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77. I d—Freitag, 4. April , l 1887.
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Die Expedition.
Deutsches Steich.
Karlsruhe, 29. März. Nachdem die Grundlagen
für die Doppelgeleisung der Schwarzwaldbahn kürzlich
endgiltig festgestellt worden sind, dürften die betreffenden
Vorlagen im Reichstag wahrscheinlich mit thunlichster Be-
schleunigung zur Erledigung gelangen. Die Bahn Waizen-
Jmmendingen soll 1890 vollendet sein. — Das in Karls-
ruhe erscheinende „Kathol. Volksbl." hatte in der Nummer
vom 20. März unter der geschmackvollen Ueberschrift:
„Der Culturkampf im Hengststall" einen Artikel gebracht,
in welchem mitgctheilt wurde, daß bei einem Landwirth
von Hofweier ein Deckhengst stehe, der „Pater" heiße.
Dann fährt der Artikel fort: „Wir fragen: Wie kommt
das Vieh zu solchem Namen? Wer hat ihm diesen Namen
gegeben? Nicht der Landwirth von Hofweier, in dessen
Stall er sich jetzt befindet, der wäre niemals auf den Ein-
fall gekommen, ein Vieh mit solchem Namen zu benennen.
Das hat ein Karlsruher Herr gethan, ein nationalliberaler
Herr, ein Culturkämpfer, ein Religionsspötter, ein Un-
gläubiger, — aber ein „gebildeter" Herr, ein studirter
Herr, ein Herr welcher selbst den Hengststall noch benützt,
um seine culturkämpferischen Gelüste zu befriedigen."
Wegen der in dem Artikel enthaltenen Verdächtigungen
gegen Oberregierungsrath Dr. Lydin in Karlsruhe ist da-
her gegen den verantwortlichen Redacteur des „Kath.
Volksbl.", Dr. Kausen, Antrag auf Bestrafung gestellt.
Karlsruhe, 30. März. Aus einer unter Berlin,
datirt 29. März, veröffentlichten Uebersicht über die Trag-
weite des neuen Gerichtskostengesetzes und der Ge-
bührenordnung ist zu entnehmen, daß seit der Einführung
des Gesetzes vom 29. Juni 1881, welches die Gerichts-
kosten erheblich herabsetzte, die Einnahmen aus bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten unter allen Staaten im Großherzog-
thum Baden am meisten zurückgegangen sind, nämlich,
wie angegeben, um 41 Procent. Die bezüglichen stati-
stischen Ermittelungen ergeben, daß in Baden während der
drei Jahre 1882, 1883 und 1884 die Vertheilung der
neu anhängig gewordenen Prozesse auf verschiedene
Gruppen von Werthsklassen (bis zu 300 Mk., bis zu
1000 Mk., bis zu 10000 Mk., über 10000 Mk.) nahezu
gleich war. — Die Zahl der Prozesse hat sich in Bayern,
Sachsen, Württemberg und Elsaß-Lothringen vermehrt,
in Baden und Preußen dagegen um ein Geringes ver-
mindert. Der Einnahmeansfall in Baden betrug jährlich
450000 Mk.
Berlin, 28. März. Die Erfindungen des letzten
Jahrzehntes auf dem Gebiete der Vilocipede veranlaßte
das Kriegsministerium, unter Commando des preußischen
Majors Herrn von Rognes, das Velocipedhaus Heinrich
Kleyer zu Frankfurt a. M. letzten Sommer mit der Ein-
übung von 50 Unterofficieren und Mannschaften im Ka-
scrnenhof des 1. Hess. Infanterie-Regiments Nr. 81 zu
Frankfurt a. M. im Zwei- und Dreiradfahren zu beauf-
tragen. Die Ergebnisse dieser Probeübungen fielen so zu-
friedenstellend aus, daß durch kriegsministerielle Verord-
nung vom Januar 1887 das genannte Regiment Weisung
erhielt, für die Festungen Köln, Straßburg, Königsberg
und Posen eine größere Anzahl Zwei- und Dreiräder bei
der Firma Kleyer zu kaufen und den Gouvernements zu
übersenden. Bereits Ende Januar konnten die Fahr-
räder mit kompletter Ausrüstung, Taschen, Glocken, Lampen
und speciellen schriftlichen Instructionen geliefert werden.
Berlin, 30. März. Der Antrag der konservativen
Partei im Abgeordnetenhause, betr. Reform der
direkten Steuern, geht dahin: 1) In Erwägung, daß
die bestehenden Klassen- und klassifizirte Einkommensteuer
den Grundsätzen einer gleichmäßigen und gerechten Be-
steuerung nicht entspricht. 2) Daß die Ungleichheit der
Besteuerung des Grundbesitzes gegenüber dem mobilen
Kapital die Einführung einer Kapitalrentensteuer noth-
wendig erscheinen läßt. 3) Daß im Hinblick auf den
Rückgang des Kleingewerbes die Bestimmungen der Ge-
werbesteuer vom stehenden Gewerbe einer der wirthschaft-
lichen Entwicklung entsprechenden Reform dringend be-
dürfen, die Regierung zu ersuchen, im Anschluß an die
Vorarbeiten von 1883—1884, einen entsprechenden Ge-
setzentwurf in nächster Session vorzulegen.
Berlin, 30. März. Der Gesetzentwurf überElsaß-
Lothringen soll jedenfalls noch in der laufenden Reichs-
tagssession vorgelegt werden. Derselbe befindet sich zur
Zeit noch im ersten Stadium der Vorbereitung. Für den-
selben steht als Gesichtspunkt fest, daß die Verhältnisse
wie vor 1879 wieder hergestellt werden, die Gesetzgebung
für Elsaß-Lothringen wieder ganz auf den Reichstag über-
tragen werde und jede autonome Gesetzgebung, sowie
Landesausschuß und Staatssekretariat fortfällt. Bei der
Herstellung der Provinzialverwaltung nach Analogie der
preußischen Oberpräsidien bleibt es zweifelhaft, ob der
Statthalterposten bestehen bleibt oder an dessen Stelle ein
Oberpräsident tritt.
Hesterreich-N«garv.
Wien, 28. März. Der sogenannte Anarchistenproceß
ist gestern nach mehrtägiger langwieriger Verhandlung zu
Ende geführt worden. Das bereits mitgetheilte Urtheil,
welches Strafen bis zu 20 Jahren Kerker zuerkennt, wurde
von den Verurtheilten ohne Gegenäußerung angenommen.
Es handelte sich in diesem Proceß vornehmlich um Brand-
legungen. Aus den Aussagen einiger Angeklagten ging
hervor, daß der ganze Plan der Unternehmungen der war,
gleichzeitig, womöglich zur selben Stunde, gewiß aber in
derselben Nacht an verschiedenen Orten Brand zu legen,
um die Bevölkerung Wiens in Schrecken zu versetzen und
zu zeigen, daß es noch Anarchisten in Wien giebt, welche
zu solchen Thaten fähig sind. In Wirklichkeit sind vier
Brände ausgebrochen. Zwei Angeklagte hatten sich auch
eines Verbrechens gegen das Gesetz über gemeingefähr-
lichen Gebrauch von Sprengstoffen schuldig gemacht, indem
sie Sprengbomben bei sich trugen. Die meisten der Ver-
urtheilten zeigten sich, wie die Blätter melden, bei der
Urtheilsverkündung sehr gefaßt. Einzelne legen mit großer
Absichtlichkeit Gleichmuth an den Tag. Die Gattin des
Angeklagten Schwechla im Zuschauerraume weinte laut
und heftig. Als ihr Mann abgeführt wurde, rief sie ihm
jammernd zu: „Leb wohl, Karl! Was soll ich anfangen
mit meinen Kindern!" Schwechla wandte sich um und
wollte antworten; der Wachmann drängte aber in ihn, daß
er sich sofort entferne. Noch in der Vorhalle des Ge-
richtsgebäudes brach die Frau in lautes Schluchzen aus
und rang die Hände. Nur mit Mühe war sie zu be-
wegen, daß sie das Haus verließ.
Aranüreich.
Paris, 28. März. In Toulon sind die Panzerschiffe
die an den Uebungen theilnehmen werden, damit beschäf-
tigt, ihre Sicherheitsnetze anzulegen, welche Arbeit einen
ganzen Monat erfordern wird. Wie der Marineminister
einem Berichterstatter erklärt hat, ist er noch immer fest
überzeugt, daß den Torpedobooten eine große Rolle be-
schieden ist. Den Verschluß der Terpedowurfröhren hat
man jetzt bedeutend verbessert und wasserdicht gemacht,
und auch die Lenkung der Torpedos ist eine sicherere ge-
worden.
Die Geheimnisse der Residenz.
36) Roman von F. Klink.
(Fortsetzung.)
Als Douitz in das verlegene, hocherröthete Antlitz
Mariens sah, da blitzte ein Freudcnstrahl durch seine Seele,
denn er fühlte, daß das Mädchen ihn keineswegs als
„Onkelchen" betrachte, sie hätte sich sonst schwerlich so
befangen gezeigt.
„Darf ich Sie hinübertragen?" fragte er und seine
Stimme, die einen scherzenden Ton anschlagen sollte, ver-
sagte den Dienst.
Das junge Mädchen nickte beistimmend und leicht
hob er sie auf. Als er sie jetzt auf den Armen hatte, da
fühlte er, wie sie zitterte und nur mit Mühe bezwang er
sich, sie nicht fest in seine Arme zu pressen und an sein
Herz zu schließen.
Von dem Tage an hatte sich das Verhältniß der
Beiden ganz anders gestaltet. Marie erröthete, wenn die
schlanke kräftige Gestalt des Hauptmanns sichtbar wurde
und suchte ihm auf alle mögliche Weise auszubiegen, aber
es bedurfte nicht allzu großer Menschenkenntniß, um zu
sehen, warum sie auswich. Marie fürchtete, ihre Gefühle
in Gegenwart anderer Menschen zu verrathen und darum
hielt sie sich lieber von ihm fern.
Eines Nachmittags, als Marie zu Julie Streitmann
gegangen war und diese nicht zu Hause fand, blieb sie auf
Tante Donitz Zureden doch so lange, um deren Rückkehr
M erwarten. Tante Donitz aber war, wie immer, stark
hon wirthschaftlichen Geschäften in Anspruch genommen,
so daß sie Marie ihre Gegenwart nicht schenken konnte
und diese bat, sich so gut es gehen wollte, allein zu unter-
halten. Diese Fähigkeit ging Marien gewiß nicht ab, sie
setzte sich an das geöffnete Fenster und betrachtete die Vor-
übergehenden, ohne jedoch sehr von deren Anblick interessirt
ZU sein.
Plötzlich sprang sie beinahe erschreckt auf.
„O mein Gott, wo verberge ich mich denn, gibt es
hier nirgends ein Versteck? Da kommt Arnold, direct
auf das Haus zu, und nun ist Julie noch nicht einmal
da, mein Gott, was fange ich an?
Und sie sah sich in der That hilfesuchend um, als
beabsichtige sie, in das erste beste Versteck hineinzuschlüpfen,
aber schon wurde die Thür geöffnet und Arnold stand vor ihr.
Ihr Erschrecken entging ihm nicht, doch war er klug
genug, es zu seinen Gunsten zu deuten und er beschloß,
wenigstens heute zu erfahren, ob er etwas von ihr hoffen
dürfe, eine günstigere Gelegenheit mochte sich nicht so leicht
wieder bieten.
„Ueberrascht es Sie, mick hier zu sehen, Fräulein
Marie?" fragte er.
„O, nein, im Gegentheil, ich —" entgegnete sie
verwirrt. „Ich wollte Julie besuchen und traf sie nicht
zu Hause, Tante Donitz meinte, sie würde wohl bald zu-
rückkommen, ich könnte so lange warten."
„So darf ich Ihnen wohl so lange Gesellschaft leisten,
Fräulein Marie, denn auch ich habe mit Julien in Betreff
ihrer Zukunft etwas zu überlegen. Lassen Sie sich durch-
aus nicht in Ihrer Unterhaltung, die Vorübergehenden zu
betrachten, stören."
Abermals schoß Marien das Helle Blut in die Wan-
gen, er hatte sie schon von der Straße aus beobachtet,
vielleicht sogar ihr kindisches Betragen bemerkt, als sie bei
seinem Anblick aufgesprungen war.
„O, ich habe die Vorübergehenden nicht gerade be-
trachtet," sagte sie, um nur ja keine peinliche Pause ein-
treten zu lassen, „so etwas unterhält mich nicht sehr, ich
war mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt, es gibt ja
so vielerlei zu denken," fügte sie gleichsam entschuldigend
hinzu.
„Ich habe Sie immer für so arglos gehalten, Marie,
daß ich glaubte, in Ihrem Kopfe machten die Gedanken
nicht viel Umstände."
„Sie meinen wohl, ich könne gar nicht ernst sein,
weil ich oft vergnügt und heiter bin?" fragte sie etwas
piquirt.
„Etwas ähnliches allerdings, Marie, und ich will
Ihnen auch sagen, daß ich das fürchtete. Sie müssen ja
doch einmal ernst werden."
„Muß ich das? Nun, dann hat's immer noch Zeit,
ich bin erst siebzehn Jahre —"
„Ich weiß das, aber auch mit siebzehn Jahren
kann einmal der Ernst des Lebens an Sie herantreten."
„Ich wüßte nicht wie", versetzte Marie heiter. „Ich
habe weder Vater, Mutter, Bruder noch Schwester, die
mir Schmerz bereiten könnten, oder deren Wohl und
Wehe mir Kummer machte, nur für mich allein muß ich
sorgen und damit will ich schon fertig werden. Zwingt
mich die Nothwendigkeit, ernst zu sein, so kann ich das,
ohne mich darauf Jahrelang vorbereiten zu müssen."
„Und wenn ich Sie nun bäte, Marie, einmal recht
ernst zu sein", sagte er weich und innig, indem er ihre
Hände ergriff, „würden Sie dann meine Bitte erfüllen?
Würden Sie einmal darüber nachdenken, auf welche Weise
Sie wohl am glücklichsten in der Welt wären?"
Das wußte Marie, ohne daß sie darüber nachzu-
denken brauchte. Sie versuchte es auch nicht, Arnold ihre
Hände zu entziehen, aber sie fand keine Antwort auf seine
Frage, sie hätte es nicht vermocht, eine Wort über ihre
Lippen zu bringen. , ,
„Marie", fuhr Arnold innig fort, „sieh', ich bm
nicht mehr jung, und andere Menschen mögen es unsinnig
finden, daß ich um ein so junges Blut, wie Du bist,
werbe, aber mein Herz ist noch frisch und unversehrt.
Ich liebe Dich, Marie, Du mußt das längst empfunden
haben und cs gibt für mich kein Glück mehr auf Erden,
wenn Du meine Liebe nicht erwiederst. Lange habe ich
versucht, meine Neigung zu bekämpfen, weil ich es für
Unrecht hielt, um Aich zu werben, aber es war mirMcht
möglich und so beschloß ich, mich an Dich selbst zu wenden.