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Heidelberger Familienblätter — 1878

DOI Kapitel:
No. 1 - No. 9 (2. Januar - 30. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43708#0043

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— 35 —

und dem ſcheu ſich abwendenden Blicke der Menſchen, ſie
bildete damals den erſten Charakterzug dieſer Einrich-
tungen; welche andere Schöpfung hat der heute vor
unſerer dankbaren Erinnerung ſtehende, mit ſchöpferiſcher
Kraft und tiefem Verſtändniſſe für dieſe Heilzwecke be-
gabte Mann, Geheimrath Roller, in ſeinem arbeitsvollen
Wirken an Stelle ſo dürftiger Anfänge geſetzt! Welch'
großes, reiches, mithin Troſt und Hoffnung ſpendendes
Werk hat er zurückgelaſſen an ſeiner berühmten Stätte,
die eine Zierde unſeres Landes und ein weithin leuchten-
des Muſterbild der edelſten Beſtrebungen in einer Reihe
anderer Staaten geworden iſt. Beſſere und kundigere
Beobachter dieſer Heilgebiete werden einſt dieſes Leben
und die Fülle ſeiner Leiſtungen würdig darſtellen. Für
uns mag es heute genügen, zu erwähnen, daß er als
ein Meiſter verſtanden hat, jene dunkeln, vielfach ſo ſchwer
zu erleuchtenden Tiefen des geſtörten Bewußtſeins, zu
betrachten mit dem eindringenden Scharfblicke des realiſti-
ſchen Naturforſchers und gleichzeitig von Innen heraus
die Kranken zu erfaſſen mit den religiöſen und ſittlichen
Hülfsmitteln eines innigen Verſtändniſſes des menſch-
lichen Gemüths⸗ und Phantaſie⸗Lebens. Er gebot ſo
gleichmäßig über die reichen Schätze naturwiſſenſchaftlicher
und moraliſcher Heilmethode. In hohen Ehren hat er
ſtets die nach Erklärung der Wahrheit und Wirklichkeit
der Dinge ringende Naturforſchung gehalten und nie hat
er die hohe Bedeutung ihrer Ergebniſſe unterſchätzt.
Aber ſein tiefes Gemüth verſtand auch die Mächte echter
Religiöſität, deren Weſen nicht nach äußerlichen Maßen
und Gewichten abgeſchätzt werden kann. Er hatte an
ſich ſelbſt ihre Einflüſſe, ihre veredelnden und be-
glückenden Wirkungen erfahren und er wußte mit
ihrem wohlthuenden Geiſte die Gemüther der Leidenden zu
erquicken. So entfaltete er in der Bearbeitung der
pſychiatriſchen Wiſſenſchaft und in der richtigen Anwen-
dung ihrer Grundſätze ſeinen feinſinnigen Scharfblick und
Gemüthstiefe vereinigen den Geiſt als der hochverdiente
Arzt und zugleich als der Lehrer einer langen Reihe treff-
licher Schüler, welche ſeinen Unterricht und hohe Einſicht
hinaustrugen in alle Lande. Unter ſeiner Leitung hatte
ſich am Fuße unſerer prächtigen Schwarzwaloberge, im
prängenden Wieſengrunde von Wald und Berghängen
überragt, jene ſtille Stätte erhoben, in welcher ſich dieſes
reiche und wohlthätige Leben vollzog. Eigenthümlich war
dem ſeltenen Manne die Ausrüſtung für die verſchiedenen
Seiten ſeines ernſten und ſchweren Berufes. Milde,
Freundlichkeit, ſanfte Geduld bildeten die Grundzüge ſeines
Charakters. Aber er wußte auch durch die Autorität
eines feſten gebietenden Willens den krankhaften Wider-
ſtand zu beſiegen. So war er ganz erfüllt von der be-
fähigenden Kraft ſeines Lebens und Strebens in einer
Aufgabe, welcher nur Auserwählte in ſolcher Weiſe ge-
nügen können. Jede Stunde des Tages gehörte ſeinem
raſtloſen Arbeitsſinne und ſeiner treuen Menſchenliebe.
Wer ihn dahin gehen ſah, von Zimmer zu Zimmer die
Kranken beſuchend, mit ſtets erneuter Langmuth und Ge-
duld Hilfe und Troſt ſpendend; wer Zeuge war, wie er
die mit jedem Tage neu wachſenden Aufgaben inmitten
von treuen ihn verehrenden Berufsgenoſſen, deren Vor-
ſtand, geliebter Freund und Lehrer er war, durch wohl-
erwogene Einrichtungen und harmoniſche Einwirkungen
im Ganzen und im Einzelnen zu bewältigen wußte, —
der wird es gerechtfertigt finden, wenn wir unſeren Ver-
luſt mit der Klage verbinden, daß uns nicht ſo leicht
wieder eine gleiche Kraft, an ſeiner Stelle zu Theil wer-
den wird. Aber Eines wird er uns Allen als befruch-
tendes Vermächtniß zurücklaſſen: den ern ſren Vorſatz, ſein
Lebenswerk forthin im Segen zu erneuern, im Geiſte

ſeines menſchenfreundlichen Charakters, ſeines reichen
Geiſtes und tiefen Gemüthes unſeren Staat fernerhin die
edlen Ziele der Humanität erfüllen zu laſſen, welche dieſer
hochſinnige Mann auch den Nachkommenden vorgezeichnet
hat. So wird ihm ein Andenken zu Theil werden, das
ſeiner hingebungsvollen, aufopfernden Natur am meiſten
angemeſſen iſt. Wir Alle haben mit ernſter Erhebung
vernommen, daß unſer Landesfürſt dieſes Leben für reich
und verdienſtvoll genug erachtete, um trauernd als der
erſte Repräſentant des badiſchen Staates, am Grabe des
Geſchiedenen, zu ſtehen. Laſſen Sie uns dieſem edlen
Beiſpiele folgen: Wir wollen nie den Mann vergeſſen,
welcher ſo Großes zu Ehren unſeres Landes, im Dienſte
der Menſchenliebe geleiſtet hat! (Allſeitige Zuſtimmung.

Die ſpaniſche Königshochzeit.

Heute Vormittag (23. Januar) fand die Trauung
des königlichen Paares von Spanien in der Kathedrale
von Atocha ſtatt. Wir entnehmen einem telegraphiſchen
Bericht des „Wiener Tagbl.“ Folgendes über die Einzel-
heiten der Feier: Die Kirche war mit rothem, mit weißen
Lilien beſäten Sammt ausgeſchlagen. An vielen Punkten
waren die Löwen von Leon und die Thürme von Caſtilien
angebracht und im Chor waren die alten, den mauriſchen,
feanzöſiſchen und engliſchen Feinden abgenommenen Fahnen
aufgeſtellt. Das ſpaniſche Königsthum zeigte ſich in
ſeinem ganzen traditionellen Prunk; überall ſah man die
Wappen des Hauſes Bourbon und Orleans. Auf beiden
Seiten des Kirchenſchiffes befand ſich eine Eſtrade für
das diplomatiſche Corps, die Generale und ſonſtigen
Würdenträger des Staats. Vor dem Chore waren zwei
mit ſchweren Seidenkiſſen bedeckte Throne für den König
und die königliche Braut aufgeſtellt. Gegenüber den bei-
den Thronen hatten der Erzbiſchof von Toledo, das Ka-
pitel der Kathedrale Atocha und die Miniſter Platz ge-
nommen. Um halb 11 Uhr Vormittags trafen die
Herzoginnen von Seſto, Oſſuna, Hijar und Alba in der
Kathedrale ein; ſie trugen den Luiſenorden; ſodann die
Granden von Spanien in geſtickten Oberkleidern, Schnallen-
ſchuhen und ſeidenen Strümpfen und mit dem Degen
an der Seite. Das diplomatiſche Corps war vollzaͤhlig
erſchienen.
Um 11 Uhr betrat der Kardinal Benavides, der
Patriarch von Indien, der die Trauung vornahm, die
Kirche. Er trug die Mitra und war von ſeinem Klerus
begleitet. Man hörte von Außen Viva⸗Rufe; der König
erſchien. Er trug die Generalsuniform mit der Deco-
ration des goldenen Vließes. Vor dem Throne neben
dem Chore blieb er ſtehen und unterhielt ſich in franzö-
ſiſcher Sprache mit der Herzogin von Seſto. Beim Ein-
tritt des Königs erhoben ſich alle Anweſenden. Zehn
Minuten ſpäter erſchien die königliche Braut, begleitet
von den Infantinnen; ſie trug ein weißes Atlaskleid, das
mit Chantillyſpitzen beſetzt war, als Schmuck trug ſie
Perlen von ungewöhnlicher Größe; ſie wurde durch zwei
ſpaniſche Granden zum Throne geleitet, wobei der eine
Grande ſtrauchete und fiel. Der König grüßte ſeine
Braut und plauderte luſtig mit ihr, während die Orgel
und Poſaunen ohne weitere Begleitung den Königsmarſch
exekutirten. Die Trauungsceremonie begann. Der König
und ſeine Braut waren im Chor der Kirche, die Herzogin
von Seſto und die Prinzeſſin von Aſturien befanden ſich
neben ihnen, umgeben von den Granden Spaniens.
Außerhalb des Chores bemerkte man den Schwiegervatre
des Königs, Herzog von Montpenſier, als General-
 
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