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eig ellmger Tageblall

Unterhaltungsblatt „Alt Heidelberg", für Heidel-
wenatlich 50 Pfg. mit Trägerlohn, durch die Post be-
'°3en viertelj. Mk. 125 ohne Zustcllungsgebühr.

täglich außer Montag. AöonnernrntSpreiS mit ii? S
>tl. Unterhaltungsblatt^ „Alt Heidelberg", für^Heidel-

Ä?Ündiflungs-Blakt für die Kezirkr Heidelberg, Meinheim, Schwetzingen, Wiesloch, Sinsheim, Eppinger», Mosbach, Arckarbischofshei«, Eberbach, Kuchen
Meckerei und Expeditron: Brunnengaffe 24.Walldürn, Adelsheim, Horbkrg, Tanbelbifchllfsheim nnd Merlheim, Buchdruckerei und Lrpkdttio«: Brunnengaffe 24-

Anzeigen: die 1-spaltige Petitzrile »der deren Raum für aus-
wärts 10 Pfg., Lokalanzeigen k Pfg., Stellengesuche und
WohnungS-Anz. s Pfg. Reclame 20 Pfg. Bei mehrm. Erschein,
bedeutenden Rabatt. Gratis-Verbreitung durch Mauer-Anschlag.

1887.

Donnerstag, 1. Deeem-er

Bruck und «erlag svn Wurm L ^^ffrr
in Heidelberg.

BerMtwortl. Redakteur PH. Klausner
in Heidelberg.

unseren hiesigen und den Trägern und Träge-
nächsten Umgebung zum Preise von 50 Pfg.
entgegengenommen. Die Expedition.

vielmehr dessen Gemahlin verlegt, welche in musikalischen
Kreisen durch ihre Begeisterung für Richard Wagner be-
kannt wurde. In diesem Hause war auch Herr v. Sa-
burofs, der russische Botschafter am Berliner Hofe, stän-
diger Gast. Herr v. Saburosf, der nur seinen großartigen
Kunstsammlungen, die er vorher als Gesandter in Athen
aufgespeichert hatte, sowie der Musik Interesse abzuge-
winnen schien, streckte hier seine Fühler aus und ward
hier zum Leiter eines großartigen Jntriguenspieles. Seine
Verbündeten waren in erster Linie drei Schwestern,
die, sämmtlich an bekannte Persönlichkeiten der Hcfgesell-
schaft vcrheirathet, eine große Rolle in derselben spielten.
Da trat ein Zwischenfall ein, der Herrn v. Saburofs
zur Rückkehr nach St. Petersburg zwang. Während seine
Gattin in Dresden war, machte er mit zweien jener
Schwestern, von denen die Eine (Gräfin Dankelmann)
als außergewöhnlich geistreich gilt, während die Andere
(Gräfin Perponcher) die Gemahlin eines der höchsten
Hofchargcn ist, einen Ausflug aus das Land. Herr v.
Saburofs hatte ganz — vergessen, daß ihn Fürst Bis-
marck an jenem Nachmittag zu einer Unterredung ge-
beten hatte und der erzürnte Kanzler forderte, als er die
Ursache des Ausbleibens des Botschafters erfuhr, dessen
Entfernung vom Berliner Hofe. Hm v. Saburofs ging,
doch nur, um sich aus einem geheimen Gegner Bismarck's
in einen öffentlichen zu verwandelst. Die Consequenz, mit
der er seine Angriffe auf Bismarck in der Heimath fort-
setzte, führte bekanntlich vor nicht gar langer Zeit dahin,
daß der damals Bismarck's Hilfe suchende russische Mi-
nister des Aeußern zum zweiten Male Herrn v. Saburoff's
Entfernung von einem Amte beim Kaiser Alexander
durchsetzte. In neuerer Zeit agitirte Herr v. Saburofs
eifrig für die Allianz mit Frankreich, während er
seine Verbindungen mit seinen Freundinnen in Berlin, von
denen die eine jener drei Schwestern jüngst mit ihrer Fa-
milie nach einem großen Luxusbadc in der Rheinprovinz
übersiedelte, eifrig weiter pflegte. Man hatte von dem
Anti-Bismarck-Vunde am preußischen Hofe lange nichts
mehr gehört, derselbe schien der Vergangenheit anzuge-
hören, ist nun aber durch die Mittheilung der „Köln.
Zeitung" wieder zur aktuellsten Gegenwart geworden.
Man hat nun erfahren, daß es auch heute noch am Ber-
liner Hofe an Elementen nicht fehlt, welche gegen den
Fürsten Bismarck inlriguiren. Jetzt hat diese Gesellschaft
keinen Herrn v. Arnim zu rächen, vielleicht gelingt es ihr,
einen solchen zu schaffen, was nämlich das Geschick be-
trifft, das diesen Staatsmann ereilte.

die Vorlage über Erhöhung der Getreidezölle einem
lebhafteren Widerspruch, als man gegenüber der agrarischen
Presse hätte annehmen können. Namentlich ist man von
dem Sperrgesctz unliebsam berührt, welches denn auch in
Handelskreisen und zwar über die Grenzen des zunächst
betheiligten Getreidehandels einen wahren Sturm hervor-
gerufen hat. Es verlautet mit Bestimmtheit, daß die ver-
schiedenen Handelskammern, trotz der bereits erlassenen
Eingaben gegen die Erhöhung der Kornzölle, im allge-
meinen gegen das Sperrgesetz noch besondere Verwahrung
bei dem Bundesrathe einlegen würden. In dieser Be-
ziehung versprechen die Verhandlungen und Beschlüsse des
übermorgen hier zusammentretenden deutschen Handels-
tages eine besondere Bedeutung zu erlangen. Der Kampf
um das Gesetz im Reichstage wird heiß entbrennen; in
seiner jetzigen Gestalt ist die Annahme desselben mehr als
fraglich; wie die Parteien — abgesehen von den Deutsch-
freisinnigen, welche geschlossen dagegen stimmen werden —
sich verhalten, ist noch gar nicht abzusehen, da das Cen-
trum über ftine Stellung Stillschweigen bewahrt. Am
Donnerstag soll die erste Lesung stattfinden und die Be-
rathung jedenfalls beschleunigt werden. Der Präsident des
Reichsschatzamts Dr. Jacobi und der preußische Finanz-
minister v. Scholz werden in der Hauptsache die Ver-
tretung der Regierungsvorlage übernehmen, doch wird auch
wohl der preußische Minister für Landwirthschaft u. s. w.
Dr. Lucius, an der Debatte theilnehmen. — Die erste
Berathung des Reichshaushaltsetats, welche morgen
beginnt, soll womöglich in einer Sitzung erledigt werden.
Die geschäftliche Behandlung des Etats wird sich genau
wie in früheren Jahren gestalten. Die wichtigsten Theile
werden der Budgetcommission überwiesen und das Uebrige
im Plenum erledigt. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß
der Etat des Auswärtigen Amts Anlaß zu eingehenden
Erörterungen über die Colonialpolitik bietet; wenig-
stens liegt die Herbeiführung derselben in der Absicht zahl-
reicher Mitglieder des Hauses.
ArasSreiH.
Paris, 28. Nov. Die heutige Kammersitzung wurde
unter größtem Andrang eröffnet. Der deutsche Botschafter
Graf Münster war anwesend. Rouvier ersucht die Kammer,
sich bis Donnerstag zu vertagen. Dann werde die Regierung
im Stande sein, Mittheilung zu machen. (Zuruf rechts: Höchste
Zeit!) Die Kammer vertagt sich sodann bis Donnerstag.
Paris, 28. Nov. In allen Werkstätten und in den
äußeren Vierteln wurden heute Vormittag Anschläge
angeklebt, in denen der Centralausschuß der Arbeiter-
partei die Arbeiter auffordert, sich nicht an etwaigen
Straßenkämpfen zu betheiligen. Die Arbeiterpartei habe
an der Präsidentschaft und der Ministerkrisis kein Interesse

Deutsches Msich.
Berlin, 28. Nov. In Abgeordnetenkreisen begegnet

Marck's Gegner am Berliner Hofe.
„N. Wiener Tagbl." veröffentlicht folgendes:
erstaunt, von der Existenz einer Gesellschaft in
^Meil Umgebung des Kaisers Wilhelm zu erfahren,
fingen den allmächtigen Kanzler intriguirt. Und
dsi Geschichte schon alt und spielt durch lange
Man muß weit zurückgreifen, um ihre Spuren
geu. Zur Zeit der Arnim-Affaire existirte in
, lmrg ein Blatt, die „Eisenbahnzeitung", später
^,^°cke", welche durch ihre Angriffe gegen den Kanzler
Nen Kreisen Aussehen erregte. Diese Angriffe er-
hMnsation und eines Tages erschien Fürst Bismarck
Kaiser, um von ihm Schutz gegen die Feinde zu
Auf die Frage des Kaisers, wer diese Clique
(Mrite der Kanzler den Prinzen Biron von Kur-
'Hi ""t seine von Lasker vor das Parlament
b Theilnahme an gewissen Eisenbahngründungen.
M erklärte zu wissen, daß dieser die „Reichsglocke"
M'üre und derselben Artikel liefere. Unverzüglich
der Kaiser seinen Adjutanten zu dem Beschul-
iw Um von ihm Rechenschaft zu fordern. Der Ab-
^htte bald zurück und brachte das Wort des
daß er zu jenem Blatte in keiner anderen Be-
stehe, als jeder Abonnent. Einige Jahre ver-
K' uls ein Berliner Blatt die Geschichte der längst
Irenen „Reichsglockeb erzählte. Es waren hier die
Pesten aufgezählt, welche dieses Blatt unterstützt
z. Ud unter diesen fungirte — der Rentmeister jenes
Vt dem Subventionsbetrage von 125000 Mark,
itz Kaiser jedem Eklat in der Gesellschaft entschieden
W^ur, wurde die Geschichte unterdrückt; die Kaiserin
s Noch der großen Feste in dem fürstlichen
» /P und der greise Monarch erschien wenige Jahre
der Wittwe des verstorbenen Fürsten, um ihr
auszudrücken.
erwähnte Fürstenhaus stand nicht allein in der
gegen den Kanzler, doch wurde das Haupt-
des „Anti-Bismarck-Bundes" später in ein an-
<^us, in dasjenige des Ministers Schleinitz oder

MM**- Bestellungen für den Monat
Deeember
« E>Vdelberger Tageblatt (General-Anzeiger)
^Zeitung in ganz Baden), werden fortwährend von
Postanstalten, Briefträgern und unseren bekannten
zum Preise von 55 Pfg. frei in's Haus,

Charlotte Oldenstätt.
A kriminal - Novelle von A. Klock.
k' (Fortsetzung.) -
" ^ine entwand sich bei der Mittheilung ihres
listig seinen Armen und mit Zornesthränen in den
^Ugeu rief sie aus:
"ein, ich will keine Andere, ich würde sic doch
r nennen, Johannes hat gesagt sie bringe Unglück
l ' Nach diesen Worten lief sie eilig aus dem
der Vater blickte ihr stutzend nach —
i ^«nnes!" rief er mit scharfer Stimme. Der Ge-
richten auf der Schwelle des Nebenzimmers.
. r! kommst Du zu der Behauptung daß Diejenige,
^^.Euch zur Mutter bestimmte, Unglück ins Haus
Vrd, Dich deßhalb mit meinem Beschlüsse
gemacht, ungerathener Sohn?"
s ! Jüngling schwieg eine Weile trotzig; hierauf
, stnster:
'Z es recht, daß Du auf solche Weise das An-
unsere Mutter ehrst? Du willst eine Andere
> Üe führen; diese Räume, welche ihre Gegen-
ihr Tod geheiligt, sollen entweiht werden durch
! So viel ich aus der Geschichte unseres
ß, ist es zum ersten Male, daß ein Oldenstätt
Gattin die Treue bricht!"
K d^unes", schrie der Vater bebend vor Zorn, „Du
h 'Knabe, mir Vorschriften zu machen?"
Ü!„^ohn kannte keine Furcht, kalt blickte er dem
ue in die wuthfunkelnden Augen, dann sagte
Mer Stimme:
» e>m Du Regina Lewald in Dein Haus führst.
Allen Verderben. Seit dem Tage, wo Du die
zuerst gesehen, verfolgt uns das Unglück; ist es
genug, daß unsere arme Mutter im Grabe

liegt? Nun willst Du uns durch Deine Heirath doppelt
zu Waisen machen!"
„Johannes !" Der Doctor schrie den Namen in einem
entsetzlichen Tone — das letzte Band zwischen Vater und
Sohn war zerrissen.
Acht Wochen später hallte das Läuten der Hochzeits-
glocken durch das festlich geschmückte Haus, und Doctor
Oldenstätt, mit seinen zweiundvierzig Jahren, von stattlichem
Aeußern, führte strahlenden Antlitzes ein junges blühendes
Weib, mit vollen, schlanken Gliedern, Augen wie schwarze
Diamanten und Haaren wie flüssig Gold, in das ehr-
würdige Heim seiner Väter.
Die steifen Möbel aus der alten Zeit, welche Mar-
garethe pietätvoll gehütet, wurden auf Reginas Wunsch,
wenigstens in der untern Etage adgeschafft, und statt ihrer
die Räume mit allem Comfort der Neuzeit ausgestattet.
Die schöne zwanzigjährige Frau war die Tochter
eines kleinen Beamten in der Provinz. Ihre Eltern starben
kurz nach einander und das junge Mädchen eilte zu Ver-
wandten nach Berlin mit dem festen Entschlüsse, hier ihr
Glück durch eine reiche Heirath zu begründen. Vor der
Hand gelang es ihr, sich durch Anfertigung feiner Sticke-
reien einigermaßen durchzubringen.
Als Regina achtzehn Jahre zählte, machte sie durch
einen Zufall die Bekanntschaft des Doktor Oldenstätt. Sie
gewann sein Herz auf unglaublich schnelle Weise, täglich
besuchte er die junge Dame, überschüttete sie mit Ge-
schenken und gab ihr die Versicherung seiner glühendsten
Liebe. Aber Regina, ihr Ziel fest im Auge behaltend,
war spröde wie Glas, sie hatte den richtigen Weg gewählt,
ihren Zweck zu erreichen. Oldenstätt wurde durch ihr Be-
nehmen mehr und mehr aufgestachelt, die treue Gattin da-
heim war dem Verblendeten die bitterste Feindin seines
Lebens — und zwei Jahre später hatte Regina die Genug-
thuung, ihren Herzenswunsch erreicht zu haben — sie durfte
als Herrscherin einzichen in das ehrwürdige Heim der
Oldenstätts.

Der Sohn ihres Gatten begegnete der jungen Frau
mit feindseligen, höhnischen Blicken, und sein Schwesterchen
j rief weinend: „Ich will keine neue Mama!"
Regina setzte den Anfeindungen des Stiefsohnes den
größten Gleichmuth entgegen, der Doktor merkte bald ge-
nug, daß es ihr nicht einfiel, sich das Herz seiner Kinder
gewinnen zu wollen. Nicht gerade böse von Charakter,
war sie doch vollständig gemüthlos; sie hatte auch weder
Anlage noch Lust, ein Kind zu erziehen. Der Vater
brachte mit schwerem Herzen sein achtjähriges Töchterchen
in ein Pensionat nach Stettin, dessen Vorsteherin ihm
weitläufig verwandt war, dort besuchte er die Kleine ost
und immer fester knüpfte sich das Band, welches ihn mit
seinem Kinde vereinigte.
Johannes, der Sohn, der noch einige Jahre-bis zum
Abgänge auf die Universität im Hause blieb, hatte wäh-
rend dieser Zeit die hohe Genuglhuung, zu bemerken, wie
sich sein Vater mehr und mehr von der Stiefmutter entfernte.
Regina empfand nicht die geringste Zuneigung für
ihren Gatten, sie that auch gar nichts dazu, sich seine
Liebe zu erhalten. Daß sie eine Stellung errungen, wie
sie tausend Andere vergebens erseuszten, fand sie bei ihrer
Schönheit selbstverständlich; nach ihrer Meinung hatte
der Doktor alle Ursache, sich bei ihr zu bedanken, daß sie
ihn nicht ausgeschlagen.
Und Oldenstätt? Der phlegmatische, durch nichts zu
erwärmende Charakter seiner zweiten Frau empörte ihn,
er war ein gereifter Mann, der Rausch verflogen und
die Ernüchterung in ihre schroffen Rechte getreten. Ein-
mal noch flackerte die alte Zärtlichkeit auf, als Regina ihn
mit einem schwarzäugigen, goldhaarigen Mädchen beschenkte,
aber nach vier Wochen starb das Kind, dem die Mutter
kaum eine Thräne nachweinte, und von da an schien eine
Eiswand die beiden Gatten zu trennen. Ihre Erkältung
gegen einander ging so weit, daß der Doctor seiner
Frau den ganzen unteren Stock zur Wohnung überließ
während er sich mit dem Sohne im oberen einquartirte.
 
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