahr läuft erſt in zwei Monaten ab, wo alſo
könnte ich die Zeit angenehmer verleben, als hier im
Kreiſe ſo theurer Freunde? ? ö
Hier ward die Unterhaltung durch Wangen unter-
brochen, der, von einem Diener gefolgt, welcher Flaſchen
und Gläſer trug, ſich ihnen näherte.
Fedor empfahl ſich den Herrn und kehrte zur Geſell-
ſchaft zurückk.
„Verzeihung Excellenz, ich intereſſire mich für dieſen
jungen Reußen, Sie ſcheinen ihn näher zu kennen, nimmt
er hier eine beſondere noch geheim gehaltene Stellung
ein oder ſieht er ſich die Welt zu ſeinem Nutzen und
Vergnügen an ?? *
5 Sein Vater,“ erwiderte Bentheim, „Graf Wald-
burg, mein Bruder und ich waren Univerſitätsfreunde
und haben dieſe freundſchaftliche Beziehung trotz Trennung
und verſchiedener Lebenswege zu einander aufrecht erhalten.
Fedor Waſilſchikoff hält ſich zu ſeinem Vergnügen hier
auf, ſo viel ich weiß.“
„So, ſo! — Ich freue mich, Graf Leo wieder zu
ſehen. Es iſt auch Zeit, daß er die Tochter dem Vater
endlich zurückbringt.“ —
 
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