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Heidelberger Familienblätter — 1878

DOI Kapitel:
No. 1 - No. 9 (2. Januar - 30. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43708#0044

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Capitän, die Königin⸗Großmutter Chriſtine, die königl.
Prinzeſſinnen, endlich drei Wappenherolde, welche das
kaſtiliſche Wappen trugen. Die Ceremonie war von
kurzer Dauer, es erfolgten die üblichen Fragen, wobei
der König von dem anredenden Kardinal ſtets genannt
wurde: Rey sennor Don Alfonso de Borbon y Bor-
bon rey catolico de Espanna, und die Braut wurde
apoſtrophirt: Donna Maria de Orleans y Borbon.
Nach Uebergabe der Ringe wurde das Te deum ange-
ſtimmt und die Ceremonie war zu ECnde.
Der König und ſeine Gemahlin beſtiegen im Hofe
der Atocha einen neuen glänzenden Staatswagen, der von
großen Kronen überragt war und von acht andaluſiſchen
weißen Rennern gezogen wurde, die mit Federbüſchen ge-
ſchmückt waren. Auf dem Wege von der Atocha zur
Puerta del Sol waren Kavallerie, Gendarmen, Ulanen
in preußiſchen Mützen, Jäger und Huſaren in gelb ver-
ſchnürten Dolmans aufgeſtellt. In ſechszehn Wagen,
jeder mit ſechs Pferden beſpannt, folgten die Würden-

träger des Staates; es folgte noch eine Unzahl von

Karoſſen mit dem Hofe, der militäriſchen Suite und den
Mitgliedern des Kongreſſes. Dreißigtauſend Mann
Truppen waren zur Dienſtleiſtung ausgerückt. Auf der
Puerta del Sol ward der König von einer unermeßlichen

Menge mit unrbeſchreiblichem Enthuſtasmus empfangen.

Vor dem Palais nahm hierauf der König die Parade
über die ausgerückten Truppen ab.

Verſchiedenes.

— Breslau, 35. Jan. Der achtzigſte Geburtstag
des Dichters Karl von Holtei wurde geſtern überaus
feſtlich vegangen. Um 10 Uhr Vormittags erſchien eine
Deputation des Feſtcomités, beſtehend aus dem Comman-
danten von Breslau, General-Lieutenant v. Wulffen, dem
Ober⸗Präſtdenten von Schleſien, v. Puttkammer, dem
Profeſſor Dr. Stenzler und dem Redacteur Dr. Max
Kurnik. Der Ober⸗Präſident überreichte dem Jubilar
im Auftrage des Kaiſers unter Verleſung der betreffenden
Cabinetsordre einen Orden, Die „an den Schriftſteller
Herrn von Holtei“ gerichtete kaiſerliche Kabinetsordre
„Ich habe vernommen, daß Sie am 24. d. M.
Ihr achtzigſtes Lebensjahr vollenden werden. Gern nehme
Ich Anlaß, Ihnen zu dieſem Erinnerungstage Meine
Glückwünſche zu widmen und mit denſelben in Anbetracht
der gedeihlichen Weiſe, mit welcher Sie während Ibres
reichen und bewegten Lebens durch Ihre dichteriſche
Thätigkeit auf die Culturentwicklung des deutſchen Volkes
eingewirkt haben, den erneuten Ausdruck meiner Aner-
kennung zu verknüpfen. Als beſonderes Zeichen derſelben
verleihe Ich Ihnen das Ritterkreuz des königlichen Haus-
orhens von Hohenzollern und laſſe es Mir zum Ver-
gnügen gereichen, Ihnen anbei die Decoration zu über-
ſenden. (gez.) Wilhelm.“ General⸗Lieutenant von
Wulffen richtete dann im Namen des Comites eine be-
glückwünſchende Anſprache an den Gefeierten, worin er
ihm die Miltheilung von der Begründung einer Holtei-
Stiftung machte und ihn um ſeinen Beirath zur weiteren

Fürung erſuchte. Eine Deputation, beſtehend aus dem

Landeshauptmann Regierungsrath v. Uthmann und Landes-
ſyndicus Regierungsrath a. D. Marcinowsky beglück-
wünſchte den Jubilar im Namen der. Provinz Schleſien
und überreichte ihm einen werthvollen ſilbernen Pokal.

Eine Deputarion der Stadt Breslau, beſtehend aus dem

Ober⸗Bürgermeiſter Dr. v. Forckenbeck, dem Stadtverord-
netenvorſteher Dr. Lewald, dem Stadtſchulrath Tyiel und

eine Widmung.

dem Juſtizrath Leonhard, händigte dem Dichtergreiſe eine
Gratulations⸗Adreſſe ein und eine Deputation des Vereins
Breslauer Preſſe überreichte ihm einen Lorbeerkranz und
Auch die Berliner Publiciſtik war durch

einen Glückwunſch vertreten. Die hieſige Studentenſchaft

entſandte eine Deputation und die „Breslauer Dichter-

ſchule“ eine Feſtnummer ihrer Monatsſchrift. Aus faſt
allen Gauen Deutſchlands trafen über tauſend Glück-
wünſche in Form von Kränzen, Blättern, Telegrammen
und brieflichen Zuſchriften ein und in vielen Städten
der Provinz Schleſien wurde der Tag beſonders gefeiert.
Im hieſigen Stadtiheater kam „Lorbeerkranz und Vettel-
ſtab“, im Lobetheater „Hans Jürge“, „Sie ſchreibt an ſich
ſelbſt“, und „33 Minuten in Grüneberg“, lauter Dichtungen
Holtei's zur Aufführung. In Liebich's Etabliſſement fand
eine ganz auserleſene muſikaliſche Feſtfeier ſtatt, bei welcher
Profeſſor Karl Weinhold die Jubelrede hielt. Das Portal
des Kloſters der barmherzigen Brüder, bei denen Holtei,
der übrigens Proteſtant iſt, ſich in Pflege gegeben hat,
war mit einer lateiniſchen Glückwunſch⸗Inſchrift geſchmückt.
Die größte Freude hatte Holtei, als ihn ſeine einzige, in
Graz (Steiermark) lebende Tochter — die Frau Ädvocat
Potpeſchnigg — nebſt ihrem Sohne beſuchte.

— (Vietor Emanuel und die deutſchen
Dichter.) Der nunmehr verſtorbene erſte König von
Italien ſprach nicht nur die deutſche Sprache ſehr gut,
ſondern las deutſche Dichter in der Urſprache mit Vor-
liebe. Im königlichen Schloſſe zu Turin, in Victor
Emanuels eigentlichem Arbeitszimmer, ſah man in einem
kleinen, höchſt ſimplen Bücherkaſten neben einander Schiller
und Heine; in der vertrauteſten Umgebung des Königs
wußte man, daß der Ré galantuomo nach beiden ſehr
häufig greife, beſonders nach Schiller. Denn der große
Poet hat ihn nicht nur oft genug erbaut und entzückt,
ſondern ihm einmal auch das Leben gerettet. Es war
in der Schlacht von Nobara; Victor Emanuel ſtand in
der Reihe der Vorderſten und hatte plötzlich die Empfin-
dung, einen Schutz erhalten zu haben. Sein Waffenrock
war auf der Bruſt zerfetzt, der König aber unverſehrt.
Der dicke Band des. „Wilhelm Tell“, den der damalige
Kronprinz auf dem Schlachtfelde als Lectüre mit ſich
führte und in ſeiner Bruſttaſche trug, hatte die Kugel
aufgefangen, ohne daß ſie Victor Emanuel den geringſten
Schaden zufügte. Dieſer Band — der Einband iſt gar
nicht königlich, ſondern ſieht vielmehr nach einer Leih-
bibliothek aus — ſteht gleichfalls in jenem kleinen Bücher-
ſchrein im Schloſſe zu Turin; die Kugel iſt noch ſichtbar.

— Die Aehnlichkeit der Fünfzigpfennig⸗Stücke mit
den Nickelſtücken zu 10 Pfennig hat bekanntlich ſchon ſo
manchen Schaden durch die leichte Verwechſelung gebracht.
Man glaubte neuerdings ein Schutzmittel dagegen dadurch
gefunden zu haben, wenn man bei Kurzſichtigkeit oder
mangelhafter Beleuchtung durch das Gefühl unterſchied,
daß der gerippte Rand des Geldſtücks ein 50 Pfennigſtück,
der glatte dagegen ein ſolches zu 10 Pfennig andeute.
Doch die ſchlauen Betrüger haben auch dieſer Vorſichts-
maßregel enigegengearbeitet. Ein Abgeordneter bekam
kürzlich auf einer Unterwegsſtation ein Nickelſtück als
50⸗Pfennigſtück heraus, in welches ein gerippter Rand
nachgefeilt war. Alſo Vorſicht für Diejenigen, die ſich
auf dieſes Unterſcheidungszeichen verlaſſen.

Druck und Verlag von Adolph Emmerling in Heidelberg.

Fur die Redaction verantwortlich Ad. Emmerling.
 
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