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Erscheint täglich außer Msntag. ASonuemcntSpreis mit
dem wöchcntl. Unterhaltungsblatt „Alt Heidelberg", für Heidel-
berg : monatlich 50 Psg. mit Tragerlohn, durch die Post be-
zogen viertelj. Mk. 1.25 ohne Zustellnngsgebühr.

Wneml-NnPiger.

Anzeigen: die 1-spalt!ge Pctitzeile oder derm Raum für aus-
wärts 10 Pfg., Lokalanzeigen 5 Psg., Stellengesuche und
Wohnungs-Anz. 3 Psg. Reclamc 20 Pfg. Bei mehrm. Erschein,
bedeutenden Rabatt. Gratis-Verbreitung durch Mauer-Anschlag.

Verkündigungs-Blatt für die Bezirke Heidelberg, Weinheim, Schwetzingen, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Mosbach, Neckarbischofsheim, Eberbach, Kuchen,
Buchdruckern und Expedition: Brunnengasse 24. WülldiirU, AdklshkiM, Koibkkg, lfststbkrbifchüfshkiM UUd WkrihkiM. Buchdruckerei und Expedition: Brunnengaffe 24-

^>L 101.

Berantwortl. Redakteur PH. Klausner
in Heidelberg.

Sonntag, 1. Mai

Druck und Verlag von Wurm L Pfeffer
in Heidelberg.

§ 1887.

Bestellungen für die Monate
Mai und Juni
auf das Heidelberger Tageblatt (General-Anzeiger)
(billigste Zeitung in ganz Baden), werden fortwährend von
sämmtlichen Postanstalten, Briefträgern und unseren bekannten
Agenturen zum Preise von 1.10 Mk. frei in's Haus,
sowie von unseren hiesigen und den Trägern und Träge-
rinnen der nächsten Umgebung zum Preise von 50 Pfg.
monatlich entgegengenommen. Die Expedition.
Wochenschau.
Heidelberg, 30. April.
Der „Zwischenfall Schnäbele" beherrscht die Woche.
Die in den ersten Tagen aufgetauchte Bessrgniß, daß
wegen der angeblichen französischen Grenzverletzung durch
deutsche Polizisten zwischen Deutschland und Frankreich des-
wegen ein ernsthafter politischer Conflict ausbrechen könnte,
ist mittlerweile geschwunden. — Die Nachtragsforderungen
für den Reichshaushalt wurden dem Deutschen Reichstage
zugestellt, sie beziffern sich auf rund 176 Millionen Mark,
welche hauptsächlich für militärische Zwecke, wie Ausgaben
für Durchführung des neuen Militärgesetzes, für Umbau
von Festungen, für Bau von Kasernen, für Bau einiger
strategischen Bahnen und für Ausrüstung der Armee mit
dem neuen Gepäck verbraucht werden sollen. — Das
preußische Abgeordnetenhaus genehmigte mit großer Majorität
die kirchenpolitische Vorlage. — Die Nationalliberalen
hielten in Leipzig am 24. ds. einen gut besuchten Partei-
tag ab. — Dieser Tage befanden sich die Deutschen Bot-
schafter aus London, Paris und Petersburg, die Grafen
Hatzfeldt, Münster und General v. Schweinitz, in Berlin
und hatten mit dem Reichskanzler politische Besprechungen.
Der Schweizer Bundesrath hat in Anbetracht der
allgemeinen politischen Lage der Volksvertretung einen
Gesetzentwurf vorgelegt, betreffend die Tarifirung eng-
lischer und deutschen Goldmünzen als rechtsgiltiges Zahl-
mittel bei Schweizer Kassen. Die Maßregel wird u. a.
mit einem Hinweis auf die Geldvcrhältnisse im Kriege
1870 empfohlen; sie soll nach Bedürfniß vom Bundesrath
angeordnet werden können.
Das österreichische Reichsgericht verurtheilte die
berüchtigte ßrazack'sche Sprachverordnung des Ministers
als ungesetz ich, indem sie die dagegen erhobenen Be-
schwerden der Gemeinden Troppau, Friedland, Karlsbad
und Sternberg für begründet erachtete. — Außer den be-
reits verausgabten 24 Millionen Gulden von dem 52
Millioncn-Crcdite verlangte der Kricgsminister noch weitere
9 Millionen zur Beendigung der Ausrüstung der Armee.
Beide Ministerpräsidenten verweigerten diese Summe

und wollten nur 6 Millionen bewilligen. Bei einem ge-
meinsamen Ministerrathe siegte der Kriegsminister. Im
Ganzen werden sonach von den 52 Millionen Eventual-
credit 33 vollständig verbraucht.
Der französische Botschafter Waddington in Lon-
don hat, wie die „Agence Havas" meldet, dem Minister
Flourens berichtet, daß er betreffs der Neuen Hebriden,
wie auch bezüglich der Neutralisirung des Suezkanals
demnächst zu einem Einvernehmen mit England zu ge-
langen hoffe.
Der englische Premier Lord Salisbury hielt dieser
Tage in der konservativen Primal-Liga eine Rede, in welcher
er u. a. sagte: Es sei die feste Absicht der Regierung,
die Sache der Freiheit in Irland nachdrücklich zu ver-
theidigen, in dem sie das System des Terrorismus, welches
jede wirkliche Freiheit unmöglich mache, unterdrücke.
Gladstone, von dem die hervorragendsten Männer der
liberalen Partei abgefallen seien, habe allerdings anderseits
zahlreiche, sehr ergebene Parteigänger gewonnen, nämlich
die Parnelliten, welche von den Geldbeiträgen derjenigen
lebten, die offen den politischen Meuchelmord predigten.
Er, Salisbury, glaubte, daß die Wähler Gladstone ihre
Unterstützungen versagen würden, sobald sie inne würden,
daß derselbe die Verbrüderung mit so verdächtigen poli-
tischen Persönlichkeiten annehme, wie die Parnelliten es
seien. — Das englische Unterhaus beschloß die Fortdauer
des bisherigen Theezolles. Den britischen Polizisten wurde
das parlamentarische Wahlrecht verliehen.
In Bulgarien mehren sich die heimtückischen Bom-
ben-Attentate gegen die hervorragenden Parteifreunde der
Regentschaft, doch mißglückten bis jetzt die Anschläge.
Auch der Rustschukcr Präfekt Mantow, der bekanntlich nach
Bukarest gelockt und dort von bulgarischen Flüchtlingen
überfallen wurde, ist wieder hergestellt.
Die spanischen Cortes bewilligten trotz der ge-
meldeten Angriffe auf die Regierung wegen Durchstechereien
bei der staatlichen Unterstützung der transatlantischen
Schifffahrtsgesellschaft der letzteren die vom Kabinet Sagasta
geforderte Subvention.
Für Afrika will der italienische Kriegsminister eine
italienische Kolonial-Armee nach dem Muster der französi-
schen Fremdenlegion bilden.
Zum päpstlichen Staatssekretär wurde der bishe-
rige Nuntius in Madrid Rampolla ernannt, der in letzter
Zeit viel besprochene Monsignore Galimberti wird Nuntius
in Wien. — In Rom wurde der Katholiken-Congreß,
welcher im vorigen Jahre verboten war, eröffnet.
Die russische Regierung machte eine neue innere
Papieranleihe im Betrage von hundert Millionen zur Be-
zahlung ihrer laufenden Zinsschulden.

Deutsches Reich.
Berlin, 28. April. Die Budget-Commission berieth
den Nachtragsetat und bewilligte nach einer Erläute-
rung der mit der Heeresverstärkung nicht unmittelbar zu-
sammenhängenden Forderungen Seitens der Regierungs-
vertreter das Ordinarium für Preußen, Sachsen und
Württemberg und das Extraordinarium Cap. 5 a Tit. 1
bis 60, 62 bis 77, 79 bis 90, Cap. 6n (Garnisonbauten
im Elsaß) Tit. 2, 3, 5, 6, 7, 9, 11, 12, 14, 15, 16,
18, 20 Cap. 5n Tit. 61, 78, 91 (Steigerung der Schlag-
fertigkeit des Heeres), Cap. 6 a, Tit. 21, 21, 22 (Schlag-
fertigkeit des Heeres, Verstärkung der Festungen, Vervoll-
ständigung des Eisenbahnnetzes). Einer Specialdiscussion
wurden Vorbehalten Cap. 6 a und die oben nicht erwähnten
Titel. Die Referentenfrage wird mit der Heeresverwal-
tung besprochen werden. Morgen findet die Generaldiscus-
sion über Cap. 6 a Tit 23 statt. — Der Kaiser nahm
heute Vormittag eine Reihe militärischer Meldungen ent-
gegen, berieth darauf mit dem General der Cavallerie
v. Albedyll mit dem Kriegsminister und machte Nachmit-
tags eine Spazierfahrt. — Morgen findet zur Berathung
des Branntweinsteuergesetzes eine Sitzung des Bundes-
rath es statt.
Berlin, 28. April. Nach einer offiziösen Mittheilung
des „Deutschen Tageblatt" soll der Branntwein-Entwurf
die Erhebung der Consumabgabe beim Austritt des Spiritus
aus der Brennerei vorschreiben; die Abgabe soll niedriger
bemessen sein, als im vorigen Entwurf, weniger als
1,20 Mk. pro Liter. Was den schwierigsten Punkt, die
Berücksichtigung der Brennerei- und landwirthschaftlichen
Interessen betrifft, so scheint der Entwurf die Mitte
zwischen den Wünschen der Agraier und den Zugeständ-
nissen der Nationalliberalen zu erhalten.
Berlin, 28. April. In der Polemik mit dem „Dnicwnik
Warschawski" bezüglich der Beziehungen Deutsch-
lands zu Rußland und Oesterreich schreibt die
„Nordd. Allg. Zeitung": Die russische Orientpolitik
sei gerade so viel wie die österreichische von Deutsch-
land unterstützt worden; man habe sich diesseits be-
müht, zwischen beiden befreundeten Kaisermächten eine
freiwillige Verständigung herbeizuführen. Der Berliner
Kongreß, den das „Warschauer offiziöse Blatt" ein
„Berliner Trugwerk" nennt, sei nur auf Rußlands Ver-
langen berufen worden und Deutschland habe auf dem-
selben jeden Wunsch, den Rußland überhaupt geäußert,
befürwortet und durchgesetzt. Wenn Rußland außer den
zu unserer Kenntniß gekommenen, noch andere Wünsche
hatte, für die Stillschweigen beobachtet wurde, so würde
das ein Fehler Gortschakow's gewesen sein. Der „Dnicwnik

Mißverstanden.
1) Novelle von Jenny Piorkowska.
(Fortsetzung.)
Der Graf wußte, daß Marianne ein unbemitteltes
Mädchen war, welches sich keiner der jungen, vornehmen
Herren, die sie im Schlosse kennen lernte, zur Gattin
wählen würde ein Mädchen, das ihm allerdings nur seiner
Stellung und seines Vermögens halber die Hand reichen,
ihm dafür aber auch ihr ganzes Leben hindurch dankbar
sein und ihm sein Haus zu einem glücklichen Heim ma-
chen würde.
So ganz recht aber hatte der Graf hierin nicht. Es
bedurfte von Seiten Marianne Waldinger's nicht erst der
Dankbarkeit, um den Grafen lieb zu gewinnen. Ihr feines
Gefühl ließ sie sehr bald den Unterschied zwischen der
Höflichkeit der jungen Herren und dem herzlichen Entgegen-
kommen des Grafen erkennen und das Herz, das bisher
noch von jeder andern Liebe, als die der Tochter und
Freundin freigeblieben war, schlug dem Grafen bald mit
gleicher Wärme entgegen.
Sein Bewerben um sie machte sie stolz und glücklich
und wer weiß, ob sic ihre Hand nicht mit demselben Ge-
fühle des Beglücktseins in die scinige gelegt haben würde,
wenn er ihr nur ein bescheidenes Heim hätte bieten können.
Wenige Monate nach jenem Nachmittage, an welchem
die beiden Freundinnen im Schloßgarten munter mit ein-
ander geplaudert hatten, führte Graf von Reiche« Mari-
anne Watdinger als seine junge Frau heim.
Sie verlebten ein glückliches Jahr mit einander, das
nicht durch das kleinste Wölkchen gelrübt wurde. Dann
plötzlich fing der Graf an zu kränkeln.
Der Arzt schickte ihn nach dem Süden, aber es war
zu spät. Dasselbe Leiden, dem sein Vater erlegen war,
hatte sich auch seiner bemächtigt und ein Lungenschlag
machte seinem Leben ein Ende.

Dieser unerwartete Schlag versetzte die junge Wittwe
in die tiefste Trauer und es währte lange, lange Zeit,
ehe die Tiefbekümmerte wieder einen kleinen Theil ihres
früheren Lebensmuthes zurückerlangt hatte.
Wer hätte in der ernsten, ruhigen Gräfin v. Reichest,
die in der ganzen Gegend als „die schöne Gräfin" be-
kannt war, die muntere, lebenslustige Marianne Waldinger
wiedererkannt?
Wer dieses Gesicht mit dem fast kummervollen Zug
um die Lippen sah, der mußte sich sagen, daß „die schöne
Gräfin" trotz ihres Reichthums, um den sie so viel be-
neidet worden war, trotz der Huldigungen, die ihr von
allen Seiten dargebracht wurden, nichts mehr von dem
ungetrübten Frohsinn aus ihrer Mädchenzeit besaß.
» *
Graf von Reichest hatte, als er sein Ende nahen
fühlte, sein Testament gemacht und seine junge Frau zu
seiner Uuiversalerbin eingesetzt.
Außer einem fürstlichen Vermögen hinterließ er ihr
zwei Wohnsitze; ein stolzes Palais in der Residenz und
ein reizendes, auf's comfortabelste eingerichtetes Landhaus,
wenige Meilen von Pergersbach entfernt.
Den Winter verbrachte die junge Wittwe in der Re-
sidenz; sobald aber der Frühling nahte, Baum und Busch
den ersten grünen Schimmer annahmen und die ersten Sing-
vögel aus dem fernen Süden wiederkehrten und ihren Ein-
zug hielten, dann sagte auch die Gräfin den düsteren Stadt-
mauern Lebewohl und zog leichteren und froheren Herzens
wieder auf's Land hinaus, wo sie die steifen Formen, denen
sie in der Stadt Rechnung tragen mußte, abstreifen und
frei, ganz ihrem Behagen leben konnte.
Wie oft wanderte sie da bisweilen stundenlang ganz
allein in dem stillen, nur von tausend munteren Vogel-
stimmen belebten Wald umher und gab sich ihren Ge-
danken hin. Und wenn dieselben bisweilen gar zu ernst
und trübe waren, und eine düstere Wolke auf ihrem ;

schönen Antlitz hervorgerufen hatten, dann unternahm sie
einen Spaziergang in die Umgegend und kehrte erfrischt
und mit neuer Zuversicht in die Zukunft schauend
wieder heim.
Es war ihr ja bei all' dem Traurigen, das ihre
junge Seele so früh erfahren mußte, noch so Vieles ge-
blieben, was ihr das Leben lieb und werth machte.
Sahen die Landleute in der Umgegend nicht wie zu einer
Herrscherin zu ihr auf?
Mit welcher Freude nahmen sie es wahr, wenn im
Frühjahr die Läden in der gräflichen Villa, die so lange
Zeit über geschloffen geblieben waren, endlich wieder ge-
öffnet und Alles zum Empfang der jungen Herrin herge-
richtet wurde. Mit welcher Liebe sprach ein jeder Ein-
zelne von ihr. Wie viel Gutes that sie nicht an All' und
Jedem!
Nach allen Seiten Trost und Liebe spendend und in
dem wohlthuenden Bewußtsein, viele Menschen glücklich zu
machen, lebte Marianne zufrieden in stiller Zurückgezogen-
heit. Alles Zureden ihrer wenigen Freunde, wieder Theil
an den Freuden der großen Gesellschaft zu nehmen, blieb
erfolglos. Der einzigste Verkehr, den sie aufrecht erhielt,
war der mit Katharina von Normann. Dieselbe hatte den
Verstorbenen als Freund geliebt. Sie konnte am besten
mit der Freundin fühlen, was diese mir ihm verloren
hatte. Gegen sie allein, die Jugendfreundin, konnte sie sich
zwanglos aussprechen.
Und bei ihr, bei Katharina von Normann war es
auch, wo sie den Mann kennen lernte, der dazu bestimmt
schien, eine lang empfundene Leere in der Brust der Gräfin
auszufüllen und diese zu lehren, daß nach lange an-
haltendem, trüben Wetter die Sonne um so Heller und
wärmer scheint.
Konrad Herbig lehrte sie nicht den Verstorbenen ver-
gessen, wohl aber, einem Lebenden neben ihm, ihrem
Wohlthäter, einen Platz in ihrem Herzen einzuräumen.
Konrad Herbig war der Sohn eines reichen Guts-
 
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