sowie über die Besoldungs und Beförderungsverhältnisse
kann jedes Postamt Auskunft geben.
* Karlsruhe, 17. Jan. Heute Nachmittag machte
der Kontorgehüfte Hurrle im Geschäfte der Herren Junker
und Ruh den Versuch, mittelst eines Revolverschusses in
die Brust seinem Leben ein Ende zu machen. Die
Verletzung soll zwar eine schwere aber nicht durchaus
tödtliche sein.
Eppelheim, 17. Jan. In Begeisterung für die
edle Sache des Gesangs haben sich die ehemaligen Mit-
glieder der längst hinübergcgangenen hiesigen Gesangvereine
„Sängerbund" und „Eintracht" aufgerafft und sind un-
längst zu einem bis jetzt noch namenlosen Gesangverein
zusammengetreten. Es ist geradezu als ein seltener und
schöner Zug zu bezeichnen, daß Männer, denen die Jahre
das Haupt bereits gebleicht haben, daß u. a. 60jährige Männer
mit seltener Hingabe sich der Sache widmen, so daß dem
Verein das günstigste Prognostikön gestellt werden kann.
Daß der, unter der tüchtigen Leitung des Herrn Lehrer
Bernhard stehende Verein nicht gerade sentimentalen Zielen
sich zuneigt, beweist schon der Text des erstgelernten Liedes,
der heißt: „Das beste Bier im ganzen Nest, gibt's bei
Margreth am Thore"; aber auch den vaterländischen Ge-
fühlen soll im Liede ernsteren Charakters Ausdruck ver-
liehen werden. Es ist daher dem jungen Verein von Herzen
zu wünschen, daß er gedeihen und blühen möge.
* Eschelbronn, 16. Jan. Gestern brannte ein dem
Gemeinderath Laule gehörender, auf freiem Felde befind-
licher Strohhaufen von ungefähr 100 Zentner gänzlich
nieder Leider ist der ruchlose Thäter — denn ein solcher
hatte seine Hand hier offenbar im Spiel — noch nicht
ermittelt. Der Schaden beziffert sich auf 200 bis 250
Mark, der Beschädigte ist jedoch versichert.
* Bon der Tauber, 17. Jan. In der Nacht von
Samstag auf Sonntag hatten wir mit 18 Grad die größte
Kälte dieses Winters.
* Oberharmersbach, 13. Jan. Gestern jagten einige
Jäger auf einen Rehbock, wobei der Treiber K. denselben
aus dem Gebüsch treiben sollte. Als der schlaue Bock die
auf ihn Lauernden bemerkte, kehrte er plötzlich um und
kam in großen Sätzen dem Treiber K. so nahe, daß dieser
kurz bedacht demselben um den Hals fiel und ihn festzu-
halten suchte; der an der Leine geführte Krummfüßler
(Dachshund) griff ebenfalls tapfer zu. So lagen alle
drei einen Augenblick kämpfend im Schnee; der Kampf
endete damit, daß der große Bock nach kräftig ausgetheilten
Tritten loskam und das Weite suchte, wobei die beiden
Zurückgebliebenen ganz verdutzt nachsahen.
* Baden, 17. Jan. Gestern Abend um 4^ Uhr
ist der Fürst von Bulgarien, Prinz Alexander von Batten-
berg auf feiner Durchreise nach Egypten zum Besuche der
Herzogin von Hamilton dahier eingetroffen. Da die An-
kunft bekannt war, hatte sich am Bahnhof eine ziemlich
große Anzahl Neugieriger eingefunden.
Darmstadt, 16. Jan. Auf dem letzten Hofball wurde
ein Gerücht colportirt, von dem man nach der „Frkf.Z." —
wenn auch mit aller Reserve — Kenntniß geben will. Hier-
nach soll sich Fürst Alexander von Bulgarken nicht, wie es
seit einiger Zeit heißt, demnächst zu einem längeren Auf-
enthalte nach Egypten begeben, sondern über Egypten nach
Indien reisen. Er soll von der Königin von England
dazu ausersehen sein, in Indien ein sehr hohes Staatsamt
zu bekleiden. Bei der letzten Anwesenheit des Fürsten in
England sollen die bezüglichen Vorverhandlungen stattge-
sunden haben. Des Fürsten Bruder, Prinz Franz Joseph
von Battenberg, der längere Zeit in Bulgarien war und
gleichzeitig mit dem Fürsten von dort zurückgekehrt ist,
werde denselben begleiten. Die „Fr. Ztg." erinnert bei
dieser Gelegenheit daran, daß vor kurzer Zeit ein englisches
war, von der Einnahme einer mäßig besoldeten Schreiber-
stelle zu ernähren. Mit einer sparsamen, vernünftig
denkenden Hausfrau würde ihm dieses vielleicht gelungen
sein, allein Käthe kannte das Wort „Einschränkung" kaum
dem Namen nach und machte sich von der Bedeutung
desselben eine sonderbare Vorstellung. Den Werth des
Geldes hatte sie seither nie schätzen gelernt, denn da jeder
ihrer Wünsche, sowie sie ihn äußerte, in Erfüllung ging,
war es ihr nie eingefallen, darüber nachzudenken- was der
Gegenstand etwa gekostet haben mochte. Es frappirte sie
z. B-, daß Thornton, da er doch jetzt ein Engagement
hatte, ihr nicht gute Tischweine hielt. Sie sah ihren
Mann mit großen Augen an, als er ihr, ihrem sehnlichen
Wunsche entsprechend, eines Tages eine Flasche alten Port-
weins brachte, der nach der Aeußerung des Weinhändlers
vorzüglich sein sollte.
„Der Wein ist keineswegs gut, Thornton", sagte sie,
„er ist nicht annähernd von der Sorte, wie wir ihn
zu Bralyn hatten. Laß mich etwas von derselben zu-
kommen."
Er vermochte ihr nur mit vieler Mühe begreiflich zu
machen, daß er sich dazu außer Stände sähe und gleiche
Schwierigkeit bereitet es ihm, sie in nothwendigeren Dingen
von seiner trüben Lage in Kenntniß zu setzen. Verzweif-
lungsvoll gab er endlich diese Hoffnung auf und reiste
weiter, um etwas Besseres zu finden.
Die Nachforschungen stellten fest, daß er sich von
Liverpool nach Chester begeben hatte und dort aus Kummer
und im Kampfe um die Existenz gefährlich erkrankt war.
Er hatte gehofft, ein reicher Mann zu werden, wenn er
die einzige Tochter eines reichen Edelmannes Heirathere
und sich statt dessen um sein ganzes Lebensglück betrogen
gesehen. Wie konnte er, ein armer, unbekannter Kompo-
nist und Musiker, ohne Freunde und Theilnahme, eine
unerfahrene, verwöhnte Lady mit ihrem früheren Glanze
umgeben,— ja, sie auch nur mit demjenigen, was sie ihrer
Ansicht nach für durchaus erforderlich hielt, versehen? Es
Blatt der Regierung den Rath gab, den Fürsten Alexander
zum Vicekönig zu machen.
* Bom Bodensee, 16. Jan. Letzte Woche gingen
in Bregenz an einem Tage 36 Waggons mit Hasen, die
für Paris bestimmt waren und aus Jnnerösterreich kamen,
durch. Jeder Waggon hatte eine Ladung von 700 Hasen,
so daß also an diesem Tage 25,200 Hasen die Reise nach
Paris unternahmen. Auch anderes Wild, wie Rehe,
Hirsche, Wildschweine werden laut „Voralb, Ztg." aus
Oesterreich nach der französischen Hauptstadt befördert.
* München, 16. Jan. Von einem Unfall auf der
Bühne berichten hiesige Blätter: Im Theater am Gärtner-
platz erhielt am Montag Abend bei der Aufführung vom
„Lachenden München" im vierten Bild „Soldatenleben"
ein Chorsänger von einem Soldaten einen Bajonettstich
in den Fuß. Der Verletzte, welcher starken Blutverlust
hatte, mußte nach Hause gefahren werden. — Wie aus
Barmen telegraphirt wird, ist unser berühmter Heldentenor
Heinrich Vogel bei einer gestern im Stadttheater stattge-
habten Aufführung von Wagner's „Rienzi" durch einen
unvorsichtigen Dolchstoß leicht verwundet worden.
* Ans Bade», 17. Jan. Der Untersee ist, wie
aus Konstanz gemeldet wird, völlig zugesroren und für
Schlittschuhläufer fahrbar. — In Mannheim wurde in
einem Tabakgeschäfte (Badenheimer und Maier) Nachts
ein Einbruch verübt. Der Kassenschrank widerstand indessen
den Oeffnungsversuchen nnd so erlitten die Besitzer nur
geringen Schaden. — In der Hartgummifabrik zu Neckarau
wurde dem Maschinenführer ein Finger völlig von der
Maschine abgerissen. — Wie in andern Garnisonsorten,
so ist auch in Freiburg eine aus Filz hergestellte
Baracke zu Lazarethzwecken, Raum für etwa 10 Kranke
enthaltend, errichtet worden. Es handelt sich hierbei um
einen Probeversuch. — Der Verein gegen Hausbettel in
Wertheim hat im Jahre 1886 an 3400 Handwerks-
burschen verabreicht.
Vermischtes.
— Berlin, 12. Jan. Die beiden Landbriefträger,
welche die täglichen Postsendungen zwischen Spandau und
Valentinswerder, Saatwinkel, Sägewerk, Salzhof, Haken-
felde u. s. w. zu bestellen haben, kann man jetzt wieder,
die Brieftasche mit den Postsendungen um die Hüften
geschnallt, auf Schlittschuhen nach den Bestellorten dahin-
sausen sehen. Es sind tüchtige Läufer, welche die prächtige,
spiegelglatte Eisfläche der Gewässer bei Spandau mit
großer Schneidigkeit durchmessen. Früher als sonst kommen
die Adressaten in den Besitz ihrer Briefe, denn die großen
Umwege auf dem festen Lande bleiben den Briefträgern
erspart.
— Minden (Wests.) 10. Jan. Mit der hiesigen
Gornisonbäckerei soll eine ausgedehnte Fabrik zur Massen-
herstellung von FLeischzwieback verbunden werden. Dieses
Nahrungsmittel, aus bestem Mehl, gehacktem Schweine-
fleisch und Gewürz bestehend, hat sich trefflich bewährt.
Es hält sich Jahre lang unverändert und liefert unter
Zusatz von Wasser in kürzester Frist eine sehr kräftige
wohlschmeckende Suppe für den Kriegsmann. Vornehmlich
soll der Fleischzwieback bei Mobilmachung und im Felde
als sogenannter eiserner Bestand mitgeführt werden.
— (Das Denkmal für die Ebernburg.j Die
Bildhauer Robert und Ludwig Caner in Kreuznach sind
gegenwärtig mit der Modellirung des „Ullrich v. Hutten-
und Franz v. Sickingen-Denkmals beschäftigt, dessen Skizze
ihr in Kreuznach verstorbener Vater, der Bildhauer Carl
Cauer, im Auftrage des mit der Leitung der Angelegenheit
betrauten Comitees entworfen hatte. Die Statuen beider
Männer sind auf einem Postamente vereinigt. Bereits
vollendet ist das Modell der „Sickingen-Statue." Die
Aufstellung der Doppelstatue soll am 21. April des Jahres
1888, als am 400jährigen Geburtstage Huttens auf der
Ebernburg, seinem ehemaligen Rittersitze an der Nahe,
unweit Rothenfels, aus bayerischem Gebiete, erfolgen.
— (Gefährliche Zustände in Annam.) Der
„Wef.-Ztg." waren im Oktober v. Js. Nachrichten über
die Zustände in Annam zugegangen, welche dieselben ge-
rade nicht in das günstigste Licht stellten. Unter Anderem
hieß es, daß unter diesen Zuständen die Fremden zu lei
den hätten, daß z. B. zwei deutsche Seeleute vom deut-
schen Dampfer „Vorwärts" verschwunden und wahrschein-
lich ein Opfer der anarchischen Verhältnisse des Landes
geworden seien. Jetzt bestätigt der Einsender jener Nach-
richten in einem Briefe aus Hongkong vom 3. Dezember
seine Angaben. Seinen Mittheilungen zufolge haben sich
bis zu dem Abgangstage seines Briefes die beiden Deut-
schen (er nennt ihre Namen Helwerth aus Heidel-
berg und Joh. Krohn aus Stettin) noch nicht wieder an
Bord des „Vorwärts" eingefunden; nur das Gewehr des
Helwerth ist dort abgeliefert. Der böse Zustand des Lan-
des wird, wie er schreibt, selbst von den Franzosen zuge-
geben; sie erklären, allein und ohne Waffen sich nicht aus
den Städten herauswagen zu können.
Lokales.
* Heidelberg, 18. Jan. (Prorectorat.) Dieser Tage wurde
die Wahl eines Prorector's der hiesigen Universität für die Zeit
von Ostern 1887 bis dahin 1888 vorgenommen und vereinigte
Herr Professor Holsten fast alle Stimmen auf sich.
* Heidelberg, 18. Jan. (Reichstagswahl.) Behufs Auf-
nahme der stimmberechtigten Wähler in unserer Stadt verfüg'.en
sich gestern schon die Schutzleute in alle Häuser, um die Namen
festzustellen.
* Heidelberg, 18. Jan. (Archäologisches Institut.) Behufs
Besichtigung der Neuordnung und der neuen Erwerbungen der
Sammlungen des archäologischen Instituts, versammelten sich
dieser Tage in demselben eine große Anzahl von Lehrern der
höheren Lehranstalten von hier, Karlsruhe, Mannheim, Bruchsal
und Frankfurt. Herr Professor v. Duhn gab die nöthigen Er-
läuterungen und hielt hierauf einen gediegenen Vortrag über
seine, letztes Jahr nach Griechenland und Kleinasien gemachte
Reise und Beobachtungen, insbesondere mit Bezug auf die Aus-
grabungen in Pergamo.
* Heidelberg, 18. Jan. (Bürger-Casino.) Gestern Abend
fand die alljährliche Generalversammlung dieser Gesellschaft,
welche äußerst zahlreich besucht war, statt. Nach Verlesung des
Rechenschaftsbericht durch den Rechner und Genehmigung des
Voranschlags wurde die Wahl der Verwaltungsrathsmitglieder
vorgenommen. Durch die lebhafte Agitation in den letzten Tagen
über die zu machenden Wahlvorschläge waren die Mitglieder so
zahlreich erschienen und gingen die alten Herren Verwaltungs-
mitglieder, mit Ausnahme des Herrn Kerzinger, an dessen Stelle
Herr Kasp. Sauter gewählt wurde, aus der Urne hervor. Eine
lebhafte Discussion hielt die Mitglieder bis nach 12 Uhr bei-
sammen.
* Heidelberg, 18. Jan. (Neue Einteilung des Arbeits-
tags.) Die Firma: Christoph Keller und Cie. (Inhaber Herr
Karl Nolte) hat in ihrer Fabrik eine neue Einrichtung getroffen,
die allgemeine Nachahmung verdiente, soweit dies überhaupt
als au-führbar erscheint. Sie hat einen so zu sagen ununter-
brochenen Arbeitstag für ihr Bureaupersonal, die Herren Che-
miker und einen solchen für die Arbeiter normirt. Für die erst-
genannte Kategorie beginnt die seit 15. d. M. festgesetzte Arbeits-
zeit um 9 Uhr Morgens und endigt um halb 6 Uhr Abends.
Die Arbeiter beginnen ihr Tagewerk um 6 Uhr Morgens und
haben um 5 Uhr Abends Feierabend. Um 9 Uhr und um 12 Uhr
tritt je eine viertelstündige Pause ein, welche zu einer Erholung
benützt werden kann und steht zu allerlei Erfrischungen und
Speisen dein gesammten Personale eine Kantine zur Verfügung,
deren Reingewinn unter das Personal vertheilt wird, ähnlich
so, wie bei den Militärkantineu. Diese Neueintheilung der Zeit
ist genau nach englischem und theilweise auch französischem Muster
geschehen und soll sich vorzüglich bewähren, denn ein Arbeiter,
der im Sommer schon um 5'Uhr die Arbeit verläßt, hat noch
3—4 Stunden Zeit, Feldarbeiten oder sonstigen Beschäftigungen
nachzugehen und das Bureaupersonal kann nach der Bureau-
stunde noch die schönsten Ausflüge oder sonst etwas Nützliches
unternehmen. Wie gesagt, diese Neuerung verdient Nachahmung.
* Heidelberg, 1.8. Jan. (Scandal.) Heute früh gegen
3 Uhr konnten einige junge Herren nicht umhin, auf der Haupt-
straße so lange zu lärmen und zu schreien, bis sie zu polizeilicher
Anzeige kamen.
war ihm einfach unmöglich und die Einsicht, daß er einen
bejammernswerthen Fehlgriff begangen, tödtete ihn. Er
war in Chester begraben worden. Seine Wittwe hatte
den Ort bald darauf mit ihrem kleinen Kinde verlassen,
und von da an war keine Spur von ihr und ihrem Kinde
mehr aufzutreiben. Herr Ford hatte die geschicktesten Po-
lizeibeamten Londons für diesen Zweck angenommen, ihnen
reichen Gewinn in Aussicht gestellt, allein sie kehrten
sämmtlich unverrichteter Sache von Chester zurück. Herr
Ford war über das Mißlingen seiner Sendung, die er
so hoffnungsvoll übernommen hatte, ebenso betrübt wie be-
schämt, aber es blieb ihm schließlich nur noch übrig, Lord
Carlswood von seinem Mißerfolge in Kenntniß zu setzen.
Sechstes Kapitel.
Wiedrum saßen Lord Carlswood und Herr Ford auf
Schloß Bralyn zusammen; der Letztere sah verlegen, der
Lord unglücklich aus.
„Sie geben also jegliche Hoffnung auf?" sagte der
Lord zu dem Advokaten. Es ist wirklich kein Fall mehr
denkbar?"
„Ich habe alles gethan, was ich vermochte," er-
widerte traurig der Augeredete, „ohne das geringste
Resultat zu erzielen. Wäre nur irgend eine Aussicht
vorhanden, sie zu suchen, so würde ich Euer Gnaden mit
dieser Meldung verschont haben. Jndeß, wie hoffnungs-
los diese Frage auch sein mag, wäre es nicht möglich,
daß noch irgend einer ihrer Briefe aufbewahrt sein möchte?"
„Ich habe keinen derselben gelesen," versetzte Lord
Carlswood.
„Haben Sie nicht die Postmarken auf den Couverts
beachtet?"
„Ich habe die Briefe ganz und gar nicht gesehen.
Meinem Kellermeister Thorpe ertheilte ich kurz nach der
Flucht meiner Tochter den strengen Befehl, dieselben un-
erbrochen zu vernichten und sie unter keinen Umständen
mir vor die Augen kommen zu lassen. Ich dachte zwar,
daß sie an mich schreiben würde, aber ich habe nie ge-
fragt, ob sie es auch gethan."
„Halten Sie es für möglich, daß Thorpe die Post-
marken besichtigt haben sollte?"
„Das weiß ich nicht; fragen Sie ihn selbst."
Bei diesen Worten schellte der Lord und bald darauf
erschien der Kellermeister. Kaum hatte Herr Ford diese
Frage wiederholt, als das Antlitz des alten Mannes sich
seltsam veränderte.
„Ew. Gnaden werden mir darüber hoffentlich nicht
zürnen," sagte er und sah dabei seinen gestrengen Herrn
bittend an. „Ich habe Ihren Befehl in diesem Falle nicht
befolgt. Sie sagten, ich solle sämmtliche Briefe Ihrer
Tochter vernichten; aber ich konnte es nicht über mich ge-
winnen; ich habe sie vielmehrsämmtlich aufbewahrt indem
Gedanken und in der Hoffnung, sie würden eines Tages
Verwendung finden."
Die Augen des Lords blitzten bei diesen Worten.
„Das ist eine gute Nachricht," sagte er lebhaft. „Ich bin
Ihnen für Ihre Umsorge und Klugheit sehr verpflichtet,
Thorpe."
Er versuchte, die letzten Worte ruhig zu sprechen'
aber es hielt nicht schwer, zu errathen, wie furchtbar er-
regt sein Gemüth war.
Herr Ford schüttelte dem greisen Diener gerührt die
Hand und äußerte: „Das hat Ihnen ein Gott eingcflößt,
Thorpe. Wie danke ich Ihnen; lassen Sie uns schnell die
Briefe bekommen."
Der Kellermeister verschwand und kam bald wieder,
ein Päckchen Briefe in der Hand. Er händigte sie Lord
Carlswood mit den Worten ein: „Sie sind sämmtlich ge-
ordnet, Ew. Gnaden, und liegen genau der Reihe nach,
wie ich sie empfing. Sie sind, wie Ew. Gnaden ersehen,
unerbrochen. Dieß war der erste und jener verletzte Brief."
(Fortsetzung folgt.)
kann jedes Postamt Auskunft geben.
* Karlsruhe, 17. Jan. Heute Nachmittag machte
der Kontorgehüfte Hurrle im Geschäfte der Herren Junker
und Ruh den Versuch, mittelst eines Revolverschusses in
die Brust seinem Leben ein Ende zu machen. Die
Verletzung soll zwar eine schwere aber nicht durchaus
tödtliche sein.
Eppelheim, 17. Jan. In Begeisterung für die
edle Sache des Gesangs haben sich die ehemaligen Mit-
glieder der längst hinübergcgangenen hiesigen Gesangvereine
„Sängerbund" und „Eintracht" aufgerafft und sind un-
längst zu einem bis jetzt noch namenlosen Gesangverein
zusammengetreten. Es ist geradezu als ein seltener und
schöner Zug zu bezeichnen, daß Männer, denen die Jahre
das Haupt bereits gebleicht haben, daß u. a. 60jährige Männer
mit seltener Hingabe sich der Sache widmen, so daß dem
Verein das günstigste Prognostikön gestellt werden kann.
Daß der, unter der tüchtigen Leitung des Herrn Lehrer
Bernhard stehende Verein nicht gerade sentimentalen Zielen
sich zuneigt, beweist schon der Text des erstgelernten Liedes,
der heißt: „Das beste Bier im ganzen Nest, gibt's bei
Margreth am Thore"; aber auch den vaterländischen Ge-
fühlen soll im Liede ernsteren Charakters Ausdruck ver-
liehen werden. Es ist daher dem jungen Verein von Herzen
zu wünschen, daß er gedeihen und blühen möge.
* Eschelbronn, 16. Jan. Gestern brannte ein dem
Gemeinderath Laule gehörender, auf freiem Felde befind-
licher Strohhaufen von ungefähr 100 Zentner gänzlich
nieder Leider ist der ruchlose Thäter — denn ein solcher
hatte seine Hand hier offenbar im Spiel — noch nicht
ermittelt. Der Schaden beziffert sich auf 200 bis 250
Mark, der Beschädigte ist jedoch versichert.
* Bon der Tauber, 17. Jan. In der Nacht von
Samstag auf Sonntag hatten wir mit 18 Grad die größte
Kälte dieses Winters.
* Oberharmersbach, 13. Jan. Gestern jagten einige
Jäger auf einen Rehbock, wobei der Treiber K. denselben
aus dem Gebüsch treiben sollte. Als der schlaue Bock die
auf ihn Lauernden bemerkte, kehrte er plötzlich um und
kam in großen Sätzen dem Treiber K. so nahe, daß dieser
kurz bedacht demselben um den Hals fiel und ihn festzu-
halten suchte; der an der Leine geführte Krummfüßler
(Dachshund) griff ebenfalls tapfer zu. So lagen alle
drei einen Augenblick kämpfend im Schnee; der Kampf
endete damit, daß der große Bock nach kräftig ausgetheilten
Tritten loskam und das Weite suchte, wobei die beiden
Zurückgebliebenen ganz verdutzt nachsahen.
* Baden, 17. Jan. Gestern Abend um 4^ Uhr
ist der Fürst von Bulgarien, Prinz Alexander von Batten-
berg auf feiner Durchreise nach Egypten zum Besuche der
Herzogin von Hamilton dahier eingetroffen. Da die An-
kunft bekannt war, hatte sich am Bahnhof eine ziemlich
große Anzahl Neugieriger eingefunden.
Darmstadt, 16. Jan. Auf dem letzten Hofball wurde
ein Gerücht colportirt, von dem man nach der „Frkf.Z." —
wenn auch mit aller Reserve — Kenntniß geben will. Hier-
nach soll sich Fürst Alexander von Bulgarken nicht, wie es
seit einiger Zeit heißt, demnächst zu einem längeren Auf-
enthalte nach Egypten begeben, sondern über Egypten nach
Indien reisen. Er soll von der Königin von England
dazu ausersehen sein, in Indien ein sehr hohes Staatsamt
zu bekleiden. Bei der letzten Anwesenheit des Fürsten in
England sollen die bezüglichen Vorverhandlungen stattge-
sunden haben. Des Fürsten Bruder, Prinz Franz Joseph
von Battenberg, der längere Zeit in Bulgarien war und
gleichzeitig mit dem Fürsten von dort zurückgekehrt ist,
werde denselben begleiten. Die „Fr. Ztg." erinnert bei
dieser Gelegenheit daran, daß vor kurzer Zeit ein englisches
war, von der Einnahme einer mäßig besoldeten Schreiber-
stelle zu ernähren. Mit einer sparsamen, vernünftig
denkenden Hausfrau würde ihm dieses vielleicht gelungen
sein, allein Käthe kannte das Wort „Einschränkung" kaum
dem Namen nach und machte sich von der Bedeutung
desselben eine sonderbare Vorstellung. Den Werth des
Geldes hatte sie seither nie schätzen gelernt, denn da jeder
ihrer Wünsche, sowie sie ihn äußerte, in Erfüllung ging,
war es ihr nie eingefallen, darüber nachzudenken- was der
Gegenstand etwa gekostet haben mochte. Es frappirte sie
z. B-, daß Thornton, da er doch jetzt ein Engagement
hatte, ihr nicht gute Tischweine hielt. Sie sah ihren
Mann mit großen Augen an, als er ihr, ihrem sehnlichen
Wunsche entsprechend, eines Tages eine Flasche alten Port-
weins brachte, der nach der Aeußerung des Weinhändlers
vorzüglich sein sollte.
„Der Wein ist keineswegs gut, Thornton", sagte sie,
„er ist nicht annähernd von der Sorte, wie wir ihn
zu Bralyn hatten. Laß mich etwas von derselben zu-
kommen."
Er vermochte ihr nur mit vieler Mühe begreiflich zu
machen, daß er sich dazu außer Stände sähe und gleiche
Schwierigkeit bereitet es ihm, sie in nothwendigeren Dingen
von seiner trüben Lage in Kenntniß zu setzen. Verzweif-
lungsvoll gab er endlich diese Hoffnung auf und reiste
weiter, um etwas Besseres zu finden.
Die Nachforschungen stellten fest, daß er sich von
Liverpool nach Chester begeben hatte und dort aus Kummer
und im Kampfe um die Existenz gefährlich erkrankt war.
Er hatte gehofft, ein reicher Mann zu werden, wenn er
die einzige Tochter eines reichen Edelmannes Heirathere
und sich statt dessen um sein ganzes Lebensglück betrogen
gesehen. Wie konnte er, ein armer, unbekannter Kompo-
nist und Musiker, ohne Freunde und Theilnahme, eine
unerfahrene, verwöhnte Lady mit ihrem früheren Glanze
umgeben,— ja, sie auch nur mit demjenigen, was sie ihrer
Ansicht nach für durchaus erforderlich hielt, versehen? Es
Blatt der Regierung den Rath gab, den Fürsten Alexander
zum Vicekönig zu machen.
* Bom Bodensee, 16. Jan. Letzte Woche gingen
in Bregenz an einem Tage 36 Waggons mit Hasen, die
für Paris bestimmt waren und aus Jnnerösterreich kamen,
durch. Jeder Waggon hatte eine Ladung von 700 Hasen,
so daß also an diesem Tage 25,200 Hasen die Reise nach
Paris unternahmen. Auch anderes Wild, wie Rehe,
Hirsche, Wildschweine werden laut „Voralb, Ztg." aus
Oesterreich nach der französischen Hauptstadt befördert.
* München, 16. Jan. Von einem Unfall auf der
Bühne berichten hiesige Blätter: Im Theater am Gärtner-
platz erhielt am Montag Abend bei der Aufführung vom
„Lachenden München" im vierten Bild „Soldatenleben"
ein Chorsänger von einem Soldaten einen Bajonettstich
in den Fuß. Der Verletzte, welcher starken Blutverlust
hatte, mußte nach Hause gefahren werden. — Wie aus
Barmen telegraphirt wird, ist unser berühmter Heldentenor
Heinrich Vogel bei einer gestern im Stadttheater stattge-
habten Aufführung von Wagner's „Rienzi" durch einen
unvorsichtigen Dolchstoß leicht verwundet worden.
* Ans Bade», 17. Jan. Der Untersee ist, wie
aus Konstanz gemeldet wird, völlig zugesroren und für
Schlittschuhläufer fahrbar. — In Mannheim wurde in
einem Tabakgeschäfte (Badenheimer und Maier) Nachts
ein Einbruch verübt. Der Kassenschrank widerstand indessen
den Oeffnungsversuchen nnd so erlitten die Besitzer nur
geringen Schaden. — In der Hartgummifabrik zu Neckarau
wurde dem Maschinenführer ein Finger völlig von der
Maschine abgerissen. — Wie in andern Garnisonsorten,
so ist auch in Freiburg eine aus Filz hergestellte
Baracke zu Lazarethzwecken, Raum für etwa 10 Kranke
enthaltend, errichtet worden. Es handelt sich hierbei um
einen Probeversuch. — Der Verein gegen Hausbettel in
Wertheim hat im Jahre 1886 an 3400 Handwerks-
burschen verabreicht.
Vermischtes.
— Berlin, 12. Jan. Die beiden Landbriefträger,
welche die täglichen Postsendungen zwischen Spandau und
Valentinswerder, Saatwinkel, Sägewerk, Salzhof, Haken-
felde u. s. w. zu bestellen haben, kann man jetzt wieder,
die Brieftasche mit den Postsendungen um die Hüften
geschnallt, auf Schlittschuhen nach den Bestellorten dahin-
sausen sehen. Es sind tüchtige Läufer, welche die prächtige,
spiegelglatte Eisfläche der Gewässer bei Spandau mit
großer Schneidigkeit durchmessen. Früher als sonst kommen
die Adressaten in den Besitz ihrer Briefe, denn die großen
Umwege auf dem festen Lande bleiben den Briefträgern
erspart.
— Minden (Wests.) 10. Jan. Mit der hiesigen
Gornisonbäckerei soll eine ausgedehnte Fabrik zur Massen-
herstellung von FLeischzwieback verbunden werden. Dieses
Nahrungsmittel, aus bestem Mehl, gehacktem Schweine-
fleisch und Gewürz bestehend, hat sich trefflich bewährt.
Es hält sich Jahre lang unverändert und liefert unter
Zusatz von Wasser in kürzester Frist eine sehr kräftige
wohlschmeckende Suppe für den Kriegsmann. Vornehmlich
soll der Fleischzwieback bei Mobilmachung und im Felde
als sogenannter eiserner Bestand mitgeführt werden.
— (Das Denkmal für die Ebernburg.j Die
Bildhauer Robert und Ludwig Caner in Kreuznach sind
gegenwärtig mit der Modellirung des „Ullrich v. Hutten-
und Franz v. Sickingen-Denkmals beschäftigt, dessen Skizze
ihr in Kreuznach verstorbener Vater, der Bildhauer Carl
Cauer, im Auftrage des mit der Leitung der Angelegenheit
betrauten Comitees entworfen hatte. Die Statuen beider
Männer sind auf einem Postamente vereinigt. Bereits
vollendet ist das Modell der „Sickingen-Statue." Die
Aufstellung der Doppelstatue soll am 21. April des Jahres
1888, als am 400jährigen Geburtstage Huttens auf der
Ebernburg, seinem ehemaligen Rittersitze an der Nahe,
unweit Rothenfels, aus bayerischem Gebiete, erfolgen.
— (Gefährliche Zustände in Annam.) Der
„Wef.-Ztg." waren im Oktober v. Js. Nachrichten über
die Zustände in Annam zugegangen, welche dieselben ge-
rade nicht in das günstigste Licht stellten. Unter Anderem
hieß es, daß unter diesen Zuständen die Fremden zu lei
den hätten, daß z. B. zwei deutsche Seeleute vom deut-
schen Dampfer „Vorwärts" verschwunden und wahrschein-
lich ein Opfer der anarchischen Verhältnisse des Landes
geworden seien. Jetzt bestätigt der Einsender jener Nach-
richten in einem Briefe aus Hongkong vom 3. Dezember
seine Angaben. Seinen Mittheilungen zufolge haben sich
bis zu dem Abgangstage seines Briefes die beiden Deut-
schen (er nennt ihre Namen Helwerth aus Heidel-
berg und Joh. Krohn aus Stettin) noch nicht wieder an
Bord des „Vorwärts" eingefunden; nur das Gewehr des
Helwerth ist dort abgeliefert. Der böse Zustand des Lan-
des wird, wie er schreibt, selbst von den Franzosen zuge-
geben; sie erklären, allein und ohne Waffen sich nicht aus
den Städten herauswagen zu können.
Lokales.
* Heidelberg, 18. Jan. (Prorectorat.) Dieser Tage wurde
die Wahl eines Prorector's der hiesigen Universität für die Zeit
von Ostern 1887 bis dahin 1888 vorgenommen und vereinigte
Herr Professor Holsten fast alle Stimmen auf sich.
* Heidelberg, 18. Jan. (Reichstagswahl.) Behufs Auf-
nahme der stimmberechtigten Wähler in unserer Stadt verfüg'.en
sich gestern schon die Schutzleute in alle Häuser, um die Namen
festzustellen.
* Heidelberg, 18. Jan. (Archäologisches Institut.) Behufs
Besichtigung der Neuordnung und der neuen Erwerbungen der
Sammlungen des archäologischen Instituts, versammelten sich
dieser Tage in demselben eine große Anzahl von Lehrern der
höheren Lehranstalten von hier, Karlsruhe, Mannheim, Bruchsal
und Frankfurt. Herr Professor v. Duhn gab die nöthigen Er-
läuterungen und hielt hierauf einen gediegenen Vortrag über
seine, letztes Jahr nach Griechenland und Kleinasien gemachte
Reise und Beobachtungen, insbesondere mit Bezug auf die Aus-
grabungen in Pergamo.
* Heidelberg, 18. Jan. (Bürger-Casino.) Gestern Abend
fand die alljährliche Generalversammlung dieser Gesellschaft,
welche äußerst zahlreich besucht war, statt. Nach Verlesung des
Rechenschaftsbericht durch den Rechner und Genehmigung des
Voranschlags wurde die Wahl der Verwaltungsrathsmitglieder
vorgenommen. Durch die lebhafte Agitation in den letzten Tagen
über die zu machenden Wahlvorschläge waren die Mitglieder so
zahlreich erschienen und gingen die alten Herren Verwaltungs-
mitglieder, mit Ausnahme des Herrn Kerzinger, an dessen Stelle
Herr Kasp. Sauter gewählt wurde, aus der Urne hervor. Eine
lebhafte Discussion hielt die Mitglieder bis nach 12 Uhr bei-
sammen.
* Heidelberg, 18. Jan. (Neue Einteilung des Arbeits-
tags.) Die Firma: Christoph Keller und Cie. (Inhaber Herr
Karl Nolte) hat in ihrer Fabrik eine neue Einrichtung getroffen,
die allgemeine Nachahmung verdiente, soweit dies überhaupt
als au-führbar erscheint. Sie hat einen so zu sagen ununter-
brochenen Arbeitstag für ihr Bureaupersonal, die Herren Che-
miker und einen solchen für die Arbeiter normirt. Für die erst-
genannte Kategorie beginnt die seit 15. d. M. festgesetzte Arbeits-
zeit um 9 Uhr Morgens und endigt um halb 6 Uhr Abends.
Die Arbeiter beginnen ihr Tagewerk um 6 Uhr Morgens und
haben um 5 Uhr Abends Feierabend. Um 9 Uhr und um 12 Uhr
tritt je eine viertelstündige Pause ein, welche zu einer Erholung
benützt werden kann und steht zu allerlei Erfrischungen und
Speisen dein gesammten Personale eine Kantine zur Verfügung,
deren Reingewinn unter das Personal vertheilt wird, ähnlich
so, wie bei den Militärkantineu. Diese Neueintheilung der Zeit
ist genau nach englischem und theilweise auch französischem Muster
geschehen und soll sich vorzüglich bewähren, denn ein Arbeiter,
der im Sommer schon um 5'Uhr die Arbeit verläßt, hat noch
3—4 Stunden Zeit, Feldarbeiten oder sonstigen Beschäftigungen
nachzugehen und das Bureaupersonal kann nach der Bureau-
stunde noch die schönsten Ausflüge oder sonst etwas Nützliches
unternehmen. Wie gesagt, diese Neuerung verdient Nachahmung.
* Heidelberg, 1.8. Jan. (Scandal.) Heute früh gegen
3 Uhr konnten einige junge Herren nicht umhin, auf der Haupt-
straße so lange zu lärmen und zu schreien, bis sie zu polizeilicher
Anzeige kamen.
war ihm einfach unmöglich und die Einsicht, daß er einen
bejammernswerthen Fehlgriff begangen, tödtete ihn. Er
war in Chester begraben worden. Seine Wittwe hatte
den Ort bald darauf mit ihrem kleinen Kinde verlassen,
und von da an war keine Spur von ihr und ihrem Kinde
mehr aufzutreiben. Herr Ford hatte die geschicktesten Po-
lizeibeamten Londons für diesen Zweck angenommen, ihnen
reichen Gewinn in Aussicht gestellt, allein sie kehrten
sämmtlich unverrichteter Sache von Chester zurück. Herr
Ford war über das Mißlingen seiner Sendung, die er
so hoffnungsvoll übernommen hatte, ebenso betrübt wie be-
schämt, aber es blieb ihm schließlich nur noch übrig, Lord
Carlswood von seinem Mißerfolge in Kenntniß zu setzen.
Sechstes Kapitel.
Wiedrum saßen Lord Carlswood und Herr Ford auf
Schloß Bralyn zusammen; der Letztere sah verlegen, der
Lord unglücklich aus.
„Sie geben also jegliche Hoffnung auf?" sagte der
Lord zu dem Advokaten. Es ist wirklich kein Fall mehr
denkbar?"
„Ich habe alles gethan, was ich vermochte," er-
widerte traurig der Augeredete, „ohne das geringste
Resultat zu erzielen. Wäre nur irgend eine Aussicht
vorhanden, sie zu suchen, so würde ich Euer Gnaden mit
dieser Meldung verschont haben. Jndeß, wie hoffnungs-
los diese Frage auch sein mag, wäre es nicht möglich,
daß noch irgend einer ihrer Briefe aufbewahrt sein möchte?"
„Ich habe keinen derselben gelesen," versetzte Lord
Carlswood.
„Haben Sie nicht die Postmarken auf den Couverts
beachtet?"
„Ich habe die Briefe ganz und gar nicht gesehen.
Meinem Kellermeister Thorpe ertheilte ich kurz nach der
Flucht meiner Tochter den strengen Befehl, dieselben un-
erbrochen zu vernichten und sie unter keinen Umständen
mir vor die Augen kommen zu lassen. Ich dachte zwar,
daß sie an mich schreiben würde, aber ich habe nie ge-
fragt, ob sie es auch gethan."
„Halten Sie es für möglich, daß Thorpe die Post-
marken besichtigt haben sollte?"
„Das weiß ich nicht; fragen Sie ihn selbst."
Bei diesen Worten schellte der Lord und bald darauf
erschien der Kellermeister. Kaum hatte Herr Ford diese
Frage wiederholt, als das Antlitz des alten Mannes sich
seltsam veränderte.
„Ew. Gnaden werden mir darüber hoffentlich nicht
zürnen," sagte er und sah dabei seinen gestrengen Herrn
bittend an. „Ich habe Ihren Befehl in diesem Falle nicht
befolgt. Sie sagten, ich solle sämmtliche Briefe Ihrer
Tochter vernichten; aber ich konnte es nicht über mich ge-
winnen; ich habe sie vielmehrsämmtlich aufbewahrt indem
Gedanken und in der Hoffnung, sie würden eines Tages
Verwendung finden."
Die Augen des Lords blitzten bei diesen Worten.
„Das ist eine gute Nachricht," sagte er lebhaft. „Ich bin
Ihnen für Ihre Umsorge und Klugheit sehr verpflichtet,
Thorpe."
Er versuchte, die letzten Worte ruhig zu sprechen'
aber es hielt nicht schwer, zu errathen, wie furchtbar er-
regt sein Gemüth war.
Herr Ford schüttelte dem greisen Diener gerührt die
Hand und äußerte: „Das hat Ihnen ein Gott eingcflößt,
Thorpe. Wie danke ich Ihnen; lassen Sie uns schnell die
Briefe bekommen."
Der Kellermeister verschwand und kam bald wieder,
ein Päckchen Briefe in der Hand. Er händigte sie Lord
Carlswood mit den Worten ein: „Sie sind sämmtlich ge-
ordnet, Ew. Gnaden, und liegen genau der Reihe nach,
wie ich sie empfing. Sie sind, wie Ew. Gnaden ersehen,
unerbrochen. Dieß war der erste und jener verletzte Brief."
(Fortsetzung folgt.)