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Heidelberger Familienblätter — 1882

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No. 44 - No. 51 (2. Juni - 28. Juni)
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Hridelberger lanilienblätter.

— Belletriſliſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

Ar. 51.

Mittwoch, den 28.

Juni 1882.

Smaragden und Saphire.
Erzählung von Maurus Jokai.

(Schluß.)

Die Ulemas erſchienen im königlichen Palaſte und be-
fahlen im Namen des oberſten Mufti, daß der König jenes
Götzenbild zeigen ſolle, deſſen Gliedmaßen aus Elfenbein,
Zähne von Perlen, Lippen aus Korallen und Augen aus
Saphiren beſtänden, und welches auf das Zauberwort
ſeines Herrn lebe und ſich bewege.
Naomer Bey brachte perſönlich die Anklage vor.
Huſſein Muley führte ſelbſt ſeine Gattin vor die Ule-
mas und nahm eigenhändig den verhüllenden Schleier von
ihrem Kopfe. Die alten Gelehrten blickten ganz betroffen
auf dieſes Wunder von Schönheit, deren Gleichen der
Prophet nur für das Jenſeits verheißt.
„Das kann kein menſchliches Weſen ſein!“ riefen ſie.
„Das iſt eine Zaubererſcheinung!“ ö
„Erkläre Dich!“ ſagte Huſſein zu ſeiner Gattin.
„Mein Name iſt Zara“, begann dieſe. „Ich bin in
Bal⸗Aſſur vor neunzehn Jahren geboren. Meine Mutter
hieß Anisz, mein Vater Haſſan und meine Amme war
Buli genannt. Ich kann ſingen, tanzen, muſiciren und
Pillav kochen. Vor vier Jahren wurde ich die Frau Huſ-
ſein Muleys. Mein Brautführer war Achmet Güzu. Mein
Vater, meine Mutter, meine Amme, mein Lehrer, meine
Brüder leben, und können bezeugen, daß ich in Wirklich-
keit Huſſein Muleys einzige, ihm geſetzlich angetraute Gattin
Zara bin.“
Die Ulemas ließen nun die genannten Zeugen der Reihen-
folge nach ſchwören, daß Zara weder eine Zauberin noch
ein Götzenbild, ſondern die eheliche Tochter von Haſſan

und Anisz ſei, ein menſchliches Weſen von Fleiſch und

Blut.

Naomer Bey war aber damit noch nicht zufrieden.

„Sie ſind ſämmtlich Betrüger, die etwas beſchwören, das
unmöglich iſt. Iſt das etwa die Farbe einer menſchlichen
Haut?“ rief er. „Oder iſt dieſer Glanz der Augen der
eines Menſchenauges? Kann dieſer Wohlklang der Stimme
einem Menſchen angehören? Unmöglich! Der König iſt ein
Zauberer und ſeine Sklaven ſind Ungläubige!“
Nun begannen die Ulemas ſich unter einander zu be-
rathſchlagen.
Da ſtellte die Königin Zara folgende Fragen an ſie:
„Was für ein Blut beſitzen die Feen?“
Der Eine ſagte: „durchſichtig weiß!“
gegen: „Blau!“ während der Dritte die Behauptung auf-
ſtellte, daß die Frauen gar kein Blut beſäßen.
Da riß plötzlich die Königin den Handſchar ihres
Gatten aus der Scheide, und zwei Finger ihrer Linken auf
den Marmortiſch legend, trennte ſie dieſelben mit einem
Schlage von der Hand ab. Dann erhob ſie die verſtüm-
melte Hand, aus deren Wunde das Blut in Strömen
herabſchoß und die Kleider der Ulemas beſpritzte, und ſagte
mit feſter Stimme:
„Seht her, mein Blut iſt roth, wie das eines jeden

Der Andere da-

anderen Menſchen! Es möge auf Euren Kleidern trocknen,
als Zeuge meiner Unſchuld!“
Erbebend ob dieſes Auftrittes, machten ſich die Ulemas
auf die Sohlen und liefen eiligſt davon, denn mit Blut
iſt nicht zu ſpaßen. Der gezähmte Löwe, wenn er Blut
ſieht, wird wild, und man konnte ja gar nicht wiſſen, ob
Huſſein Muley gezähmt ſei.
Naomer Bey hob Zara's kleinen Finger, der ihm vor
die Füße gerollt war, auf und nahm ihn mit ſich. Als
er denſelben Ali Paſcha bei ſeiner Rückkehr übergab, ſchwur
derſelbe, daß er das, was noch zu dem abgeſchnittenen
Finger gehöre, beſitzen wolle, und ſei der Preis ein
Königreich.
Der Rath der Ulemas ſprach Huſſein Muley von der
Anklage der Zauberei frei, und es ſchien nun jeder Vor-
wand zu neuen Verwicklungen verſchwunden.
Aber Naomer Bey erinnerte ſich plötzlich eines, Vor-
falles. Als nämlich Huſſein Muley auf Befehl der Ule-
mas das Antlitz ſeiner Gattin entſchleierte, da verbarg dieſe,
aus Scham erröthend, den Blicken ſo vieler Männer aus-
geſetzt zu ſein, einen Augenblick ihr Geſicht an der Bruſt
ihres Mannes, deſſen dichte lange ſchwarze Haarlocken den
Kopf ſeiner Gattin verhüllten.
Naomer ließ ſich noch einmal von Ali zu Huſſein
Muley ſenden.
„Der Befehl des Vicekönigs lautet,“ ſagte er, „daß
die Gläubigen ſich von den Ungläubigen unterſcheiden
ſollen. Nur die Abtrünnigen tragen langes lockiges Haar.
Die Gläubigen raſiren ihren Kopf und überlaſſen es den
Frauen, langes gelocktes Haar zu tragen. Von dieſem
Tage an alſo muß jeder männliche Bewohner des Landes
ſich den Kopf raſiren laſſen, widrigen Falls Ali Paſcha
ihnen mit den Haaren auch die Köpfe abſchneiden laſſen
wird.“
Huſſein Muley hörte dieſe Mittheilung mit jener Ruhe
an, mit welcher er jede Botſchaft Ali Paſchas entgegen-
nahm. Seine Antwort war ſchon längſt bereit.
„Höre, Naomer Bey!“ ſprach er zu ihm. „Seit
Jahren beſuchſt Du mich als Geſandter, als Spion, als
Narr und als Verleumder. Von Innen und von Außen
erkenne und durchſchaue ich Dich und Deinen Herrn, als
ob Ihr von Kryſtall wäret. Euren Herzen thut es wehe,
dicht in Eurer Nähe in einem glücklichen Lande glückliche
Menſchen zu wiſſen, und Ihr trachtet nur nach einem
Vorwande, unſer Glück zu zerſtören. Ihr wolltet mich
mit glänzenden Verſprechungen locken, Euch dienſtbar zu
werden — ich dankte. Ihr habt mich mit doppelter Steuer
belaſtet — ich bezahlte dieſelbe und murrte nicht. Ihr
klagtet mich der Abtrünnigkeit an, ich vertheidigte mich mit
meinem Verſtande, und griff nicht zum Schwerte. Ihr
wolltet das Antlitz meiner Gattin ſehen, — ich ertrug die
Schmach. Ihr wolltet ihr Blut ſehen — ihr Blut be-
netzte Euch. Ich weinte, doch ich klagte nicht. Doch mit
dieſen Blutstropfen war der Kelch voll, es durfte nur ein
Haar hineinfallen, um ihn fließen zu laſſen. Bei Allah
ſchwöre ich, daß ein Haar genug iſt! Nicht allein das
Haar der Männer meines Volkes werde ich Euch nicht zum
 
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