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M 15.
Berantwortl. Redakteur PH. Klausner
in Heidelberg.
Mittwoch, 18. Januar
Druck und 8erlag »an Wurm L Pfeffer
iu Heidelberg.
1888.
Oscar Pietsch
Wieder hat der grausame Tod ein Opfer gefordert —
Oscar Pletsch, der bekannte und humorvolle Zeichner
des Kinderlebens, ist nicht mehr. Am 12. d. M. hat er
sein Leben, das reich an Sorge und Arbeit, reich auch
leider während der letzten Jahre an schwerem Leiden ge-
wesen ist, in Niederlößnitz b. Dresden, ausgehaucht. Vor 10
oder 15 Jahren wäre diese Botschaft wie ein Klageruf durch ganz
Deutschland, ja über die ganze Erde, bis zu den entlegensten
Flecken, wo es deutsche Kinder gibt, gedrungen — heute
mag mancher beim Lesen derselben sich wundern, jetzt von
dem Dahinscheiden eines Mannes zu hören, den er längst
nicht mehr unter den Lebenden vermuthete. Wahrlich, cs
ist nicht Pletsch's Schuld, daß die Welt ihn halb ver-
gessen. Sein Talent ist nicht von der Höhe hcrabge-
sunken: der modernen Zeit fehlte es nur an der Neigung,
sich bis zu ihm zu erheben, die künstlerischen Gaben seines
milden, zartsinnigen, echt kindlich-naiven Griffels zu ver-
stehen. Kate Greeneway und ihre Nachahmer haben den
Geschmack des Publikums für sich gewonnen; so mußte
Oscar Pletsch vereinsamen. Mit dem stolzen Gefühl, als
echter Künstler zu handeln und lieber völlig zu verstummen,
als gegen die Gesetze der Wahrheit zu fehlen, zog er sich
zurück. Dafür bleibt ihm sicher der Sieg getreu. Denn
da seine Erzeugnisse keiner Mode gehuldigt haben, so sind
sie auch keiner Mode unterworfen und über den Wechsel
des Geschmacks hinweg werden sie dem Volke erhalten
bleiben. Wenn jene Kleinen, die man gestern und heute
so laut bewunderte, längst vergessen sein werden, wird
Oscar Pletsch noch immer leben, noch immer Kinder
fröhlich lachen und vor Freuden in die Hände klatschen
machen.
Deutsches Neich.
Karlsruhe, 16. Jan. Unsere zweite Kammerist
heute nach den Weihnachts- und Neujahrsferien erstmals
wieder zu einer öffentlichen Sitzung — der 14. dieser
Tagung — zusammengetreten. Das Haus war sehr gut
besetzt und die Begrüßung unter seinen Mitgliedern eine
lebhafte. Besonderer Aufmerksamkeit in dieser Richtung
erfreute sich Präsident Lamey, der in gewohnter Frische
und Lebhaftigkeit seines Amtes waltete, sodann die Vice-
Präsidenten Kiefer und Friedrich. Letzteren sah man vor
Beginn der Verhandlungen in ernstem Gespräch mit Kultus-
minister Nokk. Finanzminister Ellstätter hatte einen recht
guten Tag, denn die beförderliche Vorlegung des Special-
budgets und die unerwartet günstige Wendung der badischen
Finanzen fand allgemeine Anerkennung. Die vom Reiche
in Aussicht stehenden großen Zuwendungen in Folge des
neuen Branntwemsteuergesetzes wurden mit den gebühren-
den Ehren begrüßt, konnten aber den vorsichtigen badischen
Finanzmann von der Verpflichtung pflichtgemäßer Obsorge
und Vorsicht nicht entbinden. Auf gar zu ausschweifende
Eisenbahnhoffnungen wußte Herr Ellstätter einen
formell milden, in der Sache aber gewiß allerwärts auf
Verständniß stoßenden Dämpfer zu setzen. Was die dem
Hanauerland zugedachte Gesetzesvorlage betrifft, so wird
dieselbe dort, wie die Interessen einmal gestaltet sind, wohl
nicht allgemeine Zustimmung finden.— Die Budgetkommission
genehmigt die Erhöhung des Jahreszuschufses zur Eisen-
bahnschuldentilgung von 1^ auf 2'^ Millionen. —Ellstätter
legte den Entwurf der Lokalbahn Kehl-Lichtenau vor mit
einem Staatszuschuß bis 250000 Mk.
Karlsruhe, 16. Jan. Der Großherzog, Prinz
Ludwig Wilhelm, sowie die übrigen dem Hofe ver-
wandten Fürstlichkeiten wohnten Samstag einem großen
Balle der Muscumsgesellschaft an. Leider war die Frau
f Großherzogin durch ihr congestives Augenleiden an der
Theilnahme behindert, da eine nochmalige ärztliche Behand-
lung nothwendig erschien. Dieselbe ist wesentlich auf Ver-
minderung des Blutandrangs nach dem Auge gerichtet.
Das Leiden scheint ohne bösartigen Character ein solches
zu sein, wie es bei stark Kurzsichtigen nicht selten eintritt.
! — Im Ministerium des Innern ist (außer einer
weiteren Arbeitskraft als elftes Collegialmitglied) noch die
Verleihung der Staatsdienereigenschaft an den Gehilfen des
Fabrikinspektors vorgesehen und von der Budgetcommission
durch Bewilligung der entsprechenden Mittel gutgeheißen.
Die Arbeiten dieses Geschäftszweiges haben sich wesentlich
vermehrt und ihre wohlthätige Wirkung für die arbeitende
Claffe steht außer aller Frage. Einen erhöhten Theil der
Geschäfte bildet nunmehr auch die häufiger gewordene Be-
gutachtung der Betriebsunfälle und der daran sich knüpfen-
den Folgen. Die gleichen vermehrten Arbeiten haben auch
zu einer besonderen Budgetposition für die Vorsitzenden
der beruflichen Schiedsgerichte geführt und zu der bereits
gutgeheißenen Errichtung des inländischen Versicherungs-
amtes für die Ausdehnung der Unfallversicherung auf die
Land- und Forstwirthschaft.
Berlin, 16. Jan. Kaiser Wilhelm stand um 9
Uhr auf und nahm im Laufe des Vormittags verschiedene
Vorträge entgegen, darunter einen längeren Vortrag des
Wirkt. Geheimraths v. Wilmowski. Nachmittags empfing
er den General v. Obernitz, den Grafen v. Brühl-Pförten,
sowie den Grafen Herbert Bismarck, der heute aus Fried-
richsruh zurückgekehrt ist. — Dem Reichstage ist heute
das „Gesetz betreffend die Verlängerung der Giltigkeits-
dauer des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestre-
GMdcMe Herzen.
Roman von Hugo v. Rittberg.
3) (Fortsetzung.)
„Meine gute Mutter", fuhr Herr Steffens fort,
hat mir zu diesem Zwecke ihr ganzes, kleines Vermögen
gegeben. Ich bin nicht so leichtsinnig, dies nutzlos zu
verschwenden. Erreiche ich meinen Zweck nicht, so lernt
Rich doch der Herzog kennen und ich werde in der Resi-
denz bekannt. Erlauben Sie mir", schloß der junge Mann
befangen, „Ihnen meine Papiere vorzulegen. Zeugnisse
lind nicht immer maßgebend, doch erwecken sie einiges Ver-
trauen!" Er öffnete seine Brieftasche und reichte dem
Baron mehrere Papiere.
Dieser hatte mit großem Interesse den jungen Mann
angehört. Er entfaltete die Schriften und las.
. >,AH!" rief er Plötzlich überrascht. „Das Zeugniß
eines Max Maria v. Weber. Das spricht genügend.
Dieser Mann ist ebenso groß wie gewissenhaft. Nun Ihr
Anliegen!"
»Ich würde die Bitte wagen, daß Sie gütigst die
^>umme zeichnen, welche Sie zu diesem Unternehmen ver-
wenden wollen."
„Reichen Sie mir die Subscriptionsliste!"
Verlegen antwortete Steffens:
„Sie sind der erste, Herr Baron, an den ich mich
wende."
„Wie komme ich zu der Ehre, der erste auf der Sub-
scriptionsliste zu sein?" meinte lächelnd der Baron.
„Sie zwingen mich, offen zu sein, Herr v. Hohen-
berg. Durch meinen Onkel erhielt ich das Verzeichniß der
Gutsherren und Grundbesitzer dieses Landes. Sehr oft
habe ich die Namen derselben durchlesen und meine Augen
sielen immer und immer wieder auf Ihren Namen. Dies
ber Grund, weßhalb ich mich an Sie zuerst wende."
„Sie sollen sich nicht getäuscht haben. Wenn es gilt,
j meinem Fürsten zu dienen, oder für das Wohl meiner
Mitbürger mithelfen zu können, bin ich gern der erste,
welcher seine Hand hierzu bietet. — Nun weiter! Sie
werden mein Grundstück durchschneiden und verlangen meine
freiwillige Zustimmung?"
„Soviel ich die Gegend heut' überschaut habe, wird
dies nicht geschehen; im schlimmsten Falle würde die Bahn
einen kleinen Theil ihrer Felder berühren. Dennoch wür-
den einige Zeilen von Ihrer Hand, welche mir dieses ge-
statten, höchst erwünscht sein. Ich bin sicher, Ihrem Bei-
spiele werden andere folgen."
„Zugestanden, mein junger Freund! Legen Sie mir
die Liste zur Unterzeichnung vor; in einer halben Stunde
erhalten Sie schriftlich meine Zustimmung zum Durch-
brechen der Felder."
„Wie soll ich Ihnen danken, Herr Baron! Dieser
Anfang gibt mir frischen Muth und neue Kraft. Sie
erlauben, daß ich gegen Abend wieder zu Ihnen kommen
darf?" —
Nach diesen Worten stand der junge Mann auf und
wollte sich entfernen, doch der Baron hielt ihn zurück,
indem er sagte:
„Bleiben Sie, Herr Steffens! Mit kindlicher Offen-
heit gestanden Sie mir vorhin, daß Ihnen Ihre Mutter
ihr kleines Vermögen anvertraut hätte, um Ihr Unter-
nehmen ausführcn zu können. Es gilt demnach Ihre
Ausgaben möglichst zu beschränken. Ich biete Ihnen daher,
so lange Sie in unserer Gegend beschäftigt sind, den Auf-
enthalt in meinem Hause an, Sie werden mein Gast sein."
„Herr Baron!" rief der junge Mann auf das Höchste
überrascht. „Sie sind meinen Wünschen mit seltener Liebens-
würdigkeit entgegen gekommen. Nun noch dieses Aner-
bieten! So verlockend es ist, ich darf es nicht annehmen."
„Kein Wort weiter!" Sie bleiben, den Sie erzeigen
mir einen Gefallen! Von einer mehrjährigen Reise seit kurzer
Zeit zurückgekehrt, aus dem bunten Gewirre des Lebens
Plötzlich herausgerissen, fühle ich jetzt hier in meinem
bungen der Socialdemokratie vom 21. October 1878" zu-
gegangen.
Gestenreich ILrrßsr«.
Wien, 16. Jan. Ein Petersburger Brief der „Pol.
Corresp." sagt: Die militärischen Maßregeln seien nur
eine Rückwirkung der gespannten Lage. Wegen der bul-
garischen Frage jedoch lasse der allseitige Ueberdruß den
Zeitpunkt für ein Einschreiten der Mächte ziemlich günstig
erscheinen und auch Rußland würde sich zugänglicher er-
weisen, falls man seiner Hauptforderung durch Beseitigung
des Coburgers Rechnung trage. Man beginne in Peters-
burger Regierungskreisen die Bildung einer aus ver-
schiedenen Parteien Bulgariens zusammengesetzten zeit-
weiligen Regierung nach dem Abgänge des Coburgers bis
zu der neuen Fürstenwahl zu erörtern, sei sogar geneigt,
einen neuen diplomatischen Vertreter, allenfalls den ehe-
maligen Kriegsminister, Fürsten Kantakuzene, zu entsenden,
ohne ihm den Character eines Commiffars beizulegen.
Die Anschauung jedoch, daß der erste Schritt Rußland
zukomme, stoße in Petersburg auf lebhaften Widerspruch,
da Rußland wiederholt fruchtlos eingeschritten sei, die
anderen Mächte dagegen sich über die Mittel zur Be-
friedigung Rußlands verständigen könnten.
IrasLreiH.
Paris, 16. Jan. Seit 1 Uhr sind im Innern des
Stadthauses die autonomistischen und socialistischen Pariser
Gemeinderäthe versammelt, um die Abstimmung der
Deputirtenkammer über die Interpellation Lamarzelle ab-
zuwarten. Auf dem Platze vor dem Stadthause warten
die Abgeordneten des Revolutions-Comites. Die Regie-
rung hat zur Vorsicht Polizeimaßregeln angeordnet. —
Der Cassationshof vernahm in Anwesenheit aller seiner
Abtheilungen heute den Bericht über den abgesetzten Unter-
suchungsrichter Vigneau und beschloß die Vorladung Vig-
neaus, sowie eine neue Prüfung des Thatbestandes. —
Die Nachricht des „Figaro", der deutsche Botschafter Graf
Münster sei nach Cannes gereist, ist falsch. — Bei der
gestrigen Präsidialjagd in den Forsten Rambouillet glitt
einem Waldwärter das sich entladende Gewehr aus und
traf den General Brugere an der linken Hüfte. Nach
einer neueren Meldung soll der Zustand besorgnißer-
regend sein.
Nukßarieri.
Sofia, 16. Jan. Der Justizminister Stoilow reist
morgen Familienverhältnisse halber nach Konstantinopel.
Derselbe erhielt nebenbei den Auftrag, nach Kräften auf
die Stimmung der Pforte zu Gunsten Bulgariens einzu-
wirken.
Mrrßltmd.
Petersburg, 13. Jan. Englischen Blättern zufolge
stillen Hause doch Langeweile und werde mißmmhig. Ich
sehne mich nach Unterhaltung, will mich aussprechen. Das
kann ich mit Ihnen. Außerdem will ich das Schloß re-
noviren lassen, auch der Garten bedarf einer gründlichen
Umgestaltung. Sie sind Fachmann, Ihrem Gcschmacke
traue ich mehr, wie dem meinen und würde mir daher
Ihren Rath und Ihre Anordnungen in beiden Sachen
erbitten."
„Ich werde sehr erfreut sein, wenn ich Ihnen dienen
und nützlich sein kann."
„Also abgemacht! Sie sind mein Gast! — Was mögen
Sie gedacht haben, als Sie den Garten betraten! Nicht
wahr, er sieht wenig einladend aus? Da jedermann der
Durchgang erlaubt ist, haben unnütze Hände nach und
nach diese Verwüstungen angerichtet."
„Nennen Sie es absichtliche Bosheit!"
„Sie können recht haben. Mein Verwalter ist der-
selben Meinung. Er schrieb mir mehrmals: Ich kümmere
mich nicht mehr um den Garten und wende keinen Groschen
daran, denn die Bauern werden fortfahren, wieder zu zer-
stören. Warten wir, bis Sie zurückkehren, Sie werden
dann andere Verfügungen treffen müssen, um dieser Zer-
störungswuth Einhalt zu thun. Ich hielt die Worte des
alten Sonderlings für übertrieben, sehe aber jetzt, daß er
recht hat."
„Sie werden gezwungen sein, ein Gitter um den
Garten zu ziehen. Es verbietet Fremden den Durchgang
und schmückt zugleich den Garten."
„Ich werde Ihrem Rath folgen, so ungern ich es
auch thue, denn schon vom Großvater her ist der Durch-
gang allen gestattet, da der Weg zur Stadt durch den
Garten bedeutend näher ist als durchs Dorf. Jetzt werde
ich jedoch sogleich ein eisernes Gitter bestellen und denke,
Sie werden es bei Ihrem Hiersein noch aufgestellt sehen.
Wie lange werden Sie in unserer Gegend beschäftigt sein?"
„Ich denke sechs bis acht Tage, ohne die Zeit, welche
die Subscriptionen erfordern."